Wer sind Sie?

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Triggerwarnungen für dieses Kapitel: Krankenhaus, Ärzte, Trauer, seelischer Schmerz

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Jisungs Pov:

Der nächste Morgen verlief, wie Doktor Byun es mir angekündigt hatte. Nach einem eher kargen Frühstück, weil ich kaum etwas herunterbekam, besuchte mich der junge Arzt und bemühte sich, mit Fragen meinen geistigen Gesundheitszustand zu ergründen. Da ich nun etwas besser vorbereitet war und wusste, was ich sagen durfte und was nicht, ergab dieses Gespräch nichts wirklich Neues. Ich musste mich sehr davon abhalten, zu oft an Minho oder das Geschehene im Palast zu denken, sonst wäre ich vermutlich in Tränen zerflossen. Also schob ich diese Erinnerungen während der Unterhaltung mit Doktor Byun in die hinterste Ecke meines Verstandes und verneinte seine Frage, ob ich darüber nachgedacht hatte, mir selbst etwas anzutun.

Zwar war mein Überlebenswille nicht unbedingt ausgeprägt, aber das war eine Sache, bei der ich lügen musste, um hier herauszukommen. Auch die anderen Themen, wie meine Kindheit und andere traumatische Erlebnisse, arbeitete ich beinahe routiniert ab, erzählte nur das Nötigste und versuchte so zu tun, als könnte ich damit umgehen. Ich sagte dem Arzt sogar, dass ich mich für meine Trauerbewältigung an einen Psychiater wenden würde, sobald ich aus dem Krankenhaus entlassen war.

In Wirklichkeit graute mir allein bei der Vorstellung, über all das Passierte reden zu müssen.

Kurz nachdem sich Doktor Byun mit den Worten verabschiedet hatte, dass er nun alles für meine Entlassung in die Wege leiten würde, stand ich auf und lief den kurzen Weg zu dem Bad meines Krankenzimmers. Dort betrachtete ich mich eingehend im Spiegel, wobei mich mein Erscheinungsbild eher erschreckte als beruhigte: Meine Augen waren dunkel umrandet. Sie hatten jeglichen Glanz verloren und blickten mir stumpf und traurig entgegen. Meine Wangen wirkten eingefallen und mein Mund bekam nicht mal die Andeutung eines Lächelns zustande. Schließlich konnte ich nicht anders, hob mein Oberteil an und blickte hinab auf meinen Bauch.

Nichts. Er war flach und leichte Muskeln zierten ihn. Nicht mal die Andeutung eines Babybauches war zu erkennen. Nun kamen die Tränen doch und mit einem gebrochenen Aufschluchzen streichelte ich über die makellose Haut, die keinen Zweifel daran ließ, dass dort nie ein Leben entstehen würde.

Hilflos und entmutigt tapste ich zurück zum Bett und vergrub mich unter der Decke. Dort weinte ich die bitteren Tränen der Erkenntnis.

Ich beruhigte mich nur langsam und auch heute wollte man mir offenbar nicht die angemessene Zeit zum Trauern zugestehen, denn es klopfte plötzlich an die Tür und ein Mann in Uniform trat ein. Der am Vorabend angekündigte Polizist hatte schwarze Haare und war ziemlich groß. Seine Augen musterten mich für einen Moment prüfend und dann weiteten sie sich in Unglauben.

„Jisung?" Kurz vergaß ich sogar das Weinen und legte den Kopf fragend schief.

Kenne ich diesen Mann? Nein, ich habe ihn noch nie zuvor gesehen.

Der Polizist trat jetzt näher und schien vollkommen fassungslos. „Du-du bist es wirklich, oder?"

Zaghaft nickte ich und sah zu ihm auf. Nun strich sich der Mann vor mir aufgewühlt durchs Haar und zog dann sein Handy aus der Hosentasche. Er tippte kurz darauf herum und hielt es sich anschließend ans Ohr. Ein leise gemurmeltes „Geh endlich ran" war nach guten zehn Sekunden der Stille zu hören, dann nahm endlich jemand den Anruf entgegen, den ich nicht verstand. Doch sogleich unterbrach der Polizist denjenigen am anderen Ende der Leitung.

„Yeosang. Kannst du zum Krankenhaus kommen? Jetzt gleich? Was?! Nein! Mir ist nichts passiert! Aber..." Er blickte wieder ungläubig zu mir herab und sagte dann zögernd: „Ich habe Jisung gefunden."

God-king of Egypt | MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt