Kapitel 143: Vorgeschichten aus alten Welten

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• Vittorius •

Ich stelle erschreckend fest, dass Thorne und Yara sich ziemlich vertraut fühlen und eine wirklich lockere Art der Unterhaltung pflegen.

Die über Zweitausend Jahre Vampirlebzeit machen aus Thorne einen erhabenen, machtvollen und furchteinflößenden Mann. Seine Affinität zur Dunkelmagie geben ihm ein verruchten und düsteren Beigeschmack. Aber so wie die beiden miteinander sprechen, spricht da nicht der Zweitausendjährige Thorne sondern der Zweiunddreißigjährige Thorne.

Vermutlich liegt das an der Herkunft, schließlich stammen beide aus der gleichen Welt. Bestimmt haben sie sich schon fleißig darüber ausgetauscht.

Zunehmend besorgt mich allerdings die neue Rolle der Dunkelmagie in unserem diesweltlichen Gefüge. Wir kommen nicht umhin, darauf reagieren zu müssen. Bisher war die Schattenebene und die Dunkelmagie in weiter Ferne und kaum Thema bei überhaupt irgendwem. Mit Yara ändert sich das nun. Es ist, als ob ihre Anwesenheit das Gefüge gestört hat. Oder vielleicht ist sie ausgerechnet deswegen hier?

Auch wenn ich noch gewisse Bedenken gegenüber Thorne habe, bin ich froh, dass er nun an ihrer Seite ist. Er übernimmt genau diesen einen Teil ihres Schutzes, den ich ihr nicht bieten kann.

„Thorne, was denkst du, wie wir nun weiter verfahren sollen?", frage ich ihn offen heraus. Auch Yara schaut gespannt zu ihm herüber.

„Nun, ich denke wir brauchen einen soliden Plan. In wie weit dieser Aussieht, vermag ich noch nicht zu sagen", antwortet er bedacht. Bewusst lässt er das eine oder andere belastende Detail aus. Yara ist zwar todesmutig, aber auch er will sie sicher nicht überfordern mit allem.

„Du solltest in meiner nächsten großen Versammlung die aktuellen Kenntnisse über die Dunkelmagie, der Schattenebene und Aaru mitteilen. Und welche Rolle Yara dabei spielen wird, oder besser gesagt spielen muss. Wenn alle Einheiten informiert sind, haben wir mehr Ideenquellen", sage ich entschieden und erhebe mich direkt.

Nun wechselt der Zweiunddreißig jährige Thorne schnell zum Zweitausend jährigen Thorne. Wohlwissend sieht er mich an und kann meine Gedankengänge nachempfinden. Lebensjahre machen sich nun einmal bemerkbar.

„Ich trommle alle zusammen und wir treffen uns in zwei Stunden hier wieder. Du bleibst bei Yara, ich muss dir sicher nicht erklären, dass du mit ihr nicht einfach so das Gelände verlassen solltest", verkünde ich mit einem eindringlichen Blick. Thorne nickt zustimmend, wenigstens da sind wir offensichtlich exakt einer Meinung. Natürlich bemerkt Yara das und hebt eine Augenbraue, äußerst sich aber nicht weiter dazu.

Wenig später schnelle ich über die Dächer meiner Stadt und suche mein Gefolge zusammen.

• Yara •

Einen Moment lang schauen Thorne und ich dem König nach. Dann gehen wir gemeinsam in die große Wohnhalle.

„Warst du schonmal in meinem Gemach?", frage ich Thorne. Er schüttelt den Kopf.

„Oh das gibt bestimmt Flashbacks, komm mit!", sage ich belustigt. Ich ergreife seine Hand und ziehe ihn hinter mir her. Amüsiert lässt er sich darauf ein.

Dann treten wir auch schon in mein Schlafgemach ein, es fühlt sich nach wie vor so an, als würde man durch ein Portal in eine andere Epoche reisen.

Mit offener Kinnlade bleibt er im Türrahmen stehen und lässt seinen Blick erstaunt über mein Mobiliar schweifen.

Grinsend beobachte ich ihn dabei.

„Ich habe über all die Jahrhunderte vieles aus meinem alten Leben nicht mehr gesehen, das hier ist aber wahrlich wie eine Zeitreise in die Vergangenheit", haucht er zutiefst berührt. Langsam tritt er in mein Zimmer ein und berührt die Oberflächen des Holzes in Gedanken versunken.

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt