• Yara •
Ich schwebe mit meinen Gedanken im luftleeren Raum. Er ist hell und dunkel zugleich. Raum und Zeit sind eins und nichts. Es ist weder warm, noch kalt. Bei dem Gedanken an das Wort kalt hätte ich schwören können, regt sich etwas in mir. Was war das nur? Ich kann es nicht wirklich zuordnen. Träume ich? Der Zustand erinnert mich nicht wirklich an meine Klarträume, die ich gelegentlich habe. Nein, das hier ist anders.
Was ... ist ... hier ... los ...?, schweifen meine Gedanken durch den Kopf.
Mein Körper fühlt sich nicht bloß taub an. Er fühlt sich gar nicht an. GAR NICHT. Liege ich auf der Seite? Auf dem Bauch? Wo befinden sich meine Füße? Und wo meine Hände?
Wo ... bin ... ich ...?, hallt es weiter in meinem Kopf.
Einatmen. Ausatmen. Einatmen. ... Einatmen. ... Ein- Ich atme nicht. Also, gar nicht.
Klopf klopf. Klopf klopf. Klopf ... Klopf ... Mein Herz, ich spüre es nicht. Es schlägt nicht. Also, gar nicht.
Wenn ich weder atme, noch mein Herz schlägt, noch mein Körper da ist ... lebe ich dann noch? Bin ich noch?
Warum ... was ... wie ...?, geistert es nun durch meine Gedanken.
Lebe ... ich noch?
• Vittorius •
Seit mehreren Stunden sitze ich nun auf der anderen Seite der lederbezogenen Sitzbank meiner Kutsche und beobachte das kleine Menschenwesen. Ich korrigiere: Das angehende kleine Vampirwesen, sollte sie das überleben.
Meine Brust fühlt sich bedrohlich verengt an und mein Herz ist schwer. Je mächtiger ein Vampir ist, desto schwieriger haben es die Menschen das Vampirgen anzunehmen. Dies ist vermutlich der Grund, warum ich in all den Jahrhunderten nur sechs Menschen das Vampirleben schenken konnte. Warum also sollte gerade sie die Ausnahme sein? Mein jüngster Sprössling ist 998 Jahre alt und seitdem glückte mir kein weiterer Versuch, ein neues Vampirleben zu erschaffen. Nicht dass es wahnsinnig viele Versuche gegeben hätte. Alle Vampirblutlinien gehen von meinen sechs Vampirsöhnen ab, mit mir als König. Theoretisch sollte ich es also besser wissen.
Doch in diesem Moment bin ich einfach nur ein Mann, der hofft, dass diese Frau die Vampirverwandlung überlebt. Eine Frau, dessen Namen ich nichtmal kenne. Ich weiß nicht wie alt sie ist, was sie gerne gegessen hat, womit sie ihre freie Zeit füllt, ob sie noch lebende menschliche Familie hat, wo sie herkommt ... Ja, wo kommt sie eigentlich her? Sich Meter weit über den See teleportieren und sich dann freiwillig in den Tod fallen lassen, war vermutlich nicht ihr Plan.
Einige weitere Stunden später reißt mich das leere Gefühl meines Magens aus den Gedanken. Ich kann durchaus einige Tage ohne frisches Blut auskommen, aber gerade durch die Verwandlung des Menschenwesen steigt mein Blutbedürfnis enorm an. Mein Blick wandert aus den getönten Fenstern meiner Kutsche. Die Nachmittagssonne steht schon recht weit oben. In der Umgebung sieht alles friedlich aus und auch meine Wahrnehmung meldet keine Gefahr. Gut so.
In leichter Entfernung nehmen meine Sinne ein paar Wildschweine und andere Waldbewohner wahr. Tierische Beute dient genauso gut als Ersatz, auch wenn nichts über frisches Menschenblut geht.
Ich kann sie doch nicht alleine lassen.
Und wenn sie erwacht und dein Blut braucht? VIEL Blut braucht?, meldet sich mein Vampirmeister Instinkt zu Wort.
Das ist genug Argument für mich, um mich langsam zu erheben und die Kutsche zu verlassen. Die Sonne erhellt am wolkenlosen Himmel den See, doch mir macht sie schon lange nichts mehr aus. Ich sichere noch einmal schnell die Umgebung ab und dann kann die Jagd auch schon starten. Über den Gedanken, die Kutsche zu verbarrikadieren, damit mein frisches Vampirkind nicht in die Sonne spaziert und Verbrennungen erleidet, muss ich dann doch ein wenig schmunzeln. Die Verwandlung dauert mindestens fünf Tage und kann sogar bis zu vierzehn Tagen andauern, je nach Machtgrad des Vampirs. Und es ist nichtmal ein ganzer Tag vergangen, seit sie mein Blut getrunken hat und mein Vampirgen in ihren Kreislauf gelangt ist.
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Vampirkind Yara
FantasiVon einem abenteuerlichen Leben hat die 29-Jährige Yara schon immer geträumt. Es geht nichts über ein gutes Vampirbuch, etwas Schokolade und ein schönes warmes Getränk dazu. In ihren Büchern kann sie in diese wunderbaren Welten abtauchen und den nah...