• Yara •
Die grauenvolle Szene von gerade steckt mir noch tief in den Knochen. Aarus Gesicht befindet sich noch bildlich vor meinem inneren Auge.
Trotzdem löse ich mich aus meiner Schockstarre und erhebe mich. Auf wackeligen Beinen gehe ich zurück zur Treppe, die mich zurück zum Schloss bringen wird. An der Treppe angekommen habe ich mich bereits ein wenig gefangen. Langsam streiche ich den Sand von meinen Füßen und achte penibel darauf, kein Sandkorn zu vergessen. Sonst darf ich gleich Rede und Antwort stehen, warum an meinen Füßen Sand ist. Anschließend ziehe ich mir die Schuhe an und gehe die Treppe hoch. Meine Knie fühlen sich wieder ziemlich fest und nicht mehr so weich an.
Meine Panik hat sich nun in grenzenlose Wut verwandelt.
Wie kann er es wagen mich einfach so in seine Vision zu ziehen! Allgemein wie dieser arrogante Waschlappen mit mir umgeht! Der kann was erleben, sollte er mich jemals wirklich entführen!
Bevor aber jemand meinen Strandausflug bemerkt, eile ich schnell in das Schloss zurück. Der Innenhof ist genau so leer wie die Eingangshalle. Beinahe hätte ich die Eingangstür nicht wieder aufbekommen, das wäre unangenehm geworden. Mit voller Anstrengung habe ich es dann doch geschafft.
Leise schleiche ich mich in die große Wohnhalle. Keiner da.
Ja man! Mein erster erfolgreicher heimlicher Ausbruchsversuch!
Zufrieden stehe ich im Wohnzimmer und sogleich schwingt die große Flügeltür vom Eingang auf.
„Ach du bist schon wach", stellt Vittorius fälschlicherweise fest und sieht mich an.
Er bemerkt doch etwa nicht dass ich nicht hier war?
„Was gibt es denn da zu grinsen?", fragt der König mit angezogener Augenbraue.
„Na jetzt kann ich doch endlich diese Luftsache lernen oder?", lenke ich das Thema geschickt um. Ich klopfe mir innerlich auf die Schulter.
„Wie fühlst du dich denn?", erkundigt er sich nach meinem Wohlbefinden.
„Beschissen", antwortet meine innere Stimme.
„Soweit gut", übertöne ich meine innere Stimme.
Meine Vorfreude kann ich zumindest authentisch zum Ausdruck bringen, immerhin empfinde ich gerade wirklich so.
Von hinten umfangen mich plötzlich zwei starke Arme. Selbstzufrieden sieht Lucan seitlich von oben auf mich herab. Mein großer Vampirbruder freut sich mehr als ich selbst, ich fasse es nicht.
„Na dann hoffe ich, dass du bereit bist", sagt Lucan mit freudigem Gesichtsausdruck.
„Lucan ist derjenige in der Familie der die Luftmagie am besten beherrscht. Nach mir natürlich. Bei ihm bist du in guten Händen. Aber ich warne dich, sein Training endet erst wenn du erreicht hast, was er sich für die Einheit vorgenommen hat", klärt Vittorius mich amüsiert auf. Meinem Vampirbruder wirft er einen letzten wohlwissenden Blick zu, dann verschwindet er auch sogleich im Regierungszimmer.
„Letzte Chance nein zu sagen", spöttet Lucan.
„Als ob ich mir das entgehen lasse", entgegne ich und winde mich in seiner festen Umklammerung.
Meine Sorgen von gerade sind wie weggepustet. Zu aufgeregt bin ich und zu groß ist meine Freude.
Von der Vision kann ich später noch Bericht erstatten.
• Lucan •
Ich genieße die Wehrlosigkeit meiner kleinen Vampirschwester, die angestrengt versucht sich aus meinem Griff zu befreien.
„Ich bringe uns jetzt zum Trainingsgelände", künde ich ihr an. Ein Lächeln umspielt ihre Lippen. Sie ist einfach atemberaubend.
Über den Regierungszimmer Balkon springe ich mit Yara entlang der Schlossmauern hinab und lande elegant im Luft Bereich des Geländes. Sorgsam lasse ich sie zurück auf den Boden. Vor uns erstreckt sich ein großes komplett ebenerdiges Feld. Interessiert schaut sie mich an.
Mit einer flüssigen Handbewegung erhebe ich einige Steinvorsprünge, sodass sich eine kleine Felsenlandschaft bildet. Mit großen Augen sieht sie mir dabei zu.
„Das musst du mir dann danach beibringen", sagt sie vollends begeistert.
„Eile mit Weile", sage ich und muss lachen.
„Heute wirst du erst einmal mit der Luft genug zu Tun haben. Das was du meistern möchtest wird einiges an Training und Zeit in Anspruch nehmen", belehre ich sie.
„Bereit für die Grundlagen?", frage ich obligatorisch.
Sie nickt. Mit leuchtenden Augen sieht sie mich an.
• Yara •
Da hat er einfach ohne Anstrengung das komplette Terrain verändert, ich glaub's nicht!Wie cool ist dass denn bitte?
„Ja", bestätige ich. Ich bin sowas von bereit.
„Luft kann ein sehr ruhiges und gemütliches Element sein, aber auch ein sehr aufbrausendes und zerstörerisches Element. Keins der Elemente ist also so facettenreich wie die Luft", beginnt Lucan seine Unterrichtseinheit und hält kurz inne.
„Hast du schonmal Luftmagie benutzt?", fragt er mich schließlich.
„Äh ja", antworte ich.
„Zeig mir was du bisher gemacht hast", ordnet er an.
Mit Leichtigkeit spüre ich sofort die Luft um mich herum, hebe eine Hand und bilde einen kleinen Wirbel, der sich anschließend wieder auflöst.
„Zu mehr bin ich leider noch nicht gekommen", sage ich schlicht.
Dann blicke ich von meiner Hand in Lucans fassungslosen Gesichtsausdruck.
„Was ist denn?", frage ich irritiert.
„Vittorius hatte mir davon erzählt, aber was ich sehe übersteigt seinen Bericht bei weitem", sagt er deutlich überrascht. „Und deine Element Affinität liegt eindeutig beim Luftelement", stellt er nun äußerst zufrieden fest. „Bei unseren Brüdern sind andere Elemente vorherrschend, endlich habe ich mal ein Geschwisterchen mit meiner Elementaffinität", klärt er mich sichtlich zufrieden auf.
„Was bedeutet Affinität in dem Zusammenhang?", möchte ich wissen.
„Jeder hat ein Element welches ihm praktisch in die Wiege gelegt ist, das fällt dir instinktiv am leichtesten und die Lernziele inklusive Lernfortschritt zielen dann darauf ab", entgegnet er.
„Ich würde gerne etwas testen", sagt er während er zum Felsenfeld tritt und deutet mir, neben ihn zu kommen. Das tue ich sogleich.
„Simpel gesagt musst du dir vorstellen, wie du wie ein Blatt im Wind von der Luft getragen und transportiert wirst. Eigentlich übt man das auch erst mit Gegenständen, bevor man es an sich selbst ausprobiert", beginnt er. Ah ich weiß bereits worauf er hinaus will.
„Ich bin da wenn etwas ist, ich möchte dass du es direkt an dir versuchst, spring dazu zwischen den Felsvorssprüngen hin und her, traust du dir das zu?", fragt er und sieht mir dabei eindringlich in die Augen.
„Ja", entgegne ich. Ob ich mir das wirklich zutraue, weiß ich eigentlich gar nicht, aber Lucan ist so enthusiastisch dabei, da probiere ich es halt. Zur Not fängt er mich sicher auf.
„Dann fang an und lass dir ruhig die Zeit die du dafür brauchst", sagt Lucan.
Mit verschränkten Armen steht er neben mir und starrt mich an.
Wieder nehme ich um mich herum sofort die Luft wahr als wäre sie ein Teil von mir. Instinktiv weiß ich, wie ich die Luft lenken muss, damit sie mein Körpergewicht anhebt.
Ein bisschen nervös bin ich schon, dann beginne ich und lenke die Luft in erschreckender Geschwindigkeit unter meinen Körper.
Im nächsten Moment schnelle ich empor.
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Vampirkind Yara
FantasyVon einem abenteuerlichen Leben hat die 29-Jährige Yara schon immer geträumt. Es geht nichts über ein gutes Vampirbuch, etwas Schokolade und ein schönes warmes Getränk dazu. In ihren Büchern kann sie in diese wunderbaren Welten abtauchen und den nah...