Kapitel 70: Familienleben

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• Vittorius •

Ich bin immer noch innerlich total zerrissen wegen dem, was gerade passiert ist.

Mit nur einem einzigen Dunkelmagie Schlag hat Yara einen kleinen Felsen zerstört.

Dass sie dabei die Kraft nicht einschätzen kann und ihre Hand nun verletzt ist, macht das ganze nicht besser.

Jaron nimmt meine Befehle umgehend auf und verschwindet wieder. Mit Yara gehe ich zurück in die Wohnhalle. Die vier Neuankömmlinge sind gerade mit dem Gepäckverstauen fertig geworden und finden sich gerade vor dem Kamin ein.

„Taavi, Daryun, ihr passt auf, dass Yara keine Dummheiten macht. Ich kläre euch nachher über den aktuellen Stand der Dinge auf. Macht euch einen gemütlichen Nachmittag solange. Bleibt bitte beim Schloss, die Stadt ist nicht gesichert", gebe ich die Befehle an meine beiden Vampirsöhne weiter.

Mit vollem Ehrgefühl verbeugen sie sich und geben mir ein ruhiges Gewissen, dass Yara zumindest jetzt erstmal ihre Ruhe hat. Außer sie will sich davon schleichen, dann lernt sie vermutlich die strenge Seite ihrer Vampirbrüder kennen. Meine Befehle nehmen sie immer sehr genau.

Und schon verschwinde ich und gehe zum Quartier.

• Yara •

„Was ist denn mit deiner Hand passiert?", fragt Valerie erschrocken. Derya grinst mich derweil wissend an.

„Ein kleines Unglück, nichts wildes", spiele ich die Dunkelmagie, die ich noch nicht einschätzen kann, leichtfertig herunter.

Taavi und Daryun räumen hier und da noch ein paar Dinge um. Gemütlich sitze ich mit meinen neuen Freundinnen am Kamin und lausche nebenbei dem aufgeregten Geräuschen des Feuers.

Eine kleine Weile halte ich einen angenehmen Plausch mit den beiden Frauen. Sofort fällt mir auf, wie unterschiedlich unsere Welten sind. Und doch sind die beiden mir ziemlich sympathisch. Derya macht manchmal einen forschen arroganten Eindruck, das scheint aber eher regional bedingt zu sein von wo sie herkommt, Daryun ist nämlich genau so. Während unserer Gespräche bestätigt sie den Eindruck jedoch kein einziges Mal. Valerie ist eher etwas schüchtern und wirkt wie ein klassisches Mauerblümchen. So unschuldig und unwissend wie sie aussieht, ist sie aber eigentlich gar nicht.

Früher in der alten Welt bin ich nie sonderlich gut mit Frauen ausgekommen. Oft habe ich die von der zickigen Sorte abbekommen oder bin an diese gehirnlosen Klischee Modepüppchen geraten. Hier ist das anders. Ich bin echt froh zwei neue Mitstreiterinnen gefunden zu haben.

„Ich habe alles verstaut", ertönt Taavis Stimme. Elegant schwingt er sich zu seiner Frau Valerie. Selbst beim hinsetzen sehen seine Bewegungen so flüssig aus.

„Liegt deine Affinität beim Wasser?", frage ich neugierig.

„Scharf bemerkt", entgegnet er lächelnd.

„Und was denkst du wo meine Affinität liegt?", höre ich Daryuns Stimme direkt hinter mir. Eindrucksvoll lehnt er sich an der Sofakante an und starrt mich erwartungsvoll an.

„Ich weiß nicht so recht", sage ich wahrheitsgemäß.

„Was vermutest du denn?", hakt er weiter nach. Offensichtlich macht ihm das Spaß.

„Also Luft kann es schonmal nicht sein, Lucan hatte mir erzählt, dass er bisher der Einzige im Bunde war", starte ich das Ausschlussverfahren. Das Lächeln in seinem Gesicht wird breiter.

„Ich schwanke zwischen Feuer und Erde. Aber da müsste ich echt raten", gebe ich resigniert auf. Wasser glaube ich nicht, im Vergleich zu Taavi sind seine Bewegungen zwar flüssig aber eher wie vorprogrammiert. Das passt meines Erachtens nach eher in Richtung Feuer oder Erde.

„Komm schon, jetzt rate", fordert er mich ungeduldig auf.

„Wenn ich richtig liege, bringst du mir was cooles aus deinem Element bei?", stelle ich eine Gegenforderung.

Kurz hält er inne. Er scheint abzuwägen, ob die Gefahr besteht, dass ich richtig rate. Grinsend willigt er dann ein. Wie lustig, er ist sich sicher, dass ich falsch liegen werde.

„Feuer", sage ich gespannt.

Sein Grinsen mildert sich zu einem Lächeln.

Erwischt!

„Richtig. Wirklich jeder ordnet mich zur Erdaffinität ein, wie kommst du auf Feuer?", möchte er nun wissen.

Ah, er hat also wirklich fest angenommen, meine Wahl fällt auf die Erde. Vermutlich hat er deswegen eingewilligt mir etwas beizubringen weil er doch tatsächlich annahm, ich würde falsch liegen.

„Du wirkst schon ziemlich geerdet, das stimmt, aber deine Ungeduld passt einfach mehr zum Feuer", sage ich schulterzuckend und lache.

„Jetzt wo du es sagst", fällt bei Daryun der Groschen.

„Ich habe jetzt Fähigkeiten Training bei dir gut", entgegne ich grinsend.

„Das Vorgehen muss ich mir unbedingt merken", mischt sich Derya lachend ein.

„Wag es ja nicht!", zügelt Daryun seine Frau mit einem spielerischen Grinsen und einer dominanten Geste.

Die rebellische Ader von Derya trifft ja genau meinen Geschmack.

„Wollen wir endlich runter zum Strand?", fragt Valerie in die Runde.

Begeistert stehen alle auf und ich schließe mich an.

„Du musst wissen, unsere Ländereien haben keinen Strandabschnitt", klärt Taavi mich beim rausgehen auf.

Auf dem Balkon angekommen legt Daryun seine Hand auf meine Schulter.

„Ich bringe meine Frau erst runter und hole dich dann nach, ist das in Ordnung?", fragt er freundlich. Derya hängt bereits glücklich in seinen Armen und lehnt sich zufrieden an seine Brust an.

Wenn er wüsste!

„Ich bitte dich. Das kriege ich gerade so noch alleine hin", antworte ich lachend.

Jetzt starren mich alle etwas überrascht und irritiert an. Ist es wirklich so merkwürdig als Frau unabhängig zu sein? Dass Valerie und Derya noch nicht auf die Idee gekommen sind das selbst auszuprobieren. Andererseits sind die beiden ja auch in dieser Gesellschaft aufgewachsen, sie haben es nie anders kennengelernt und für sie ist es selbstverständlich.

„Der König lässt dich echt einfach so die Elemente erlernen und benutzen?", fragt Taavi nun leicht ungläubig. Andererseits sehe ich auch ein Leuchten in seinen Augen.

„Warum auch nicht? Wartet ihr auf besseres Wetter?", wechsle ich lachend das Thema. Dann drehe ich mich um und erhebe mich mit Leichtigkeit elegant in die Luft und steuere auf den Strand zu.

Sachte gleite ich zu Boden und spüre den Sand unter meinen Füßen. Meine Schuhe habe ich direkt oben gelassen.

Kurz darauf landen Taavi und Daryun auch neben mir. Behutsam entlassen die beiden ihre Frauen aus den Armen. Voller Vorfreude stürmen Valerie und Derya auf's Wasser zu. Zufrieden blicken ihre Männer den beiden hinterher.

„Deine Affinität ist unverkennbar die Luft", bemerkt Taavi.

„Richtig", entgegne ich grinsend.

Dann folgen wir den beiden Frauen zum Wasser.

„Ich wette wie immer auf Taavi", meint Valerie.

„Ich fürchte ich auch", sagt Derya lachend und wirft ihrem Mann einen entschuldigenden Blick zu.

„Frechheit", sagt Daryun nur grinsend.

Dann krempeln Taavi und Daryun ihre Hosen hoch und gehen ein Stück tiefer ins Wasser. Der Strand an sich ist recht flach, sie gehen zwar einige Schritte ins Meer, ihre Beine sind trotzdem gerade mal bis zur halben Wade im Wasser.

„Die beiden liefern sich immer eine Wasserschlacht. Seltend gewinnt Daryun mal, aber spannend ist es immer", klärt Valerie mich aufgeregt auf.

Wasserschlacht? Da bin ich dabei!

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt