Jisungs Pov:
Heute war ein recht milder Tag, offenbar genau richtig, um einen weiteren Tempelbesuch hinter mich zu bringen. Mir grauste es bereits vor den alles verzehrenden, schweren Düften der verbrannten Kräuter- und Harzmischungen, die angeblich die Luft des Tempels reinigen sollten.
Missmutig spähte ich durch die Lücke zwischen den zwei dünnen Stoffbahnen, um einen Blick auf die schaukelnde Sänfte vor Seungmins und meiner zu erhaschen. Diese war natürlich besonders prachtvoll und von mehr Wachen umgeben als üblich.
Minho war seit der ernsten Unterhaltung mit Yeji und mir vor zwei Tagen definitiv mehr auf sein öffentliches Auftreten bedacht, auch wenn er nie offen zeigte, dass er sich Sorgen machte oder gar Angst hatte. Und wenn man bedachte, dass er gleich einen düsteren Tempel betreten würde, der einem die Luft zum Atmen rauben wollte, konnten einem angedrohte Attentäter schon fast wie ein Segen vorkommen. Zumindest hätte ich mich eher auf einen Gegner aus Fleisch und Blut eingelassen als auf Rauschschwanden, die einem die Alveolen der Lunge wegfraßen, wie Pacman die kleinen, gelben Punkte.
Aber statt irgendeine böse Überraschung zu erleben, erreichten wir den Tempel des Amun nach nur weiteren zehn Minuten in der gemütlichen Sänfte unbehelligt. Als ich mich möglichst elegant durch die schmale Tür gewunden hatte und auf dem imposanten Vorplatz des Tempels mit seinen behauenen Obelisken und hoch aufragenden Statuen zum Stehen kam, stieg in mir unweigerlich ein wärmendes Gefühl auf, als ich Minho betrachtete, der nur wenige Meter von mir entfernt mit Felix sprach. Im Licht der Sonne glänzte sein schwerer Goldschmuck und bei jeder Bewegung funkelten die unbezahlbaren Edelsteine, die er trug. Es war herrlich, ihn nur zu betrachten, und ich versuchte, so gut es ging, diesen Anblick in mir abzuspeichern.
Ich wollte ab heute immer, wenn ich die Augen schloss, die sonnengebräunte Haut, den funkelnden Schmuck und die dunklen Augen sehen, die jede Sorge in mir verschwinden ließen.
Wie ferngesteuert lief ich die wenigen Schritte in Minhos Richtung und bemerkte jetzt erst, dass auch vom Tempel her eine Delegation aus gut gekleideten Priestern auf Minho zusteuerte. An der Spitze der kleinen Prozession ging ein kahlköpfiger Mann, der deutlich eleganter und prunkvoller gekleidet war als die meisten Priester, denen ich bisher hier begegnet war. Neugierig beobachtete ich deshalb die Männer und spürte gleichzeitig, wie sich eine Hand vertraut um meine schloss.
„Komm, Jisung. Lass uns den Hohepriester des Karnaktempels begrüßen", sagte Minho mit fester Stimme und schritt unerschrocken voran. Eifrig folgte ich ihm und konnte nicht ganz verhindern, dass meine Gedanken sich um seine Worte drehten.
Der Hohepriester eines anderen Tempels? Was er wohl hier macht? Und wieso kommt mir dieser Titel so seltsam vertraut vor?
Meine Überlegungen wurden jedoch unterbrochen, als sich die Priester uns nun so weit genähert hatten, dass es für sie unschicklich gewesen wäre, Minho nicht gebührend zu begrüßen. Also beobachtete ich einmal mehr, wie die Männer ehrfürchtig vor ihrem Pharao auf den Boden sanken und die Stirn auf den sicherlich heißen Stein drückten. Der Hohepriester an der Spitze war dabei etwas verhaltener in seinen Bewegungen und Demutsbekundungen, und ich fragte mich bereits, ob er Gelenkschmerzen hatte, aber etwas an der Art, wie er sich bewegte, ließ mich daran zweifeln.
„Ihr dürft euch erheben", erlaubte Minho, sobald der Höflichkeit Genüge getan war, und die Männer rappelten sich auf. Keiner sah den Pharao an – so wie es Vorschrift war. Erst als Minho näher zu dem Hohepriester trat und diesen seinerseits begrüßte, hob der Mann den Blick.
„Es ist lange her, seit ich euch hier in Theben gesehen habe, Senmut. Führen euch die Götter nun zurück in die Heimat?"
Der kahlrassierte Mann mit den schlitzförmigen Augen lächelte kühl und antwortete dann mit beinahe herablassender Stimme: „Es sind acht Jahre vergangen, seit unserer letzten Begegnung, Majestät. Und nein, die Götter haben mir nur einen kurzen Besuch in Waset angeordnet, bevor ich mich wichtigeren Dingen zuwende." Seine Augen lagen ruhig auf Minho und es machte mir beinahe Angst, wie unangenehm stechend sie waren. Im Gegensatz zu mir ließ sich Minho jedoch nicht so leicht aus der Ruhe bringen, denn er neigte verstehend den Kopf, bevor er wieder zum Sprechen ansetzte.
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God-king of Egypt | Minsung
FanfictionWenn Jisung in seinem Leben eines gelernt hat, dann dass Aufgeben nie eine Option ist. Doch was passiert, wenn er in eine Welt gestoßen wird, die seine Prinzipien und Werte nicht anerkennt? Wenn sie diese mit ihren eigenen Gesetzen und Regeln übersc...