Kapitel 17

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Sanft drückte ich meine Lippen auf Sams Stirn und zog seine Bettdecke noch ein Stück höher. Als wir aus dem Kino gekommen sind, war er so müde, dass er fast sofort nachdem ich die Schlafcouch für ihn vorbereitet hatte, eingeschlafen ist. 
Auch für mich war der Tag mehr als anstrengend. 

Erst die Auseinandersetzung mit Logan, dann taucht plötzlich meine Mutter bei mir zu Hause auf und lässt Sam hier. Anschließend waren wir den ganzen Tag unterwegs gewesen - und dann war da noch dieser Moment mit Jared. Wir haben uns beinahe geküsst und es hatte sich so richtig angefühlt, es zu tun.

"Schatz? Möchtest du einen Tee?"
Logans Stimme war nur ein Flüstern - er wollte Sam wahrscheinlich nicht aufwecken - und sofort strömte eine angenehme Wärme durch meinen Körper. 
Ich drehte mich um und sah ihn im Türrahmen stehen. Zögerlich lächelte er mich an, als sei er sich nicht sicher, ob er mich anlächeln durfte. 
Vorsichtig lächelte ich zurück.

Den ganzen Tag über konnte ich beobachten, wie süß er mit Sam umging. Er musste ihn wirklich ins Herz geschlossen haben. Sam ging es wahrscheinlich nicht anders, denn so glücklich, wie er heute war, habe ich ihn lange nicht mehr erlebt.

Hatte ich vielleicht wirklich ein falsches Bild von Logan? War es vielleicht wirklich meine Schuld, dass es zwischen uns so lief, wie es nun einmal lief? War ich das eigentliche Problem in unserer Beziehung? Immerhin war ich ja diejenige, die beinahe jemand anderen geküsst hätte, nicht Logan. 
Verdammt, ich bin so eine Idiotin.

Entschlossen stand ich auf und lief zu Logan, der sich immer noch an den Türrahmen anlehnte und mich mit seinem warmen Blick ansah. 
Einen Augenblick später war ich bei ihm angekommen und legte meine Arme um seine Taille, während ich mein Gesicht an seine Brust legte. Er war sichtlich überrascht, von meiner Umarmung und es dauerte wenige Sekunden, bis er die Umarmung erwiderte. 

"Logan, es tut mir so leid. Ich war unmöglich zu dir. Bitte, kann nicht einfach alles wieder so sein wie früher?"
Er antwortete nicht, sondern zog mich noch etwas fester an sich.  

"I-ich... Logan..." 
Ich wollte noch etwas sagen, aber es kamen einfach keine Worte heraus. Sanft legte Logan seine Hand unter mein Kinn und drückte meinen Kopf leicht nach oben, sodass ich ihn ansehen musste.
Dann hob er seine andere Hand und strich mir behutsam meine Tränen weg, die sich - ohne, dass ich es gemerkt hatte - ihren Weg gebahnt hatten.

"Hey Süße, nicht weinen."
Sein Gesichtsausdruck war gequält. Er wollte nicht, dass ich traurig war. Und diese Tatsache machte mich so unendlich glücklich.
Er war immer noch der alte Logan.

Vorsichtig lächelte ich in seine Richtung. Dann hob er mich hoch und trug mich in Richtung Schlafzimmer, um mich dort in mein Bett zu leben. Danach beugte er sich zu mir runter, gab mir einen zärtlichen Kuss auf den Mund und verharrte dann noch einige Sekunden lang mit seiner Stirn an meiner.

"Ich bin gleich wieder da.", flüsterte er und verließ widerwillig das Zimmer. 

Schnell zog ich meine Schlafsachen an und kuschelte mich daraufhin erleichtert in meine Bettdecke ein. Wie konnte ein Tag so schrecklich beginnen und so wundervoll enden?
Das letzte, was ich mitbekam bevor ich einschlief, waren zwei starke Arme, die mich an einen warmen, muskulösen Körper zogen.

***

Die Türklingel ließ mich aus dem Schlaf hochschrecken. Wer klingelte denn so früh am Morgen? Instinktiv griff ich nach meinem nicht vorhandenen Handy, um dann wieder zu realisieren, dass ich mir wirklich mal ein neues kaufen sollte. 
Stöhnend schlug ich die Bettdecke zurück und stand auf. Mit der Geschwindigkeit eines Zombies schlenderte ich dann zur Tür und öffnete diese. Sofort sprang mir jemand entgegen und umarmte mich stürmisch.

Ich war zu irritiert, um mich irgendwie zu regen, also stand ich einfach wie eine Salzsäule da.

"Verdammt Avery, wo warst du die letzten Tage? Nachdem du vor zwei Tagen bei mir warst, warst du plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Bei deinem Handy geht ständig nur die Mailbox an und in der Uni warst du auch die ganze Woche nicht."

"Sara... Luft!"

"Oh sorry."
Entschuldigend lächelte sie mich an und löste sich schließlich von mir.

"Aber jetzt mal ernsthaft, Avery. Wo warst du? Wir haben uns Sorgen gemacht!"

Wir? 

"Ich- ähm... mein kleiner Bruder ist zu Besuch und wir haben Ausflüge gemacht."

"Und dein Handy?"

"Ach das, das ist mir runtergefallen und kaputt gegangen. Ich werde mir demnächst ein Neues kaufen müssen."

Sara wirkte zufrieden mit meiner Antwort und grinste mich an.

"Willst du nicht zufällig fragen, wie es mit Jared und mir läuft?", fragte sie aufgeregt.

Da sie sowieso direkt weiterreden würde, machte ich mir keine Mühe zu antworten. Tatsächlich wollte ich auch keine genaueren Infos aus ihrem Liebesleben mit Jared haben. Sie redete jedoch nicht weiter, sondern sah mich nur mit leuchtenden Augen erwartend an.
Innerlich seufzte ich auf.

"Und, wie läuft es mit Jared und dir?"

Glücklich quiekte Sara auf.

"Schön, dass du fragst! Avery, es könnte echt nicht besser laufen! Ich wusste doch von Anfang an, dass wir füreinander bestimmt sind. Habe ich's dir nicht direkt gesagt? Ich wusste es. Vor allem, als er am späten Dienstagabend plötzlich wieder vor meiner Tür stand und wäre er nicht so angetrunken gewesen, wär da bestimmt noch mehr gelaufen als heftiges Rummachen..."

Dienstagabend? Das war vor zwei Tagen, als wir im Kino waren. Als Jared und ich uns fast geküsst hätten. 
Er ist danach zu Sara gegangen und war angetrunken? Warum? Und er machte direkt mit ihr rum, nachdem es mit mir kurz vorher nicht geklappt hatte?
Dieser Gedanke versetzte mir einen Stich ins Herz. Kurz hatte ich gedacht, ich würde ihm vielleicht mehr bedeuten. Aber allem Anschein nach war ich für ihn austauschbar.

Sofort spürte, wie sich mein schlechtes Gewissen anschleichte. Verdammt, ich hatte doch Logan. Es war nicht richtig von mir, so von Jared zu denken. 

Am besten wäre es wahrscheinlich, wenn ich ihm wieder so gut wie möglich aus dem Weg gehen würde.

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