Kapitel 107: Getrennte Wege

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• Vittorius •

Als Yara beim dritten Schattendämon praktisch Tod war und dann wieder gekommen ist, dachte ich echt: Schlimmer kann es fast nicht mehr werden.

Nun, falsch gedacht. Neuerdings liege ich häufiger im Fehleinschätzungsbereich als mir lieb ist.

Mit anzusehen, wie dieser Schattendämon Yara in diese Schattenebene mitnimmt, ist viel schlimmer als sie vermeintlich Tod zu sehen.

Durch die Druckwelle habe ich starke Schmerzen und meine Vampirsöhne liegen auch noch keuchend am Boden. Trotzdem versuche ich so schnell es geht ihr hinterher zu eilen. Hauptsache ich erreiche dieses Tor rechtzeitig!

Ich beiße meine Zähne fest zusammen und stürme auf das Tor zu. Gerade kurz bevor ich es erreiche, löst es sich in Luft auf.

Ich kann einfach nicht anders, als einen tiefen lauten und schmerzerfüllten Schrei loszulassen.

„Yara! Nein!", hallt meine tiefe aufgelöste und wütende Stimme über die Schneeoase.

• Yara •

„Schließe das Tor. Sofort. Oder ich werde deinen Vampirbruder hinrichten lassen", droht mir der Schattendämon. Dann lässt er mich runter. Seine Ansage klingt so, wie er es ausspricht, total gelassen, als wäre es keine große Sache.

Vittorius könnte jeden Moment durch das Portal herbeigeeilt kommen. Andererseits, will ich das? Soll dieser Mann echt mit mir zusammen auf dieser Ebene feststecken? Würden die Schattendämonen uns dann töten?

Ich kann ihm das einfach nicht antun. Und genau so wenig will ich Schuld daran sein, dass Lucan hingerichtet wird. Oder es eine Familienhinrichtung geben wird.

Ich tue also genau das, was der Schattendämon von mir verlangt. Unter großer Anstrengung kombiniere ich das Dunkelmagie aufsaugen mit dem Rückfluss. Kurz bin ich stolz auf mich, dieses Mal nicht meine Adern zerstört zu haben.

Wie mir das jetzt von nutzen sein wird und ob das überhaupt noch eine Rolle spielen wird, hinterfrage ich besser nicht. Die Angst, die sich mit dem Gedanken in mir aufbäumt, verkneife ich mir sofort.

Dann spüre ich wieder wie der Arm des Schattendämons meine Teile umschlingt. Er hebt mich hoch und scheint sich in Bewegung zu setzen. Angespannt hänge ich nun in seinen Armen und zielgerichtet bringt er mich irgendwo hin. Bilde ich mir das ein, oder hält er mich nun nicht mehr so brutal fest?

Ich glaube, ich verliere einfach den Verstand.

Wir reden nicht ein Wort miteinander. Ich weiß auch nicht, was ich sagen soll. Ich lasse ihn einfach gewähren, eine Chance habe ich sowieso nicht. Ich spüre deutlich, wie seine Kraft und seine Macht meine Fähigkeiten bei weitem übersteigen.

Langsam frage ich mich, ob ich Vittorius oder meine Vampirbrüder je wiedersehen werde. Ob ich jemals in mein neues Zuhause zurückkehren werde?

Mich beschleicht das ungute Gefühl, dass ich nichtmal Lucan sehen werde. Ob es von Anfang an so geplant war? Ob es reine Taktik war? Wieso nur habe ich überhaupt auf die Worte der Schattendämonen vertraut?

Ich fühle mich in diesem Moment so unsagbar dämlich und naiv. Aber hatte ich je eine Wahl?

„Mein König", sagt der Schattendämon plötzlich.

Ich habe den Schattendämon, mit dem ich den Pakt geschlossen habe, gar nicht bemerkt. Als ob er plötzlich einfach da ist. Nun, wenn er schon mit König angesprochen wird, wird er wohl wahnsinnig ausgeprägte Fähigkeiten haben. Und sich so anschleichen wie Vittorius das kann, gehört wohl dazu.

„Ich habe getan, was du befohlen hast", berichtet er.

„Sehr gut, Yael. Lass das Vampirwesen hier, Du kannst nun gehen", sagt der Schattendämon mit dem Pakt. Dann bemerke ich erst, dass er Lucans Körper mit sich trägt und ihn nun zu Boden legt. Allmählich scheint Lucan auch zu sich zu kommen. Er rührt sich bereits leicht. Ich höre ihn schwer ein- und ausatmen. Als wolle er den Nebel, in dem er ruhen musste, aus seinen Lungen ziehen.

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt