Kapitel 5

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Seit einer gefühlten Ewigkeit schob ich meine Nudeln nun schon auf meinem Teller hin und her, um dem angespannten Schweigen an unserem Tisch irgendwie zu entgehen, während Logan Jared immer wieder bedrohliche Blicke zuwarf. Es war unmissverständlich, dass er Jared nicht hier haben wollte, doch diesen schien das nicht im Geringsten zu stören, denn Jareds Blick ruhte die ganze Zeit über auf mir, was mich noch viel nervöser machte.

»Und ihr beide kennt euch bereits?«, fragte ich schließlich, als die Anspannung drohte mich zu erdrücken. Zum einen schwirrte diese Frage schon seit dem Gespräch auf dem Flur in meinem Kopf herum und zum anderen fiel mir bis auf das Wetter kein Thema ein, über das wir uns sonst unterhalten konnten.
Sofort schossen ihre Köpfe in meine Richtung. Logan sah mich kurz mit einem undefinierbaren Blick an, wandte sich dann aber auch direkt wieder von mir ab. Und Jared? Der biss noch einmal genüsslich in seinen Burger. Leise seufzte ich und spießte zwei Nudeln auf meine Gabel auf.

»Ja, aber nur flüchtig«, antwortete Logan ausweichend.
Jared nickte daraufhin leicht. So leicht, dass ich mir nicht sicher war, ob ich es mir vielleicht nur eingebildet hatte. Es schien auf jeden Fall nicht so, als wollte er irgendetwas zum Gespräch beitragen.
»Okay, aber wusstest du denn nicht, dass es am Samstag Jareds Party war?«
Bei meinen Worten hob Logan wieder seinen Blick und sah kurz zu Jared, bevor er sich wieder mir zuwandte.
»Ich wusste nicht, dass sie von diesem Jared war«, flüsterte er. Es schien, als wäre das Gespräch für ihn damit beendet, da er sich wieder wortlos seinem Essen widmete.
Was sollte denn das bedeuten? Wie viele Jareds kannte Logan denn - ohne, dass ich etwas von ihnen wusste? Und woran lag das Problem bei diesem Jared, den er allem Anschein nach nur flüchtig kannte?

»Ich muss dann mal weiter.« Jared stand mitsamt seinem Tablett auf und sah zu mir.
»Wir sehen uns.«
Ich blickte Jared nicht hinterher, als er wegging. Meine Aufmerksamkeit galt gänzlich Logan, der komplett in seinen Gedanken versunken zu sein schien, was mir irgendwie Angst machte.
»Alles in Ordnung, Logan?« Ich legte meine Hand auf seine und kreiste mit meinem Daumen über seinen Handrücken. Endlich sah er mich an, also redete ich schnell weiter.
»Natürlich. Ich war am Samstag nur etwas irritiert gewesen, Jared zu sehen und habe nicht damit gerechnet, dass ich ihm so schnell wieder begegnen würde.«
»Oh okay, das verstehe ich. Auch wenn ich nicht weiß, was ihr beide für ein Problem miteinander habt. Tut mir leid.«

Anstatt mir zu antworten, legte er seine Hand an meine Wange und sah mich einfach nur an. In seinen blauen Augen sah ich dieses Glitzern, in das ich mich damals verliebt hatte. Seine Hand wanderte zu meinem Nacken und er zog mich sanft zu sich hinüber, um seine Lippen schließlich auf meine zu legen. Der Kuss war sanfter als ich es jemals für möglich gehalten hätte, war aber im nächsten Moment auch schon wieder vorbei. Er war mir jedoch immer noch so nah, dass unsere Lippen nur wenige Millimeter voneinander entfernt waren.
»Wofür entschuldigst du dich?«
»Hätte ich gewusst, dass ihr nicht so gut aufeinander zu sprechen seid, hätte ich ihn auch wegschicken können.«
»Du konntest das doch gar nicht wissen, also brauchst du dich auch nicht zu entschuldigen.«
Mit diesen Worten schloss er die Lücke zwischen uns wieder.

Wie sehr ich dieses Gefühl vermisst hatte. Eine wohlige Wärme breitete sich in meinem ganzen Körper aus und meine Lippen kribbelten wie verrückt. Was machte Logan nur mit mir? Wir intensivierten unseren Kuss, als ich leicht meine Lippen öffnete, um seiner Zunge Einlass zu gewähren. Es war wie früher. Es war perfekt. Und es störte mich nicht im Geringsten, dass wir mitten in der Mensa saßen und es vielleicht nicht der passendste Ort für einen solchen Kuss war. Denn dieses Gefühl, dass alles in Ordnung kommen würde, sorgte dafür, dass ich mich unendlich frei fühlte.
Aber würde wirklich alles in Ordnung kommen? Könnte ich ihm alles, was er getan hatte verzeihen? Ich wollte es so sehr. Wir würden das schaffen. Vielleicht war das alles zwischen uns ja nur ein riesiges Missverständnis, das nun ein für alle mal aus der Welt geschafft worden war. Dieser Gedanke versetzte mich in eine Hochstimmung, wie ich sie lange nicht mehr empfunden hatte. Ich war ihm nicht egal.

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