"Du musst nicht hier sein - wenn du nicht willst, meine ich. Ich bekomme das schon auf die Reihe, ich weiß, dass es wahrscheinlich tausend andere Orte gibt, wo du gerade lieber sein würdest. Du kannst gehen. Wirklich. I-ich schaffe das schon, alles ist in Ordnung."
Ich wusste nicht, wo diese Worte auf einmal herkamen. Sie sprudelten einfach aus mir heraus, ohne dass ich mir vorher überlegt habe, was ich sagen wollte. Ich war auch ziemlich überrascht, wie ruhig ich plötzlich war, bis auf ein kleines Zittern klang meine Stimme fast normal. Und das alles erreichte Jared lediglich mit seiner bloßen Anwesenheit.
"Und was ist, wenn ich hier sein will?" Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und brachte meinen Herzschlag aus dem Takt.
"Aber warum solltest du hier sein wollen?" Er legte seine Hände an meine Wangen und sah mir intensiv in die Augen.
"Weil ich ein Arsch war und nicht für dich da war, als du mich weggestoßen hast, obwohl ich wusste, dass du mich gebraucht hast. Dass du mich immer noch brauchst." Mit diesen Worten lehnte er seine Stirn gegen meine, was meinem Herzen den Rest gab.
"Jared, ich...", setzte ich an, kam aber nicht weiter, da ich in dem Moment merkte, wie mir etwas die Speiseröhre hinaufkroch. Erschrocken drückte ich ihn von mir weg und robbte in Richtung Toilette. Jared wirkte einen Moment lang verunsichert, weil er nicht wusste, weshalb ich ihn weggestoßen hatte.Natürlich schaffte ich es nicht schnell genug zur Toilette und übergab mich ein gutes Stück davor. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Es war ja eine Sache, sich vor Jared zu übergeben, aber es war deutlich schlimmer, mich auch noch auf dem Boden zu übergeben.
Sofort breitete sich der eklige, saure Geruch meines Erbrochenen im gesamten Raum aus, was nicht wirklich dabei half, dass meine Übelkeit verschwand. Da spürte ich, wie Jared seine Hand auf meinen Rücken legte und mich sanft streichelte. Ich zuckte erschrocken zusammen. Das konnte er sich doch nicht aus der Nähe ansehen wollen? Ich ekelte mich schon extrem vor mir selbst, was musste dann wohl Jared davon halten?
Nachdem nichts mehr in meinem Magen war, was sich einen Weg hinaus bahnen hätte können, setzte ich mich erschöpft hin und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
"Das ist so peinlich.", sagte ich eher zu mir selbst, als zu Jared. Er sagte nichts dazu. Jedoch spürte ich keine Sekunde später, wie er sich neben mich auf den Boden setzte und einen Arm um mich schlang. Dann zog er meinen Kopf ein kleines Stück zu sich heran und gab mir einen sanften Kuss auf die Schläfe.
Diese Geste rief wieder ein Gefühlschaos in mir hervor. Ohne darüber nachzudenken, was ich eigentlich tat, vergrub ich meinen Kopf an Jareds Brust und begann wieder zu weinen.
Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht einmal, warum. Aus Erleichterung, dass Jared mich nicht hasste? Weil mir die Situation so peinlich war, dass ich mich am liebsten irgendwo verkrochen hätte? Oder weil Jared sah, wie ich vollkommen am Boden war? Ich wollte nie, dass jemand mich in so einem Zustand sah: verletzlich und kaputt.
Komischerweise fühlte ich bei dem Gedanken an Jared auch etwas Anderes: Geborgenheit und das Gefühl, nicht mehr alle meine Probleme alleine bewältigen zu müssen. Aber war es wirklich so?Nach einer Weile löste ich mich von Jared. "Tut mir leid.", schniefte ich.
Er ging nicht darauf ein, sondern stand auf und reichte mir dann seine Hand, um mir aufzuhelfen. Ich war immer noch etwas wackelig auf den Beinen, aber hatte schon einen viel besseren Stand als zuvor. Trotzdem legte Jared seinen Arm um meine Taille, um mich zu stützen. Okay, vielleicht hatte ich mir auch nur eingebildet, dass ich in der Lage war, alleine stehen zu können.
"Am besten reden wir woanders weiter.", sagte er dann, als wir uns in Bewegung setzten.
Sobald wir aus dem Bad heraustraten, realisierte ich erst wieder die laute Musik und den dröhnenden Bass im Club. Es schien mir unwirklich, dass die Party während meinem Nervenzusammenbruch die ganze Zeit über einfach so weitergegangen war.
"Lass uns weitergehen.", flüsterte Jared in mein Ohr. Mir war überhaupt nicht aufgefallen, dass ich stehen geblieben war, um mich umzusehen. Ich wusste nicht genau, nach was ich Ausschau hielt, aber trotzdem ließ ich meinen Blick weiterhin durch den Raum streifen, ohne auf Jareds Worte einzugehen.
Da sah ich ihn. Logan - und diesmal war ich mir 100% sicher, dass er es wirklich war - stand an der Bar und unterhielt sich mit einer Blondine. Er lachte ausgelassen über etwas, was das Mädchen gesagt haben musste. Sofort verkrampfte ich mich. Jared folgte meinem Blick und ich spürte, wie sich sein Körper ebenfalls anspannt, als er Logan sah. Dann zog er mich mit so einer Bestimmtheit mit in Richtung Ausgang, dass ich keinen Widerstand leistete und mich einfach mitziehen ließ. Ich war sowieso viel zu benommen, als dass ich überhaupt in der Lage wäre, in irgendeiner Form Widerstand zu leisten.Irgendwie waren wir in einem Taxi gelandet und ich bekam nur am Rande mit, wie Jared dem Taxifahrer eine Adresse nannte und sich anschließend zu mir auf die Rückbank setzte, wobei er meine Hand in seine nahm und unsere Finger ineinander verschränkte. Zögerlich lehnte ich meinen Kopf an Jareds Schulter, um zu schauen, ob das in Ordnung für ihn wäre. Als er merkte, was ich vorhatte, wurde er noch etwas entspannter, als zuvor und begann, kleine Kreise mit seinem Daumen auf meinen Handrücken zu malen.
Da ich in dem Moment zum ersten Mal seit Langem wieder das Gefühl hatte, mich wirklich entspannen zu können, schloss ich meine Augen und genoss einfach den Moment.
Irgendwie gibt es echt viele Special Kapitel in letzter Zeit :D Das hier ist übrigens ein Ich-Liege-Mit-Fieber-In-Bett-Und-Bin-Motiviert-Zu-Schreiben-Weil-Ich-Eh-Nichts-Zu-Tun-Hab-Kapitel.
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Don't You See?
Novela JuvenilAverys erstes Jahr am College hat begonnen. Während sich ihre Kommilitonen mit den üblichen Problemen eines Studienanfängers rumschlagen, hat sie ganz andere Sorgen: Logan. Seit zwei Jahren sind die beiden ein Paar, aber plötzlich verändert er sich...