Vampirkind Yara

Kapitel 115: Warum meine Erdmagie nicht geht?

• Jaron •

Schützend umfange ich Yaras Körper und ermögliche ihr, einen großen Teil meiner Erdmagie mit wahrnehmen zu können.

Mich mit jemanden so verbinden zu können, ist sehr selten. Tatsächlich bin ich auch der einzige Vampir des Könighauses mit einer Erdmagie Affinität. Bisher konnte ich ausschließlich mit Mikul und dem König selbst meine Fähigkeiten synchronisieren.

Dass das mit Yara offensichtlich so gut funktioniert, habe ich vor Wochen schon am Berg mit der Geheimkammer bemerkt. Dort fand ich schon erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit sie meine Erdmagieströme wahrnehmen konnte. Und dabei ist das genau ihr schwächstes Element.

Yara entdeckt gerade eine neue Ebene der Erdmagie. Ich spüre wie sie sich innerlich entspannt und zur Ruhe kommt. So geerdet zu sein, ist Teil der erweiterten Erdmagie. Nicht jeder kann die Ruhe und die Kraft der Erde in sich aufnehmen und davon profitieren.

Den größten Teil übernehme ich davon, aber wenn sie ordentlich trainiert, wird sie dies eines Tages auch völlig selbstständig hinbekommen.

Sanft halte ich ihre Hände fest und stütze ihren Körper mit meinem Körper.

Ich kann deutlich spüren, wie ihr etwas entscheidendes fehlt, um den Stein anzuheben. Wenn ich ihre Konzentration genau darauf lenken kann, wird sie einen großen Sprung in Sachen Erdmagie machen können.

Zu ihrem Glück habe ich die nötige Zeit und die nötige Ruhe, um mit ihr auf die Suche zu gehen.

• Yara •

Willkürlich muss ich an ein Video denken, in dem weit ins Universum gezoomt wird. Es startet bei der Erde und geht keine Ahnung wie viele Abermilliarden Kilometer bis weit hinaus über die Milchstraße.

So fühle ich mich gerade bei der Suche nach dem entscheidenden bisschen Erkenntnis, was mir fehlt, um diesen Stein endlich schweben lassen zu können. Zum Glück ist das Universum ja nicht groß ...

Seelenruhig durchkämmt Jaron mit mir die Tiefen der Wahrnehmung. Ich fühle mich dermaßen entspannt und gelassen, dass mich die Tatsache des großen Rückstandes nicht mehr im entferntesten juckt.

Ehrlich gesagt könnte ich noch die ganze Nacht so tiefenentspannt wie jetzt hier verbringen.

Sofort wandert meine Konzentration wieder auf die Wahrnehmung zurück.

„Yara! Ich weiß was das Problem ist!", ruft Jaron plötzlich völlig begeistert. Kurz verjage ich mich total. Stirnrunzelnd sehe ich ihn an. Vittorius scheint jetzt noch gespannter auf die Erklärung zu sein als ich.

„Ich höre?", sage ich perplex.

Langsam löst sich Jaron von mir und stellt sich neben mich. Ich nehme meine Hände runter und sehe Jaron fragend an.

Was kommt jetzt?

„Ich spüre deine Erdmagie klar und deutlich. Aber du nicht", betont Jaron freudestrahlend. Auch bei Vittorius ist ein Licht aufgegangen, seinem Blick nach zu urteilen.

„Das ist mir jetzt nicht so neu", erkläre ich allmählich verärgert.

Jaron ergreift meine Hand und hält sie hoch. Seine Erdmagie umkreist etwas in meiner Erdmagie, aber es fühlt sich nach ... nichts ... an. Ich nehme es auch nur wahr, weil meine Erdmagie drum herum alles wahrnimmt. Würde er nur dieses „Nichts" anvisieren, würde ich wie schon gesagt nichts spüren.

„Da", sagt Jaron zufrieden.

„Wo?", frage ich und versuche fieberhaft zu erahnen was er meint.

„Du spürst es echt nicht?", entgegnet er nun fast triumphierend.

„Das sage ich doch die ganze Zeit?", bestätige ich zum gefühlten tausendsten Mal mein Problem.

Plötzlich spüre ich Vittorius Hände, langsam fährt er meinen Arm entlang. Er verfolgt meinen „da ist nichts" Erdmagie Strom über meinen Hals bis zu meinem Kopf, sogar bis zu meinem Gehirn! Das fühlt sich äußerst skurril an! Ich spüre nun auch deutlich seine Erdmagie. Wieder umfängt die Magie etwas in meiner Erdmagie, das für mich praktisch unsichtbar ist.

„Kein Wunder, dass das bei dir nicht funktioniert", sagt der König mit großen Augen. Jaron weiß anscheinend genau was Vittorius meint. Ein bisschen fühle ich mich wie ein Kind im Raum, über das man redet und vergisst, dass es da ist.

„Würdet ihr mich aufklären?", frage ich stirnrunzelnd.

„Das ist der Strang der Erdmagie, der für die Bewegung zuständig ist, ganz grob betrachtet. Dein Erdelement hat höchstwahrscheinlich keine Verbindung dazu, warum auch immer. Das fällt so erst einmal nicht weiter auf, ich kam darauf als du sagtest, du spürst es nicht", erläutert Vittorius.

„Also ist meine Erdmagie praktisch unvollständig?", schlussfolgere ich nachdenklich.

„Ja und nein", setzt Jaron nun an.

„Deine Erdmagie muss manuell damit verknüpft werden und dann musst du lernen, deinen neu verbundenen Teil der Erdmagie wahrzunehmen und benutzen zu können. Ich denke mit dem zweiten Teil solltest du keine Probleme haben, lernen wirst du das sicher schnell wenn der Defekt behoben ist", erklärt Jaron weiter.

Der Defekt. Klingt ja wahnsinnig beruhigend, wenn ihr mich fragt ... Aber es wäre ja auch zu schön, wenn alles Friede Freude Eierkuchen wäre.

„Und der erste Teil? Mit dem manuell verknüpfen?", frage ich gedehnt.

„Das wird sich leider schwer gestalten. Es ist praktisch wie eine Operation an einem Organ, nur auf magischer Ebene. Das Verknüpfen kann schnell gehen, aber auch länger dauern. Dafür müssen affine Erdmagier an deine Erdmagieströme im Gehirn ran", sagt er schließlich.

Eine Operation an meinem Gehirn also. Wäre ich nicht durch Jarons Erdmagie noch wahnsinnig gelassen, würde ich jetzt bestimmt durchdrehen.

„Und das kann man nicht einfach so lassen und dann bewege ich eben keine Steine?", frage ich rein aus Interesse. Vittorius sieht mich eindringlich an.

„Ich werde das sicher nicht unbehandelt lassen!", bringt er sofort zum Ausdruck.

„Den Eingriff wirst du sicher problemlos überstehen. Zufällig hast du die talentiertesten Erdmagier an deiner Seite", lobt Jaron sich grinsend in den Himmel.

„Und wann geht's los?", frage ich.

„Danach wirst du dich wohl länger ausruhen müssen. Wir sollten das jetzt direkt vor deiner Nachtruhe angehen. Und wenn du magst fangen wir sofort an, ich hole Mikul und dann kann es losgehen", entgegnet Jaron mit einem Lächeln.

Je eher desto besser oder? Ich nicke. Und schon ist Jaron in den Schatten der Nacht verschwunden.

„Ich bin heilfroh das Problem endlich gefunden zu haben. An eine unverbundene Erdmagiebahn habe ich nicht gedacht, so gut wie alles andere bei dir funktioniert hat, zumal die fehlende Verknüpfung direkt am Gehirn ist", sagt Vittorius.

Währenddessen zieht er mich in seine Arme und bringt mich ohne Umwege direkt in mein Schlafgemach. Ohne große Absprache nährt er mich noch schnell, bevor mein Vampirbruder wieder kommt.

Lange warten müssen wir nicht. Wenig später liege ich auf dem Bett und Vittorius sitzt nun zu meinen Füßen.

Mikul und Jaron positionieren sich links und rechts neben mir.

„Bereit?", fragt Jaron. Ich nickte.

Beruhigend wirft der König mir ein paar Blicke zu. Sanft legen Mikul und Jaron ihre Hände auf meine Schläfen. Hoffentlich wird das nicht wehtun!

„Schließ ruhig deine Augen. Das wird ein Weilchen dauern", meint Jaron fürsorglich.

Dann spüre ich, wie sie meine Erdmagie umfangen. Und auch den Teil, der mir äußerst taub vorkommt. Nach einer ganzen Weile dämmere ich allmählich weg. Es tut nicht weh, aber das Aushalten ist ziemlich anstrengend.

Den Rest der Prozedur verschlafe ich offensichtlich.