Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis die Schule halbwegs zur Ruhe gekommen war. Harry wurde nach einer gefühlten Ewigkeit von Dumbledores toten Körper weggezogen. Die Schüler hielten sich alle gegenseitig in den Armen und trösteten sich, als sie sich langsam wieder in das Schloss begaben. Hagrid blieb am längsten. Er hob Dumbledores Körper weinend auf und trug ihn davon. Die Stimmung war geisterhaft. Auch von der sicheren Entfernung aus, war sie eindeutig zu spüren. Dann ertönte ein Gesang. Unwahrscheinlich traurig, aber wunderschön. Ich hatte noch nie in meinem Leben einen solchen Gesang gehört. Ruhig suchte ich die Dunkelheit mit meinen Augen ab. Ich konnte Flügelschlagen hören. Es kam weit aus der Ferne. Dann drehte das Geräusch in meine Richtung. Etwa fünfzig Meter von mir entfernt flog Fawkes, Dumbledores Phönix. Er schien eine Art Klagelied zu singen. Schon begannen meine frisch getrockneten Tränen wieder zu laufen. Das alles war ein nicht-enden-wollender Albtraum. Fast lautlos landete der Vogel neben mir. Er sah mich an, drehte dabei den Kopf. "Es tut mir so leid.", flüsterte ich ihm zu. "Ich konnte nichts tun. Wir konnten ihm nicht helfen. Ich hätte nie gedacht, dass Dad...", weiter konnte ich nicht sprechen. Fawkes neigte den Kopf. Erst jetzt merkte ich, dass sein Gesang nicht von ihm direkt kam, sondern in meinem Kopf war. Harry hatte einmal davon erzählt, dass er das bei Fawkes schon öfter erlebt hatte. Still lauschte ich seinem Gesang, während er mir Gesellschaft leistete. Nach einer gewissen Zeit, flog er aber schließlich wieder in die Dunkelheit, sein Lied immer noch teilend. Mir kroch die Kälte immer weiter in die Knochen, aber ich konnte mich immer noch nicht aufraffen zum Schloss zu laufen. Was war, wenn mich keiner mehr in der Schule haben wollte? Konnte ich es ihnen verübeln? Was ist wenn noch mehr Schüler rausfanden wessen Tochter ich war? Ich ließ mich auf den feuchten Boden sinken, schlang die Arme um meine Beine, während ich das Schloss anstarrte.
Es mussten einige Stunden vergangen sein, als ich meinen Namen aus der Richtung des Schlosses hörte. Hannah, Susan und Megan suchten nach mir. Ich wollte am liebsten zu ihnen laufen und sie in den Arm nehmen, so dankbar war ich, dass es ihnen scheinbar gut ging. Stattdessen saß ich noch immer auf dem selben Fleck Erde, unfähig mich zu bewegen, oder etwas zu rufen. Die Stimme von Professor Lupin kam hinzu. "Mädchen, was macht ihr hier draußen? Geht auf der Stelle wieder zurück in euren Schlafsaal. Wir werden Miss West schon finden." Seine Stimme ließ eigentlich keine Diskussion zu, aber meine Freunde versuchten es trotzdem. "Den Schülern ist es den Rest der Nacht untersagt, sie außerhalb des Schulgebäudes aufzuhalten und jetzt los, ansonsten muss ich Professor McGonnagall holen." Schließlich gaben sich die Mädels geschlagen. Sie liefen zurück, aber machten aus ihrem Unmut kein Geheimnis. Lupin sah ihnen so lange nach, bis sie auch tatsächlich im Schloss verschwunden waren. Erst als er sich sicher war, das keine von meinen Freundinnen wieder heraus kam, sah er sich um. Fast schon zu zielstrebig lief er in meine Richtung. Er nutze definitiv mehr als einen Sinn. Als er etwa die Hälfte der Entfernung zu mir hinter sich hatte, trafen sich unsere Blicke. Die Trauer und Anstrengung der heutigen Nacht standen ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Noch immer konnte ich mich nicht bewegen. "Miss West? Sind sie verletzt?" Die letzten Meter zu mir schloss er schnell auf. Ich sah ihn zwar an, aber konnte nicht antworten. Langsam kniete sich mein ehemaliger Lehrer zu mir hin. "Jane. Bist du verletzt?", fragte er mich noch einmal. Das er mit Absicht meinen Vornamen benutzte entging mir nicht. Mein Knöchel. Mein linker Knöchel tat weh. Erst jetzt erinnert ich mich wieder daran, dass ich im Kampf umgeknickt war. Ich wollte auf meinen Fuß zeigen. Ich wollte irgendwas sagen, aber es ging nicht. Ich war wie versteinert. Vorsichtig legte Lupin eine Hand auf mein Knie. "Du stehst unter Schock, Jane. Ich kann mir nicht vorstellen wie es dir geht, aber du musst dich bewegen. Du bist viel zu kalt. Wir müssen dich ins Warme bekommen." Ohne auf eine Reaktion meinerseits zu warten, zog er mich vorsichtig auf die Beine. Der Schmerz in meinem Knöchel, riss mich ein wenig aus meiner Versteinerung heraus. "Ach verdammt.", sagte ich. "Aha es spricht.", sagte Lupin, als er mich festhielt , damit ich nicht umfiel. "Der sieht nicht gut aus. Wir gehen in den Krankenflügel. Dort sind momentan eh alle aus dem Orden.", erklärte er mir. Erschrocken sah ich ihn an. "Nein.", sagte ich leise. Durch mein Kopfschütteln wurde mir schon fast schwindlig. "Ich kann nicht. Nicht nachdem mein Vater-" "Niemand würde auf die Idee kommen dich deshalb auszuschließen Jane. Vor allem nicht jetzt." Lupin sagte das so eindringlich, dass ich ihn überrascht ansah. Mittlerweile konnte ich auch nur noch auf einem Bein hüpfen, weil mein Knöchel doppelt so breit war, wie sonst. "Wie können Sie sich da so sicher sein?", fragte ich ihn und kämpfte mal wieder gegen die Tränen. Mir war es ein Rätsel, wie ich immer noch weinen konnte. Ich müsste schon gar keine Flüssigkeit mehr in meinem Körper haben. Ruhig half er mir über eine Wurzel. "Weil du nicht Dumbledore getötet hast. Du bist nicht für die Taten Anderer verantwortlich. Weder für die von Draco, noch für die von deinem Vater." Als ich Dracos Namen hörte, senkte ich peinlich berührt den Blick. Wir erreichten endlich das Schloss. Lupin blieb kurz stehen, um zu verschnaufen. "Wir suchen uns weder unsere Familie aus, noch wen wir lieben." Letzteres sagte er mit ein wenig Trauer in der Stimme. "Danke.", flüsterte ich. Mit einem weiteren Lächeln zog er mich weiter. Das Schloss war das reinste Chaos. Überall waren Blutspuren, die Portraits hingen schief und einige waren schwer beschädigt. Die gemalten Menschen in den Bildern, flohen in andere Bilder, während Filch die kaputten Gemälden abnahm. Lupin drückte meine Schulter. "Denk an meine Worte, Jane.", flüsterte er mir zu. "Es ist so schwer.", murmelte ich zurück. Schüler waren keine mehr unterwegs. Nur die Lehrer waren auf. Einige ruhten sich aus, während der Rest von ihnen die Korridore entlangliefen. "Wie konnte das alles nur so aus dem Ruder laufen?", fragte ich. "Ronald, Harry und einige der anderen Schüler haben uns den Werdegang der Nacht erzählt, den wir nicht mitbekommen haben. Alles was passiert ist, war schon eine ganze Weile geplant.", erzählte Lupin. "Ich weiß. Ich habe Draco auf dem Astronomieturm gehört.", sagte ich. Endlich erreichten wir den Krankenflügel. Tatsächlich waren viele aus dem Orden da. Die Weasleys standen all um ein Bett herum. Molly weinte bitterlich. Für einen Moment blieb mein Herz stehen. Ich reckte den Kopf. Bill Weasley lag bewusstlos und blutverschmiert im Bett. Fleur hielt seine Hand. Der Geruch der von ihm ausging war nicht nur Blut. "Er riecht nach Werwolf.", sagte ich. Lupin lächelte vorsichtig. "Sicher, dass du nicht mich meinst?", scherzte er. "Nein. Götter so meinte ich das nicht. Professor.", stammelte ich plötzlich panisch. "Keine Sorge. Nur ein schlecht platzierter Witz. Aber ja du hast Recht.", beruhigte er mich. "Greyback.", stellte ich trocken fest. Mollys Schluchzen wurde noch lauter. "Und dabei wollte er doch heiraten.", sagte sie. Fleur sah sie wütend an. "Wollte? Warum sollte er mich nicht mehr heiraten wollen?", fragte sie herausfordernd. "Glaubst du ihn würde ein wenig mehr Geschmack für blutiges Steak und Narben aufhalten mich zu heiraten?" Lupin und ich sahen uns unsicher an. Auch die Anderen wechselten nervöse Blicke. Molly war deutlich peinlich berührt. "Nein. Ich dachte nur, dass jetzt wo er so-" Fleur sprang auf. "Jetzt wo er so aussieht, dass ich ihn nicht mehr heiraten würde? Es würde schon deutlich mehr, als einen Werwolf brauchen, um uns zu trennen!" Molly blieb sprachlos, nickte aber. Madam Pomfrey kam auf mich zu. "Liebes. Wir schauen uns jetzt erstmal deinen Fuß an." Sie und Lupin halfen mir auf eines der Betten. Lupin drückte mir ein Glas voll Blut in die Hand. "Trink. Du brauchst das.", sagte er. Zitternd nahm ich es entgegen. Wie sehr er doch Recht hatte. Madam Pomfrey drehte vorsichtig meinen Fuß, murmelte etwas vor sich hin und mit einem schmerzhaften Ruck war mein Fuß wieder in der Position in der er sein sollte. "So. Bis morgen früh ist auch die Schwellung wieder in Ordnung und durch das Blut solltest du auch wieder sicher auf die Beine kommen.", sagte sie. Ich nickte. Hermine kam durch den Raum gelaufen. Sie setzte sich auf den Stuhl neben mich. "Hey. Wie geht es dir? Ich kann mir gar nicht vorstellen, was in dir vor geht.", sagte sie leise. "Ich kann noch nicht drüber reden Hermine. Danke dass du dir Sorgen machst, aber ich weiß selbst noch nichts mit mir anzufangen.", sagte ich. Hermine drückte verständnisvoll meine Hand. "Wir sind für dich da. Nicht wahr Ron, Harry?", sagte sie uns sah ihre Freunde an, die nun hinter ihr standen. "Natürlich.", sagte Ron. Harry nickte eindringlich. Mir fiel eine Last vom den Schultern mit der auch ich nicht gerechnet hatte. "Ich habe kaum Worte, um euch zu sagen wie dankbar ich euch bin. Wissen Hannah, Megan und Susan davon? Wissen sie, dass mein Vater für den Tod von Dumbledore verantwortlich ist?", fragte ich die Drei. "Das weiß ich nicht. Wir können ihnen das auch morgen sagen. Sie werden dich nicht im Stich lassen. Da bin ich mir sicher.", sagte sie eindringlich. Ich hoffte so sehr, dass sie Recht hatte. McGonnagall tauchte hinter dem Trio auf. Streng sah sie mich an. "Ich hoffe Sie wissen wie gefährlich es war, dass Sie einfach außerhalb der Schule waren. Wir dachten, dass Ihnen etwas zugestoßen sei, nachdem Hagrid und Mr. Potter Sie verlassen haben." ich schluckte schwer. "Tut mir leid Professor. Ich wollte das nicht.", antwortete ich ihr. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Ich bin froh, dass sich unsere Sorgen nicht bestätigt haben." Sie machte Anstalten zu gehen, aber ich hielt sie auf. Eine Frage brannte mir dennoch auf der Seele. "Professor?" Unsere stellvertretende Schulleiterin sah mich überrascht an. "Ja?" Nervös drehte ich das Glas in meinen Händen. "Bleibt die Schule offen? Wenn ja, ist dann hier immer noch ein Platz für mich?" Mir war die Antwort schon fast klar, aber ich wollte sie ausgesprochen haben. Ich musste vollkommen sicher sein, dass ich hier bleiben durfte. Der Krankenflügel war plötzlich sehr still. Ich war dankbar, dass alle anderen Schüler versorgt waren und in ihre Schlafsäle geschickt wurden, damit der Orden ungestört war. "Jane!", rief Hermine aufgebracht. Lupin sah genauso geschockt aus. "Wie kannst du so etwas fragen?", sagte er. McGonnagall lief an mein Fußende. "Immer. Miss West. Für Sie ist immer ein Platz an Hogwarts!", sagte sie mit fester Stimme. Erleichtert ließ ich die Schultern sinken. Weitere Worte meinerseits ließ sie nicht zu, weil sie sich auf den Weg in das Schulleitungsbüro machte. "Mr. Potter bitte folgen Sie mir. Mr. Weasley bitte informieren Sie das Ministerium." Damit lief sie aus dem Krankenflügel. Erschöpfung machte sich nun schnell in mir breit, nachdem ich das Glas Blut leergetrunken hatte. Ich sank in einen unruhigen Schlaf.
Am nächsten Morgen wurde ich wach, weil auf dem Nachttisch neben mir aufgeräumt wurde. Madam Pomfrey stand an meinem Bett und stellte ein neues Glas mit Blut zu mir. "Damit dürfte Ihr Körper wieder fit sein. Dann brauchen Sie in den nächsten Tage nichts mehr trinken. Machen Sie sich am besten in den nächsten paar Minuten auf den Weg zum Frühstück, sonst verpassen Sie es noch." Als nächstes lief sie zu Bill. Er lag noch immer bewusstlos im Bett, Fleur schlief mit dem Kopf an seinem Arm. Ruhig legte Madam Pomfrey eine Hand auf ihre Schulter. "Auch du musst was essen." Fleur nickte verschlafen. Nach wenigen Minuten lief ich zur großen Halle. Die letzten Schüler aßen ihr Frühstück. Keiner sprach und wenn, dann wurde nur geflüstert. Meine Freunde saßen am Ende vom Hufflepufftisch. Zügig lief ich zu ihnen. "Ich bin so froh, dass es euch so gut geht!", rief ich. "Jane!", sagten sie gleichzeitig. Wir endeten in einer Gruppenumarmung. Noch bevor sie fragen konnten, erzählte ich ihnen alles. Natürlich nur so, dass keiner der anderen in der Halle was hörten. Als ich fertig war, war Megan den Tränen nah. Keiner von ihnen sagte etwas. Sie brauchten es auch nicht. Wir verstanden uns auch so.
In den nächsten Tagen wurden immer mehr Schüler von ihren Eltern abgeholt. Das Geschehene verbreitete sich in der Zaubererwelt wie ein Lauffeuer. Viele hielten Hogwarts nun für einen unsicherern Ort. Die Prüfungen waren aufgeschoben und der Unterricht bis nach Dumbledores Beerdigung aufgehoben. Im Tagespropheten wurde das Thema detailreich berichtet. Man suche nach meinem Vater und wie Harry später mit Hermine rausfand, war mein Vater genauso wie ich ein Halbblut. Sein Vater, mein Großvater, war ein Muggel gewesen. Hogsmead wurde immer voller. Alle Unterkünfte waren ausgebucht, weil Zauberer von überall Dumbledore die letzte Ehre erweisen wollten. Es schliefen sogar einige in Kutschen. Am Tag der Beerdigung unseres Schulleiters, war die große Halle bis zum letzten Platz gefüllt. Hagrid war nicht anwesend. Vermutlich, war ihm alles zu viel. Schließlich kam Professor McGonnagall zum Sprecherpult. "Es ist Zeit. Folgen Sie mir." Gemeinsam liefen wir zum See. Auf der Insel in der Mitte des Sees fand die Beisetzung statt. Wir saßen am Seeufer und hörten uns den Chorgesang der Schüler an. Ich sah die Anwesenden an. Als ich Dolores Umbridge mit einer aufgesetzten Trauermiene sah, ballte ich die Hände zu Fäusten. "Was macht SIE hier?", fragte ich. Hannah folgte meinem Blick. Wütend schüttelte sie den Kopf. "Ich weiß es nicht, aber ignorier es." Ich tat mein bestes auf den Ratschlag meiner Freundin zu hören. Immer voller wurde die Insel. Irgendwann dachte ich schon, dass es keinen Platz mehr geben würde. Schließlich wurde es still, dann begann ein neuer, ruhigerer Chorgesang. Hagrid erschien am Ende des Laufweges. In den Armen trug er, den in Tüchern eingewickelten Dumbledore. Dabei weinte er leise. Jetzt verstand ich warum er nicht in der Halle gewesen war. Vorsichtig platzierte er den Leichnam auf dem Tisch, drehte sich um und machte sich auf den Weg zu seinem Platz. Erschrockene Ausrufe ließen mich aufschauen. Die Zentauren erschienen am Rande der Beisetzung. Auch sie gedachten unsrem Schulleiter mit Respekt. Dann wurden die Schreie noch lauter, als Dumbledore plötzlich in Flammen aufging, aber nicht verbrannte. Stattdessen erschien ein riesiges Grabmal aus Marmor um ihn herum. Schnell legte sich die Aufruhe. Es wurden von den verschiedensten Zauberern und Hexen Reden gehalten. Eine länger als die Andere. Pfeile wurden in die Luft geschossen. Sie landeten weit weg von allen Teilnehmern der Beerdigung. Noch bevor sie auf dem Boden aufkamen, waren die Zentauren verschwunden. Das war die letzte Ehre, die sie unserem verstorbenen Schulleiter erweisen konnten. Nun war es allen bewusst. Dumbledor, der mächtigste Zauberer der Welt, war tatsächlich tot. Ich wusste nicht was schlimmer war, die falschen Schuldgefühle, die Trauer, die Wut auf meinen Vater, oder die Angst vor dem, was nun passieren konnte.
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Hexe, Halbblut, Halbvampir
FantasyJane West ist die Tochter eines Lehrers an Hogwarts. Sie erlebt ein erstes ruhiges Jahr an dieser Schule, doch in den Sommerferien kommt es zu einem Zwischenfall und sie kehrt als Halbvampir in ihr zweites Schuljahr zurück. Nun muss sie zwei Geheimn...