Kapitel 23

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Jareds Wärme tat gut und am liebsten wäre ich ewig in seinen Armen geblieben, aber wir wussten ja alle, dass das einfach nicht ging. Er streichte mir immer wieder beruhigend mit seiner Hand über den Rücken und wartete einfach ab.
Als mir Sara in den Sinn kam, die jeden Moment wieder zurück kommen würde, löste ich mich widerwillig von ihm und trat einen Schritt zurück.

Meine eigene Schwäche war mir so peinlich, dass ich ihm einfach nicht in die Augen sehen konnte, weswegen ich auf seine Brust sah. Das T-Shirt, das er trug, war an der Stelle, auf der mein Kopf zuvor gelegen hatte, komplett durchnässt und hatte zwei schwarze Mascara Flecken.

"Jared ich - es tut mir so leid! Ich habe dein Shirt ruiniert.", schluchzte ich.

Er kam wieder auf mich zu und versuchte mich zu unterbrechen, aber ich hielt ihn davon ab, indem ich abwehrend meine Hand hob.

"Und ich weiß, ich hätte mich zusammen reißen sollen. Es tut mir leid, dass ich dir keine andere Wahl gelassen hab und ich dich fast schon gezwungen habe, für mich da zu sein. Aber glaub mir, ich hatte nicht geplant, vor dir zu weinen. Ich wollte dich niemals in diese Situation bringen und ich weiß es war dir unangenehm und..."

Weiter kam ich nicht, denn im nächsten Moment lagen Jareds Hände an meinen Wangen und seine weichen Lippen auf meinen. Ein warmer Schauer durchfuhr meinen Körper und mein Bauch begann aufgeregt zu kribbeln. Ich spürte, wie mein Herz immer schneller schlug und hatte Angst, es könnte mir aus der Brust springen.

Jetzt war ich noch verwirrter als zuvor. Warum reagierte er so? Und vor allem: Warum reagierte ich so?
Kein Kuss mit Logan hatte sich jemals so intensiv angefühlt, wie dieser. Leider war er jedoch so schnell vorbei, dass ich es vor Irritation nicht einmal schaffte den Kuss zu erwidern.

Er wirkte allerdings nicht enttäuscht von meiner Reaktion, sondern eher, als hätte er genau das erwartet.
Seine Hände ruhten jedoch immer noch an meinen Wangen und er sah mit seinen wunderschönen rehbraunen Augen in meine.

"Bitte, entschuldige dich niemals dafür, dass es dir nicht gut geht. Okay? Es war mir ganz und gar nicht unangenehm, dich in meinen Armen zu halten.", er flüsterte die Worte ganz leise, was seine Stimme noch etwas rauer klingen ließ, als sonst und der Auslöser für die Gänsehaut war, die sich auf meinem Körper bildete.

"Aber... Wie... Ich...", versuchte ich einen Satz zu beginnen, aber mein Verstand war so vernebelt, dass ich es einfach nicht schaffte Wörter aneinanderzureihen und ihnen einen Sinn  zu geben.

"Willst du mir vielleicht sagen, was los war?"

Dass er immer noch mit dieser rauen, warmen Stimme redete, machte es meinem Verstand wirklich nicht leichter, mich aufs Sprechen zu konzentrieren.
Auch wenn ich in dieser Situation Jared gerne einfach alles erzählt hätte, alles, was mich bedrückte: Ich konnte es einfach nicht. 

"Jared, ich kann n..."

Da hörte ich, wie ein Schlüssel in die Eingangstür gesteckt wurde und langsam umgedreht wurde. Mit wenigen Schritten hatte ich mich von Jared entfernt und begann, die Scherben der Teetassen aufzusammeln. 

"Sorry Leute, es hat etwas länger gedauert. Die Bäckerei war schon zu und dann musste ich zu einer anderen laufen, aber die war so viel weiter weg und dann hatten sie nicht das, was ich wollte und musste mich noch für was anderes entscheiden..."

Sara war wieder einmal voll in ihrem Element und hatte überhaupt nicht vor, jemals mit dem Reden aufzuhören. Ich hörte, wie sie ihre Schuhe abstreifte und wenige Sekunden später plötzlich stockte.

"Was ist denn hier passiert?", fragte sie geschockt.

Sie stellte eine große, braune Papiertüte auf dem Tisch ab und sah abwartend zwischen Jared und mir hin und her.
Jared wirkte, als sei er tief in Gedanken und bekäme überhaupt nicht mit, dass Sara wieder da war, weshalb Sara sich schließlich auf mich konzentrierte.

"Also...? Und... hast du geweint, Avery?" 

Jetzt ging sie in die Hocke, um auf Augenhöhe mit mir zu sein. Da ich vehement versuchte, ihrem Blick auszuweichen, fand ich die Scherben auf einmal noch viel interessanter als zuvor. Das ließ sie jedoch nicht durchgehen und drehte mein Gesicht zu ihrem.

"Verdammt, du hast geweint. Was ist los?"

"Ich.. ähm."
Da fiel mein Blick auf meine Hose und ich versuchte nicht allzu erleichtert auszuatmen.

"Ich hatte den Tee gerade frisch gekocht, als mir die Tassen runtergefallen sind und habe mir dabei die Beine komplett verbrüht."

Das reichte ihr vollkommen als Antwort. Sie wandte ihren Kopf dann aber Jared zu und fuhr ihn vorwurfsvoll an:

"Und was ist mit dir? Avery verbrüht ihre Beine und du kannst ihr nicht einmal helfen, die Scherben aufzusammeln oder ihr 'ne Brandsalbe raussuchen?"

"Jared trifft keine Schuld... Er hat das ja gar nicht mitbekommen.", versuchte ich ihn vor Sara zu verteidigen.

"Wie auch immer. Mach die Scherben weg Jared, ich gehe mit Avery ins Bad, um was für ihre Beine zu suchen."

Ich warf Jared noch einen entschuldigenden Blick zu und folgte Sara dann ins Badezimmer.

"Hier müsste doch irgendwo... Ah, da!"

Sie holte eine Cremetube aus einem weißen Schrank und wandte sich dann mir zu. 

"Am besten ziehst du schon einmal deine Jeans aus und cremst deine Beine ein, ich hole dir eine kurze Stoffhose, das dürfte später nicht so wehtun, wie die andere Hose."

Ich nickte langsam und sie drückte mir die Brandsalbe in die Hand. Langsam versuchte ich die Hose abzustreifen, was jedoch nicht so leicht ging, da sie leicht in meine Wunden eingetrocknet war. 
Ich versuchte, meine Zähne zusammenzubeißen und möglichst keine schmerzerfüllten Laute von mir zu geben, da ich kein Mitleid von den beiden haben wollte.

Ab und an konnte ich es jedoch nicht zurückhalten, presste mir dann aber meine eine Hand auf den Mund, um die Laute zu ersticken.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der Sara immer noch nicht zurückgekehrt war, hatte ich es tatsächlich geschafft, mich - wortwörtlich - aus der Hose zu schälen und blickte entsetzt auf meine Beine.
Es war schlimme als ich dachte. Meine Oberschenkel waren knallrot, als hätte ich tagelang in der Sonne gelegen und stellenweise hatten sich Brandblasen gebildet. Angewidert verzog ich das Gesicht und wandte den Blick schnell ab. Dann griff ich nach der Brandsalbe, presste eine walnussgroße Kugel davon auf meine Hand und begann langsam die Verbrühung einzucremen.

Tatsächlich war das noch viel schlimmer, als die Hose auszuziehen, denn durch die Creme brannten meine Beine noch viel stärker, als ohnehin schon. Diesmal schaffte ich es jedoch, die Schmerzen lautlos hinzunehmen. Das Einzige, was ich nicht zurückhalten konnte, waren meine Tränen - was aber wenigstens besser war, als die ganze Wohnung zusammenzuschreien.

"Ich hoffe die passt... Ach du.. Aua, ich kann gar nicht hingucken!" 

"Ach, halb so wild.", versuchte ich die Wunden zu verharmlosen.

"Halb so wild?" Sara reichte mir die Hose und ich zog sie an.
"Wie hast du es bitte damit geschafft, nicht vor Schmerz aufzuschreien?", kreischte sie. "Ich wäre bestimmt ohnmächtig geworden oder so."

Vielleicht würde sie die Situation anders sehen, wenn sie wüsste, dass ich mich mit Schmerzen mittlerweile gut auskannte. 

"Danke für die Hose. Ich gebe sie dir sofort zurück, wenn ich sie nicht mehr brauche."

"Kein Problem, lass dir Z..."

"Fuck, Avery!"

Plötzlich stand Jared mit weit aufgerissenen Augen in der Tür und starrte auf meine Beine.


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