Kapitel 100: Die Bedrohung

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• Vittorius •

Seit fünf Minuten lehne ich an einem Wandabschnitt in Yaras Schlafgemach. Natürlich ist mir die trostspendende Umarmung zwischen Sorin und Yara nicht entgangen. Allerdings war ich eben so in Gedanken versunken, dass ich beinahe dort reingeplatzt wäre.

Ich bringe später in Erfahrung, was sie bedrückt. Und wenn Yara mir keinen reinen Wein einschenkt, drohe ich ihr damit Sorin foltern zu müssen, bis er mit mir über ihr Problem spricht. Ich bin mir sicher, sie hat es ihm gesagt.

Sorin ist schon immer zurückhaltend gewesen und war für alle ein Buch mit sieben Siegeln. Zuletzt als Isajah vor 998 Jahren in unsere Vampirfamilie stieß, taute Sorin ein wenig auf.

Ihn aber so fürsorglich zu erleben, da hätte ich zu meinen Lebzeiten ehrlich gesagt nicht mehr mit gerechnet. Vermutlich spricht ihn diese leichte harte Schale von Yara an. In dieser Hinsicht passen sie gut zusammen.

Allmählich lösen sich die Zwei und ich verlasse das Schlafgemach. Geduldig warte ich in der Wohnhalle. In weiser Voraussicht hat Sorin bereits alles vorbereitet.

Als die beiden aus dem Schlafgemach hervortreten, werfe ich Sorin einen kurzen dankenden Blick zu. Er nickt nur sachlich zurück.

Im nächsten Augenblick hat Sorin das leichte Gepäck geschultert. Ohne Vorwarnung ergreife ich Yara und drücke sie grinsend an mich. Mittlerweile hat auch sie aufgegeben, etwas dagegen zu sagen. So langsam kommen die Machtverhältnisse auch bei ihr an. Sehr gut.

Am Stadtausgang wartet bereits die gesamte Reisetruppe. Mikul hat ein paar zusätzliche Leibwächter für Valerie und Derya abgestellt, die gewissenhaft hier bleiben. Mattheo hat er ebenfalls einen Personenschutz zugeordnet. Über das Kontaktverbot mit den zwei Damen allein zu sein wird Mattheo sich allerdings nicht freuen, zu gerne hätte ich die Diskussion miterlebt.

Und schon geht es los.

• Yara •

Wieder startet ein neues Abenteuer. Für meinen Geschmack kann es eigentlich nicht genug Abenteuer geben, aber wirklich ein bisschen entspannter hätte mein neues Leben schon sein dürfen. Zumindest eine kleine Pause zwischen den Abenteuern!

„Was bedrückt dich?", fragt der König nach einer Weile.

Mist, er hat es also doch bemerkt.

„Natürlich bemerke ich das", kommentiert Vittorius meine Gedanken, als könne er Hellsehen. Ein leichtes Schmunzeln umspielt seine Lippen.

„Nicht so wichtig", versuche ich das Gespräch abzuwimmeln. Ich will dem König auch keine unnötigen Sorgen bereiten.

„Es ist wichtig", betont Vittorius ruhig.

„Und das kann nicht warten?", frage ich seufzend.

„Nein", entgegnet er freundlich aber auch bestimmt.

„Ich ... bin mir nicht sicher, ob ich den Rückfluss gut genug beherrsche", sage ich schließlich.

Mein Selbstvertrauen, was Sorin mir mit seiner Umarmung aufgebaut hat, fängt langsam wieder an zu schwinden. Vorallem je mehr ich darüber nachdenke und je öfter ich davon spreche.

Fest drückt Vittorius seine Arme um meinen Körper. Behutsam schiebt er seinen Kopf neben mein Ohr.

„Es ist das erste Mal, dass du dir bei einer Fähigkeit unsicher bist", stellt er fest.

Tatsächlich bin ich ein wenig irritiert darüber, dass er mir meine Unsicherheit nicht sofort ausreden will. Offensichtlich weiß er direkt, dass das wohl nicht die beste Taktik wäre.

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt