Sichtbare Emotionen

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Jisungs Pov:

Mit einem empörten Schnaufen wollte ich den Prinzen schon in die Seite knuffen, überlegte es mir dann aber rasch anders und schritt stattdessen würdevoll in Richtung des Wassers und des nahen Anlegeplatzes der königlichen Barke.

Dort angekommen trafen wir auf General Bang Chan, der sich angeregt mit einem der Männer unterhielt, die uns sicher über den Nil schiffen sollten.

Während ich gemessenen Schrittes auf den breitschultrigen Mann mit dem dunklen, krausen Haar zutrat, beschleunigte Jeongin seinen Gang und zu meiner Überraschung bildete sich ein sanfter Rotschimmer auf seinen Wangen, als er Bang Chan übermäßig höflich und förmlich begrüßte, so als wolle er ja keinen Verdacht wecken. Für einen Moment beobachtete ich die beiden Männer interessiert und mit jeder verstreichenden Sekunde erhärtete sich mein Verdacht.

Kann es sein, dass Jeongin vorhin bei dem Verliebtsein nicht nur von Minho gesprochen hat, sondern auch von sich selbst? Von seiner eigenen Liebe zu Chan? Jedenfalls scheint sich da etwas anzubahnen.

Dieses Etwas bedurfte natürlich einer genaueren Überprüfung, aber ich war mehr als bereit, die Fährte aufzunehmen.

Sie würden tatsächlich ein hübsches Paar abgeben. Außerdem kennen sie sich schon länger und haben sicher einige schwere Zeiten zusammen durchlebt, wenn sie in einem Kriegslager gemeinsam Strategien geplant haben.

Verstohlen beobachtete ich weiterhin die Interaktion der beiden und kam nun selbst nahe genug, um mich vor dem General zu verneigen und ihn freundlich zu grüßen.

„Es ist eine Freude, euch wiederzusehen, General Bang."

Der muskulöse Krieger verneigte sich würdevoll vor mir und schien etwas überrascht, dass ich ihm so zuvorkommend begegnete und ihn zuerst begrüßte. Manchmal vergaß ich einfach meine Stellung in Minhos Palast und die damit verbundenen Privilegien. Ich war nicht einmal dazu verpflichtet, Chan zuerst oder überhaupt zu grüßen, aber meine gute Erziehung gebot es mir. Außerdem fand ich den Mann sympathisch. Und wenn Jeongin tatsächlich ernsthaftes Interesse an ihm haben sollte, stieg er in meiner Achtung nur umso mehr.

In den nächsten Minuten bemühte ich mich daher, unauffällige Blicke in Richtung der beiden zu werfen, um mögliche Indizien für eine engere Beziehung zu sammeln. Dabei tat ich natürlich so, als würde es mich vielmehr interessieren, wie Bediensteten die königliche Barke vorbereiteten, indem sie die Ruderstangen in die vorgesehenen Halterungen schoben und den kleinen Anker, der aus einem Stein in einem festen Netz bestand, lichteten. Auch das Sonnensegel, unter dem wir später zu viert Platz finden sollten, wurde straff gespannt und so ausgerichtet, dass es uns bestmöglich vor der strahlenden Nachmittagssonne schützen würde.

Und dann endlich erhaschte ich einen Augenblick, der mich kurz schmunzeln ließ: Jeongin hatte sich zuvor genau umgesehen, um sich davon zu überzeugen, dass alle beschäftigt waren und nicht hinsahen, bevor er beherzt nach der Hand des Generals fasste und dessen Finger sanft drückte. Gleich darauf hatte er sich auch schon wieder von ihm entfernt und ließ die zuvor entstandene Nähe ganz zufällig aussehen.

Mit einem verschmitzten Grinsen wandte ich mich erneut dem Boot zu, um ja nicht zu zeigen, dass ich diesen intimen Moment ebenfalls gesehen hatte. Aber allzu große Ablenkung war gar nicht nötig.

„Seht, da kommt seine Majestät."

Einer der Schiffer hatte sich Richtung Palast gewandt, und sobald diese Worte gesprochen waren, ließen alle ihre Arbeit liegen und sanken ehrfürchtig auf den Boden, um ihrem hohen Herrscher den verdienten Respekt zu bekunden. Auch ich verbeugte mich und hielt den Blick zunächst gesenkt. Ich hörte zuerst die vielen stampfenden Schritte der Leibgarde und irgendwo auch das Geraschel von Stoff und schließlich das Aufeinandertreffen von Metall.

God-king of Egypt | MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt