• Yara •
Ja, was genau fange ich nun mit meinem neuen Leben an? Die Worte die ich zu mir selbst spreche, hallen in meinem Kopf wieder.
Vampirkönig Vittorius und mein neuer Vampirbruder Isajah unterhalten sich währenddessen aufgeregt über die neue Stadt, die auf der Grenze zwischen Lucans und Vittorius Ländereien errichtet werden soll. Sie sind so in ihr Gespräch vertieft, dass sie mich nicht mehr zu bemerken scheinen. Ich fühle mich fast wie eine zarte Blumenvase am Rand des Tisches.
Wobei, so fest wie Vittorius mich eingehüllt in der Decke an sich drückt, würde er es wahrscheinlich mitbekommen, wenn ich jetzt einfach aufstehen wollen würde.
Zu gerne würde ich in diesem riesigen Schloss auf Erkundungstour gehen. Was sich in den vielen Zimmern so befindet? Mit welchem Jahrhundert lassen sich die Objekte vergleichen? Welcher Wissensstand erwartet mich hier?
Ob ich alleine im Schloss rumgeistern darf?
Wenn ich das Schloss durchsucht habe, muss ich mir unbedingt in Ruhe die Stadt ansehen. Und an dem Strand, den ich hinter der Stadtmauer bemerkt habe, würde ich gerne spazieren gehen. Vielleicht bekomme ich ja die Gelegenheit, die anderen großen Städte in seinem Land auch noch zu besuchen. Ich habe aber so die Befürchtung, dass Tourismus nicht das bekannteste Thema ist. Dabei habe ich es immer sehr geschätzt Städtetrips zu machen und einfach die Umgebung auf mich wirken zu lassen. Musik an, Schritt einlegen und los. Einen besonderen Charme hatte auf mich immer die Altstadt namenhafter großer Städte. Die Geschichte und Kultur dahinter empfand ich immer als sehr faszinierend. Gedankenverloren schlenderte ich vor dem Weltenwechsel schon durch so manche historische Museen und ließ die Eindrücke auf mich wirken.
Nun, jetzt habe ich wohl mehr Geschichte und Kultur aus vergangenen Zeiten als mir vermutlich lieb ist. Ich nehme mir vor eine ‚Vermisse ich Liste' zu schreiben. Smartphone, Fernseher und Federung eines Autos stehen bereits drauf.
„Worüber denkst du nach?", holt mich Vittorius aus meinen Gedanken. Mit fragender Miene starrt er mich an.
„Ach nichts spezielles, meine Gedanken wandern ziellos umher", umschreibe ich meine Gedanken wirklich sehr weit interpretiert. Dass das nicht ganz der Wahrheit entspricht, scheint er zu bemerken, geht aber nicht weiter drauf ein. Anscheinend respektiert er den Abstand, den ich gerade brauche.
Die Sonne hat nun schon längst den Horizont überschritten, durch die Fenster sieht man die ersten Sterne leuchten. So intensiv sind mir die Sterne noch nie aufgefallen. Typisch Stadtkind der Moderne, kommt es mir da in den Sinn.
Als ob es nicht normal ist noch wach zu sein, starrt Isajah mich fasziniert an.
Vittorius bringt das Gespräch mit Isajah an eine Stelle, an der sie später gut weiterreden können und beendet dann das Gespräch zwischen den Beiden. Mit mir in den Armen erhebt sich Vittorius vom Sofa und schenkt Isajah ein Lächeln. Sie verstehen sich offensichtlich auch wortlos. Isajah steht sogleich auf und verbeugt sich leicht.
„Angenehme Nachtruhe ... Mein König ... Yara", sagt er, während er uns abwechselnd in die Augen blickt und räumt dann die benutzen Gläser und den Alkohol beiseite. Wir verabschieden uns von Isajah und ohne ein weiteres Wort verschwinden wir galant in dem Gemach von Vittorius.
Leise schließt er die Tür hinter sich, ohne mich absetzen zu müssen. Wie macht der Mann das nur? Erstaunt blicke ich durch sein Gemach.
Bodentiefe Fenster mit Durchgang nach außen öffnen und erweitern den Schlafbereich. Ich erahne einen Eckbalkon, der sich über die linke Wandseite erstreckt bis hin zur gegenüberliegenden Wand. Auf der linken Seite ist zwischen zwei Fenstern genug Platz für ein Himmelbett welches dem König würdig ist. Schwere dunkle Vorhänge schützen den Raum vor Wind, Wetter und zu viel Licht. Vampire mögen es wohl eher dunkel. Der Raum ist in denselben dunklen Holztönen gehalten wie die Wohnhalle. Auch hier brennt ein kleines Feuer in dem Kamin auf der gegenüberliegenden Wandseite. Auf der rechten Seite stehen massive große Schränke aus dunklem Holz und bilden seine Ankleide. Zwischendrin befindet sich eine Tür.
Vittorius lässt mich runter und befreit mich aus der großen weichen Decke, in die er meinen Körper eingewickelt hat.
„Durch die Tür rechts gelangst du in mein Badebereich. Den darfst du nach Belieben benutzen. Ich benötige keinen Schlaf mehr, also hast du mein Gemach für dich alleine", erzählt Vittorius, während er mich auf das Bad hinzu führt.
Gemeinsam treten wir dann in das große geräumige Bad ein. Der Raum ist größer als mein Wohnzimmer, in dem ich bis vor kurzem meine Abende auf der Couch genoss. Helle Marmorfliesen strahlen eine gemütliche Atmosphäre aus. Eine große freistehende Badewanne mit schwarzgoldenen Ornamenten steht vor einem großen doppeltürigem bodentiefen Fenster. Es liefert eine freie Sicht auf den Sternenhimmel und ich höre die tosenden Wellen. Ein großer Waschtresen mit gigantischem Spiegel befindet sich gegenüber von der Badewanne. Der Raum bietet zudem einige Verstaumöglichkeiten. Mit einer Schamwand abgetrennt gelangt man noch zu einer unbenutzen Toilette und einem Duschbereich. Der Duschbereich besteht allerdings aus einer Sitzmöglichkeit und einem großen edlen Behälter, der mit warmen Wasser gefüllt werden kann.
Der nächste Punkt auf meiner ‚Vermisse Ich Liste': Moderne Sanitäranlagen.
Ich beschließe einfach mich morgen nach dem Aufstehen in Ruhe im Bad fertig zu machen.
Zusammen gehen wir wieder in das große Schlafgemach. Vittorius findet sich auf einem großen prunkvollen Sessel neben dem Kamin ein und deutet mir, zu ihm zu kommen. In seiner Reichweite angekommen, greift er nach meinem Handgelenk und zieht mich leicht wie eine Feder auf seinen Schoß. ‚Der steht da doch drauf', fällt meiner inneren Stimme amüsiert auf.
„Vermutlich soll ich nun Durst verspüren?", frage ich mehr zu mir selbst als zu ihm. Auch ich bilde mir ein, ihn langsam ohne Worte verstehen zu können.
„Tust du?", fragt er und mustert mich dabei.
„Nein", entgegne ich ihm. Es folgt ein leichter Seufzer seinerseits.
Dann beißt er sich kraftvoll in sein Handgelenk, schiebt es unter meine Nase und ich beiße mit scharfen Fangzähnen hinein. Genussvoll fließt sein mächtiges Blut meine Kehle hinunter.
Ehrlich gesagt verstehe ich das Problem nicht. Dann gewöhne ich mir einfach an mich immer zur selben Zeit zu nähren? Hat es nicht eher Vorteile, wenn meine Sinne nicht durch quälenden Hunger getrübt sind? Ihn danach zu fragen traue ich mich aber nicht. Kurze Zeit später bin ich auch schon gesättigt.
Sanft erhebt er sich mit mir in seinem Arm und trägt mich ohne Mühe zum großen Himmelbett. Er verabschiedet sich und wünscht mir eine angenehme Nachtruhe. Leise verlässt er den Raum und schließt ruhig lächelnd die Tür.
Neben dem Bett erblicke ich einen Koffer mit weiblicher Kleidung. Dort liegt ein Zettel mit meinem Namen drauf. Kurzerhand durchsuche ich den Koffer. Ich ziehe mir ein etwas weiter geschnittenes Schlafshirt an und ein frisches Höschen. Dann mache ich es mir im großen Himmelbett bequem. Die Matratze ist trotz ihrer Altertümlichkeit sehr weich, das Laken und das Bettzeug fühlt sich sehr edel an.
Anscheinend verbringt Vittorius wirklich gar keine Zeit in seinem Bett, der Stoff gibt nicht seinen Geruch wieder. Warum auch immer mir genau das auffällt.
Lange grüble ich nicht mehr über den Tag nach, sanft gleite ich nach kurzer Zeit in einen erholsamen tiefen Schlaf.
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Vampirkind Yara
FantasyVon einem abenteuerlichen Leben hat die 29-Jährige Yara schon immer geträumt. Es geht nichts über ein gutes Vampirbuch, etwas Schokolade und ein schönes warmes Getränk dazu. In ihren Büchern kann sie in diese wunderbaren Welten abtauchen und den nah...