• Yara •
Gezielt führt Vittorius uns zu dem gemütlichen Sessel und nimmt Platz. Sanft möchte er mich zu sich auf den Schoß ziehen, stößt aber auf Widerstand meinerseits. Mit hochgezogener Augenbraue sieht er mich an.
„Was ist?", möchte er umgehend wissen. Dieser Mann ist echt scharfsinnig.
„Ich möchte Lucan nochmal aufsuchen", komme ich direkt zur Sache.
„Und wenn ich dir das nicht gestatte?", fragt er nun amüsiert.
„Nun, ich glaube nicht dass Ihr mich aufhalten könnt. Meinen Geist könnt Ihr ja schlecht festhalten", entgegne ich mit frechem Grinsen.
„Immerhin hast du mich vorgewarnt", sagt Vittorius und ignoriert meine Stichelei. Sichtlich begeistert ist er nicht, aber das ist mir egal. Ich leiste jetzt meinen Beitrag zur Rettung!
„Lass mich dich vorher nähren und dann erteile ich dir die Erlaubnis, es zu versuchen", fordert der König.
Eine kleine Weile später befinde ich mich gesättigt in Vittorius' schützender Umarmung und schließe die Augen.
„Sei bitte vorsichtig", vernehme ich seine Stimme und spüre seine Anwesenheit im Rücken.
Der gewohnte Schmerz durchdringt direkt meine Schläfen. Ironischerweise denke ich allmählich, dass ich mich irgendwann daran gewöhnen werde. Wie in weiter Ferne bemerke ich Vittorius Hände die sanft meine Schläfen massieren. Und dann ist alles schwarz.
Das vertraute Gefühl der Finsternis umfängt mich. Praktisch gesehen befinde ich mich nun zum dritten Mal im Schattenreich. Meine Gedanken haben sich von „nie im Leben will ich hier leben" zu „ist eigentlich ganz nett hier" entwickelt. Was mich äußerst beunruhigt, wenn ich näher über meine Erkenntnis nachdenke.
„Lucan?", rufe ich in die kühle dunkle Stille.
Nichts. Nichtmal meine Worte hallen hier wieder. Dank der Erdmagie nehme ich meine nahe Umgebung wahr: Leblose Erde und abgestorbene Bäume. Zumindest dieselbe Einöde, die ich beim letzten Treffen mit Lucan wahrgenommen habe.
„Lucan?", rufe ich erneut.
Wieder nichts.
Mutig gehe ich los in eine Richtung, in die es mich intuitiv zieht. Die Einöde bleibt gleich.
„Lucan!", rufe ich diesmal etwas lauter.
„Yara?", höre ich seine leise Stimme. Er muss noch ziemlich weit entfernt sein. Direkt eile ich los in die Richtung aus der ich seine Stimme vernommen habe.
„Lucan, rede weiter, ich komme zu dir", rufe ich laut durch den gruseligen Totenwald.
Nach einigen Kommunikationsversuchen erreiche ich ihn endlich.
„Yara hilf mir, ich kann mich nicht selbst befreien", bringt er mit schwacher Stimme hervor als ich bei ihm ankomme.
Mein Vampirbruder ist mit merkwürdigen Ranken an einen großen Felsen festgebunden. Seine Arme stehen rechts und links weit ab und sein Körper hängt vollständig in den Ranken. Seine Füße hängen ein paar Zentimeter über den Boden. Mühsam taste ich das Geflecht nach Schwachstellen ab. Da ich nichts sehen kann, macht es das ganze Unterfangen nicht gerade leichter.
„Was zur Hölle ist passiert?", frage ich entsetzt und zerre erfolglos an den Ranken. „Ich kriege die Ranken nicht gelöst. Lucan was soll ich tun?", frage ich nervös.
„Dann sind sie wohl zu fest", stellt er träge fest. Ach, was er nicht sagt. Er wirkt leicht benommen.
„Lucan, was ist mit dir?", frage ich mit Nachdruck.
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Vampirkind Yara
FantasyVon einem abenteuerlichen Leben hat die 29-Jährige Yara schon immer geträumt. Es geht nichts über ein gutes Vampirbuch, etwas Schokolade und ein schönes warmes Getränk dazu. In ihren Büchern kann sie in diese wunderbaren Welten abtauchen und den nah...