„Das ist ungerecht. Wieso kann Jisung das so gut, obwohl er es nach eigenen Worten noch nie gemacht hat?"
Das war durchaus eine berechtigte Frage und ich konnte sie selbst nur mit Anfängerglück oder Talent erklären, was möglicherweise dadurch kam, dass ich wusste, wie man andere Fahrzeuge steuerte. Allerdings konnte ich Jeongin nicht beichten, dass sich das Wagenlenken in etwa so anfühlte, als würde man zum ersten Mal Auto fahren und lernen, wie man mit einer Gangschaltung und dem Lenkrad umging.
Außerdem schien der Prinz die Worte mehr aus Spaß gesagt zu haben, denn seine Mundwinkel hoben sich bereits zu einem Lächeln und er stupste mir freundschaftlich gegen die Brust. „Du musst mir dein Geheimnis verraten", trug er mir auf und ich kicherte leise, nur um dann aufzusehen und Minhos Blick zu begegnen, der schlagartig wesentlich berechnender und kühler wirkte. Er schien tatsächlich zu überlegen, wie es wohl kam, dass ich seinen Anweisungen so hervorragend hatte folgen können, ungeachtet des Jagderfolgs, den es ihm eingebracht hatte.
Etwas unwohl trat ich von einem Bein auf das andere und versuchte mich dann an einem zaghaften Lächeln in seine Richtung. Dies brachte ihn zum Blinzeln. Dann wandte er sich auf dem Absatz um und lief hinüber zu den Jagdhelfern, die die bereits erlegten Tiere begutachteten und auf einen Wagen luden.
Ob er jetzt sauer auf mich ist oder misstraut er mir? Schon bei unserem Ausflug auf dem Nil war er so angespannt.
„Ist alles in Ordnung, Jisung?", fragte mich Jeongin und folgte meinem Blick, bevor er wieder prüfend in mein Gesicht sah. „Du siehst etwas blass aus."
Ich bemühte mich, meine Gedanken abzuschütteln, und wandte mich stattdessen an den jüngeren Prinzen. „Es ist nur wegen der erlegten Tiere", sagte ich und musste nicht einmal wirklich lügen, denn dieses royale Hobby war mir noch immer fremd und erschien mir viel zu grausam. „Sie tun mir leid", gestand ich etwas leiser und Jeongin legte mitfühlend eine Hand auf meine Schulter. Aber es war Chan, der plötzlich neben uns auftauchte und mir gut zusprach.
„Ich verstehe deine Haltung, Jisung. Es mag zunächst grausam erscheinen, etwas Lebendes zu töten und ich stimme mit dir überein, dass man nie ohne einen Grund töten sollte. Aber dieses Land ist reich an Wild und Geflügel. Wir sind es der Natur ebenso schuldig, für ein Gleichgewicht zu sorgen. Würden die Populationen überhand nehmen, würden langsam die Grünflächen um den Nil herum verkümmern, und im Umkehrschluss würden die vielen Tiere dann hungern und qualvoll verenden."
Chans Worte waren durchaus einleuchtend und die Kenntnisse aus meinem Biologieunterricht stimmten größtenteils mit seinen überein. Unkontrollierte Populationen waren ebenso wenig hilfreich für ein Biotop wie eine zu geringe Menge an Individuen.
„Das bedeutet, ihr achtet darauf, nie zu viele Tiere zu jagen?", wollte ich mich seiner Aussage versichern und der breitschultrige Mann nickte.
„Minho hat verfügt, dass Jagden nur in bestimmten Zeitabschnitten des Jahres erlaubt sind. Es gibt eine Schonzeit für die Periode, in der die Tiere ihre Jungen bekommen und diese aufziehen. Außerdem werden die Herdengrößen kontrolliert und in Listen festgehalten, um deren Beständigkeit zu prüfen."
Fasziniert und irgendwie erleichtert wanderte mein Blick erneut zu Minho, der gerade mit einem der Männer sprach.
Er macht es sich nicht einfach, sondern achtet tatsächlich auf sein Land und die, die darin leben. Er nimmt es nicht auf die leichte Schulter und überzeugt sich sogar selbst von den herrschenden Umständen. Kann so ein gelehriger und gewissenhafter Mensch überhaupt grausam sein?
Als ich ihn so betrachtete, füllte sich meine Brust mit Wärme und einem Maß an Bewunderung, das ich zuvor noch nie für eine Person empfunden hatte.
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God-king of Egypt | Minsung
FanfictionWenn Jisung in seinem Leben eines gelernt hat, dann dass Aufgeben nie eine Option ist. Doch was passiert, wenn er in eine Welt gestoßen wird, die seine Prinzipien und Werte nicht anerkennt? Wenn sie diese mit ihren eigenen Gesetzen und Regeln übersc...