Gewissheit

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Jisungs Pov:

Trotz der eher milden Jahreszeit war die Sonne heute besonders stark und sämtliche Tiere und Pflanzen sahen das als ein Zeichen, sich fröhlich aus dem Schatten zu erheben. Schon ab dem frühen Morgen hatte ich dem munteren Zwitschern der kleinen Finken und der emsigen Bienenfresser lauschen können und selbst die frisch sprießenden Blätter der Dattelpalmen und Granatapfelbäume schienen sich an diesem Tag anzustrengen, um die Helligkeit und Wärme bestmöglich auszunutzen. Ebenso hielten es natürlich die Bauern, die auf ihren Feldern die jungen Pflanzentriebe bewässerten und das Unkraut rupften. In Theben selbst wurden die letzten Vorbereitungen für das bevorstehende Fest des Nehebkau getroffen und ein nahezu elektrisches Pulsieren und vorfreudiges Summen hatten sich über die antike Metropole gelegt. Jeder in und um Theben schien sich auf die Zerstreuung der nächsten Tage zu freuen.

Und ich war zwischen all diesem geschäftigen Treiben darin versunken, auf das glitzernde, blaue Wasser des Nils zu starren und darüber nachzugrübeln, weshalb ich mich heute besonders ruhelos fühlte. Ich stand schon seit einer geschlagenen Viertelstunde auf dem breit ummauerten Balkon, der Minhos Gemächer auf einer Seite komplett säumte. Immer wieder wechselte ich meine Position. Jetzt beugte ich mich noch etwas weiter nach vorn und stützte die Unterarme auf die Steinmauer, um meinen Rücken zu entlasten. Vermutlich hatte ich in der Nacht ungünstig gelegen oder die Anspannung der letzten Tage forderte mittlerweile ihren Tribut.

Vorhin war erneut ein Bote für Minho eingetroffen, der meinem geliebten Pharao die Nachricht überbracht hatte, dass sich auf dem Anwesen, das Senmut in aller Abgeschiedenheit bezogen hatte, nichts regte und kein Besuch ein- oder ausgegangen war. Es war seit Tagen immer dieselbe Nachricht und ich wusste nicht, ob ich dies beruhigend fand oder nicht. Minho hatte jedenfalls beschlossen, diese unveränderten Tatsachen als Anlass zu nehmen, seinen Besuch auf diesem Weingut kurz nach den Feierlichkeiten anzusetzen.

Ich hatte ihn sogar gebeten, ihn begleiten zu dürfen, aber er war strikt dagegen gewesen und im Hinblick darauf, dass diese Mission tatsächlich blutig enden könnte, hatte ich ihm seinen Willen gelassen.

Eine rasche Bewegung in meinem äußersten rechten Blickfeld erregte meine Aufmerksamkeit und ich drehte den Kopf, um zu erkennen, wer oder was sich da zwischen den immergrünen Büschen vom Palast wegbewegte. Zunächst glaubte ich, es müsse eine Katze oder ein ähnlich großes Tier gewesen sein, doch dann tauchte ein dunkler Haarschopf auf und mir wurde bewusst, dass es nicht nur eine Person war, die ich da beobachtete.

Das vergnügte Grinsen, das sich dann auf meine Lippen stahl, war fast schon schmerzhaft für meine Mundwinkel. Doch ich fand es zu putzig, wie Chan sich die Mühe machte, sich verstohlen im Garten umzusehen, daraufhin Jeongin enger gegen eine der frisch austreibenden Palmen zu pressen und in allerbester Badboymanier seine Lippen über dessen Hals gleiten zu lassen.

Eine Sekunde lang war ich beinahe dazu bereit, ihnen etwas zuzurufen und mich daran zu erfreuen, wie sie auseinanderspringen würden, doch ich unterließ es und wandte mich demonstrativ von dem dort unten stattfindenden Stelldichein ab. Schließlich war deutlich geworden, dass die beiden keine heimlichen Zuschauenden wünschten. Ich widmete mich wieder dem träge dahinfließenden Wasser und beobachtete die Luft direkt über dem Fluss, die von bunt gefiederten Vögeln bevölkert wurde, die vergeblich versuchten, die zahllosen Moskitos zu fangen.

Mittlerweile hatte die Sonne den Zenit überschritten und die Wärme war plötzlich angefüllt vom verführerischen Duft von frischem Brot, also richtete ich mich auf, warf einen letzten, flüchtigen Blick hinab zu Jeongin und Chan und kehrte dann ins Innere der königlichen Gemächer zurück.

Zwei Bedienstete richteten gerade die hereingetragenen Speisen auf den kleinen, vergoldeten Esstischen an und verbeugten sich dann ehrfürchtig vor meinem Gemahl, der sich von seinem Arbeitsplatz erhoben hatte, um mir beim Essen Gesellschaft zu leisten. Ich wies die zwei Bediensteten höflich an, draußen zu warten, und bedankte mich für das Essen, bevor ich mich auf einem gemütlichen Kissen niederließ.

God-king of Egypt | MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt