Kapitel 8

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»Verdammt Avery!«
Die Stimme klang wütend, so unglaublich wütend. Ich wollte zu gerne meinen Kopf heben und sehen, wem die Stimme gehörte, aber ich war gleichzeitig auch viel zu müde, um es zu tun. Dazu kam noch, dass ich einfach nicht aufhören konnte zu zittern und nicht wusste, ob es an dem vielen Alkohol oder am kalten Boden lag, auf dem ich saß. Ich fühlte mich einfach nur elend.
»Hey, alles ist gut.«
Jetzt klang die Stimme weniger wütend, als viel mehr besorgt. Ich spürte eine warme Hand an meinem Rücken, die mich sanft streichelte.

»Man, Sara. Konntest du nicht besser auf sie aufpassen? Wie viel hat sie denn bitte getrunken?«
»Ich- ähm. Tut mir leid, Jared. Ich-« Mehr hörte ich nicht, da sich dieses eine Wort in meinem Kopf einnistete und ich an nichts anderes mehr denken konnte.
Jared. Er war hier. Er hasste mich nicht.
Das letzte was ich noch mitbekam, bevor ich komplett wegdämmerte, waren die zwei starken Arme, die sich um meinen Körper schlossen und mich hochhoben.

***

Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals in meinem Leben so einen Kater gehabt zu haben. Allerdings hatte ich es auch noch nie zuvor so mit dem Alkohol übertrieben. Mein Kopf dröhnte und ich traute mich gar nicht erst meine Augen zu öffnen, weil ich fürchtete, das grelle Tageslicht würde alles nur noch viel schlimmer machen. Also entschied ich mich dazu, noch ein bisschen liegen zu bleiben und mich nochmal in die Bettdecke zu kuscheln.
Jedoch wurde aus dem Noch-ein-bisschen-liegen-bleiben nichts, da mir kurz darauf jemand sanft über die Wange strich. Das führte aber dazu, dass ich mich dazu entschied, meine Augen erst recht nicht öffnen zu wollen, um den Moment nicht sofort wieder zu beenden.

»Avery, ich weiß, dass du wach bist«, seufzte Jared.
Moment mal. Jared? Mit einem Mal schlug ich meine Augen auf und blickte in seine rehbraunen. Er hatte einen undefinierbaren Blick, der irgendwie alle möglichen Emotionen widerspiegelte. Bevor ich diese jedoch weiter ergründen konnte, sah er schon weg und stand – etwas zu hastig wie ich fand – auf und entfernte sich einige Schritte vom Bett.
Ich versuchte mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Wahrscheinlich hatte er mich nur zu sich gebracht, weil er einfach nett und aufmerksam war und nicht, weil ich ihm etwas bedeutete. In diesem Moment spürte ich einen kleinen Stich in meinem Herzen, der es schaffte, für einen Moment sogar meine heftigen Kopfschmerzen in den Hintergrund zu rücken.

Wie er bereits gesagt hatte: Wir waren keine Freunde. Also was tat ich hier bitteschön? Lag in seinem Bett rum, wie irgendeine Bettbekanntschaft. Nun stand auch ich wie vom Donner gerührt auf. Das war – wie sich herausstellte – nicht die allerbeste Idee, denn sofort kamen die Kopfschmerzen zurück und mir wurde für einen kurzen Moment schwarz vor Augen.
Ich geriet ins Schwanken und Jared machte schon Anstalten mich aufzufangen, aber ich schaffte es noch rechtzeitig, mich an der Wand festzuhalten. Ich wollte seine Hilfe nicht. Nicht nach all dem, was er mir an den Kopf geworfen hat.

Nervös spielte ich mit meinem Armband.
»Danke für alles Jared, aber ich... ich sollte jetzt wahrscheinlich lieber gehen.«
Mit diesen Worten verließ ich das Zimmer. Ich war bereits im Flur angekommen, als sich eine Hand um mein Handgelenk schloss.

Ich schloss die Augen und atmete einmal tief ein, bevor ich mich zu Jared umdrehte. Wieder einmal hatte er diesen undefinierbaren Blick aufgesetzt, der mich einfach wahnsinnig machte. Wie schaffte er es immer, dass sein Blick kein bisschen durchschimmern ließ, wie er sich fühlte oder was er gerade dachte?
Also standen wir beide im Flur und lieferten uns gegenseitig ein Blickduell, wobei er mein Handgelenk jedoch nicht losließ. Wenn er mich schon am Gehen hinderte, da er mir anscheinend irgendetwas sagen wollte, sollte er auch gefälligst mit der Sprache rausrücken. Abwartend zog ich eine Augenbraue in die Höhe.

Er stieß einen leisen Seufzer aus und ließ mein Handgelenk los, um anschließend einen Schritt zurückzugehen. Was sollte das hier? Erst hielt er mich zurück und dann starrte er mich einfach in Grund und Boden, um sich dann von mir abzuwenden.
Langsam verlor ich die Geduld. Gerade als ich mich wieder zum Gehen wenden wollte, ergriff er dann schließlich doch das Wort.

»Ist wirklich alles in Ordnung bei dir?«
Seine Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, sodass ich nicht genau wusste, ob ich sie mir vielleicht nur eingebildet hatte. Erstaunt drehte ich mich um und sah ihn an. Jared hingegen schien sich plötzlich brennend für seine Füße zu interessieren und es erweckte tatsächlich nicht den Anschein, dass er eben etwas gesagt hatte.
Dann sah er schließlich doch zu mir auf und sein Blick durchbohrte mich förmlich. Wie schaffte es eine Person nur, solch ein Desinteresse mit seinen Augen auszustrahlen? Ich wusste nicht, was oder ob ich antworten sollte, also schwieg ich.
»Was war das denn gestern bitteschön?« Jareds Stimme hatte jegliche Besorgnis verloren. Sie klang wütend. Sie klang bedrohlich. Sie klang wie Logan.

Augenblicklich erstarrte ich. Und dann wurde auch ich wütend. Woher nahm er sich das Recht, so mit mir umzugehen? Zuerst war er nett, besorgt, einfühlsam und im nächsten Moment wurde er... wütend? Aus welchem Grund sollte er wütend auf mich sein?
»Alles super, Jared.« Ich wusste selbst nicht, dass ich dazu in der Lage war, aber ich schaffte es die Worte so klingen zu lassen, als wären es Giftpfeile, die meinen Mund verließen. Natürlich konnte es aber auch sein, dass nur ich das so empfand. Ich warf ihm noch einen genauso desinteressierten Blick zu, wie er mir zuvor, drehte mich auf dem Absatz um und verließ das Haus.
Auch wenn ich es mir nach außen hin nicht anmerken ließ, ich war verdammt stolz auf meinen Abgang.




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