Kapitel 45

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Mein Arm pochte heftig, als ich wieder zu mir kam und meine Kehle war staubtrocken. Ich befand mich alleine in einem kleinen Raum, der sich - dem Aussehen nach -anscheinend auch in dem Haus befand. 
Als mir wieder einfiel, was passiert war, senkte ich sofort meinen Blick, um meinen Unterarm zu begutachten. Viel konnte ich jedoch nicht sehen, da notdürftig ein weißer Stoff um die Wunde gebunden war. Beim näheren Betrachten erkannte ich, dass es sich bei dem Stoff um ein T-Shirt handeln musste.


Sofort griff ich mit der Hand meines unverletzten Armes nach dem Knoten, der das Shirt befestigte und löste diesen. 
Ich hatte genau gesehen, wie viel Blut aus meinem Arm gekommen war, also hatte ich mich auf das Schlimmste gefasst gemacht, aber trotzdem übertraf der Anblick, der sich mir bot, all meine Vorstellungskraft. Über meinen Unterarm zog sich ein länglicher Schnitt, der von meinem Handgelenk zu knapp unter meiner Ellenbeuge verlief. Er war jedoch weit davon entfernt, als 'sauberer' Schnitt eingestuft zu werden, da meine Haut an einigen Stellen der Wunde regelrecht aufgerissen war. Mittlerweile hatte sich rot-bräunlicher Schorf auf der Wunde gebildet, da der Heilprozess bereits eingetreten ist.
Um den Anblick nicht länger ertragen zu müssen, band ich mir das T-Shirt wieder um den Arm und schloss für einen Moment die Augen. Da hörte ich, wie die Tür zum Zimmer vorsichtig geöffnet wurde und wenig später ins Schloss fiel. Jemand seufzte erleichtert auf.
"Hey.", hörte ich Finn vorsichtig sagen. Ich öffnete meine Augen und sah ihn an. 
"Wie geht es dir?"
"Ich habe Durst."
"Das glaube ich dir, du warst immerhin knapp 30 Stunden bewusstlos. Aber das meinte ich nicht." Er deutete mit seinem Kinn auf meinen Arm.
"Tut es noch sehr weh?"
"Im Moment nicht. Warum habt ihr mich nicht ins Krankenhaus gebracht? Es sieht echt übel aus."
"Wir konnten dich doch nicht ins Krankenhaus bringen.", er sagte diese Worte in so einem Tonfall, dass es klang, als wäre es die unsinnigste Idee überhaupt, jemanden Verletztes ins Krankenhaus zu bringen. "Ist dir klar, wie viele Fragen die stellen würden? Sie würden nach der Ursache fragen, Drogenscreenings machen und anschließend würden wir wahrscheinlich jede Menge Probleme bekommen."
"Und was, wenn ich nicht wieder aufgewacht wäre? Wenn ich zu viel Blut verloren hätte?"
Ich war geschockt. Diesen Leuten war tatsächlich alles und jeder Andere egal.
Finn antwortete nicht auf meine Frage, sondern zuckte nur mit den Schultern, als ich merkte, dass meine Sicht immer mehr verschwamm.


"Was ist überhaupt passiert?", fragte ich, nachdem wir uns eine Weile angeschwiegen hatten und die Schmerzen in meinem Arm sich zunehmend bemerkbar machten."Ich weiß nur, dass ich gefallen bin, mein Arm dann weh tat und überall Blut war, aber ich weiß nicht, warum."
"Du hast versucht, nach etwas zu greifen, um deinen Fall zu verhindern und hast dir dabei den Arm an einem Nagel an der Tür aufgerissen, der ziemlich weit herausragt hat.
Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn, da der Schmerz immer schlimmer wurde. Finn bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte, weswegen er einige Schritte auf mich zu trat und mit besorgtem Blick musterte.
"Alles ok? Du siehst echt kacke aus, wenn ich das mal so sagen darf."
"Nichts ist ok!", schrie ich etwas lauter als beabsichtigt. "Mein Arm tut verdammt weh, meine Kehle ist ausgetrocknet und ich sehe alles verschwommen. Außerdem ziert nun eine wunderschöne Wunde meinen gesamten Unterarm und sie wird wahrscheinlich eine noch schönere Narbe hinterlassen; und das alles nur weil ihr Junkies euer Leben nicht auf die Reihe bekommt!"


Finn zuckte kurz zusammen, fasste sich aber sofort wieder und kam mir noch etwas näher, sodass er sich genau vor dem Sessel befand, auf dem ich saß. Mein Puls war nach oben geschossen, während ich geredet hatte und meine Atmung war nun schwerfällig und hektisch. Finn kniete sich zu mir runter und legte seine Hände an meine Wangen.
"Hey, denk dran: Einatmen und Ausatmen." Dann atmete er demonstrativ ein und aus, sodass ich mit ihm zusammen atmen konnte, um mich etwas zu beruhigen.
"Cole hätte dich nicht schubsen und schon gar nicht schlagen dürfen." Er streichte sanft mit seinem Daumen unter dem Auge entlang, das Bekanntschaft mit Coles Faust gemacht hatte. "Aber du kannst nicht davon ausgehen, dass so etwas nicht passiert, wenn du einen Streit zwischen zwei Typen schlichten willst, die vollkommen zugedröhnt sind."
Ich erwiderte nichts, sondern sah nur in seine dunklen Augen.
"Aber gegen den Durst kann ich tatsächlich etwas unternehmen.", sagte er dann mit einem Grinsen im Gesicht, bevor er mir einen kurzen Kuss auf den Mund drückte und das Zimmer verließ.
Meine Wunde brannte mittlerweile so sehr, dass ich das Gefühl hatte, sie hätte Feuer gefangen. Deswegen riss ich das T-Shirt wieder von meinem Arm herunter, um zu sehen, warum es plötzlich so weh tat. 
Die Haut um die Wunde war stark gerötet, was zuvor nicht der Fall gewesen war. Es schien, als hätte sie sich entzündet. In dem Moment kam Finn schon zurück und war mit wenigen Schritten bei mir. Er reichte mir das Wasser und zog dann zischend die Luft ein.


"Verdammt, so sah das aber vorher nicht aus. Das muss doch höllisch weh tun?"
Bevor ich ihm antworten konnte, tat es schon mein Körper, indem er anfing zu zittern und sich erneut Schweißperlen auf meiner Stirn bildeten.
"Kann ich irgendwas tun?" Finn raufte sich hilflos die Haare und starrte immer noch ungläubig auf meinen Arm.
"Hast du... hast du was gegen die Schmerzen?" Nachdem ich die Frage gestellt hatte, wurde mir bewusst, wie dämlich sie war. Ich befand mich immerhin in einem Haus voller Junkies. Höchstwahrscheinlich hatten sie eine Menge Sachen hier, die gegen die Schmerzen helfen würden.
Finn nickte jedoch nur eifrig mit dem Kopf und verschwand auch schon aus dem Raum, nur um wenige Minuten später bereits mit zwei Pillen in der Hand zurückzukommen.
"Was ist das genau?", fragte ich skeptisch. "Normale Schmerztabletten?"

Sein Gesichtsausdruck war undefinierbar. "Es ist nichts Gefährliches, aber es wird dir helfen. Vertrau mir.", wich er meiner Frage aus. Ich schloss für einen Moment die Augen und dachte nach.
Was hatte ich schon zu verlieren? 



Heyo :) Ich habe beschlossen, dass ich jetzt (versuche!) immer am Mittwoch, Freitag und Sonntag zu uploaden, weil ich das Buch gerne abschließen würde, bevor meine Klausuren anfangen, da ich dann wahrscheinlich keine Zeit haben werde, um Kapitel zu schreiben.

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