Kapitel 13

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Mein Mund wurde auf einmal ganz trocken und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Wahrscheinlich hätte ich - auch wenn ich es gewusst hätte - sowieso keinen einzigen Ton herausbekommen. Es wäre mehr als untertrieben zu sagen, ich sei überrascht gewesen. 
Dachte Logan wirklich, es wäre so einfach alles wieder gerade zu biegen? Indem er mir Frühstück macht und Blumen kauft? Dazu noch diese einfallslose Entschuldigung, die ich schon öfter aus seinem Mund gehört habe.

Ich wollte natürlich auch, dass zwischen uns alles gut werden würde, aber momentan fühlte ich nur eine einzige Sache, wenn ich Logan ansah: Angst.  
Es war zu früh, sich zu entschuldigen. Der Vorfall war noch keine drei Stunden her und jetzt stand er in meiner Wohnung und bat mich um Vergebung. Als sei er sich sicher, ich würde ihm vergeben. Schon wieder.

"Logan, ich glaube es wäre besser, wenn du gehst."
Ich sprach mit ruhiger Stimme, obwohl ich am gesamten Körper zitterte. 
"Ich brauche erst einmal etwas zeit um nachzudenken."

Logans Kiefer spannte sich für eine Millisekunde an, entspannte sich jedoch sogleich wieder. Er sah kurz die Blumen in seiner Hand an und blickte dann wieder zu mir. Anschließend trat er einen Schritt näher an mich heran. 
"Schatz, ich verstehe, dass du... verwirrt bist. Aber findest du nicht das ist lächerlich, wie du dich anstellst? Es ist doch nichts Schlimmes passiert und ich habe mich immerhin aufrichtig entschuldigt."

Ein leises Kichern entfuhr meiner Kehle, das ich sofort wieder bereute.
"Was ist denn so witzig?"
Logan näherte sich mir ein weiteres Stück. In seiner Stimme schwang ein bedrohlicher Unterton mit, den ein Außenstehender wahrscheinlich überhaupt nicht wahrgenommen hätte. Aber ich kannte Logan einfach schon zu lange, um ihn nicht zu bemerken.
"Ist dir überhaupt klar, was du getan hast?"
Irgendwo tief in seinem Inneren musste er doch einsehen, dass es nicht okay war, was er tat. Er antwortete jedoch nicht auf meine Frage, sondern zog nur abwartend eine Augenbraue in die Höhe.

Leise seufzte ich und deutete ihm an, mir zu folgen, bevor ich ins Badezimmer ging und mich vor den Spiegel stellte. Mein Gesicht sah tatsächlich weniger schlimm aus, als ich gedacht hatte, aber trotzdem zierten einige blaue Flecken meinen Wangen- und Kinnbereich, die zwar eher blass und unscheinbar wirkten, aber einem bei genauerem Hinsehen doch auffielen.
Mein linkes Auge hatte es da schon schlimmer erwischt. Es war leicht geschwollen und leuchtete in einem kräftigeren Blau. 

Nervös schluckte ich, als Logan sich endlich hinter mich stellte.
Wortlos deutete ich auf mein Gesicht und sah ihm durch den Spiegel direkt in die Augen. 
"Ist das nichts Schlimmes?"
Ich versuchte in seinen Augen etwas wie Reue zu finden. Oder Schuldbewusstsein. Aber das war nichts. Tief atmete ich einmal durch, schloss für einen Moment meine Augen und drehte mich anschließend zu ihm um.

Einige Sekunden lang sahen wir uns einfach nur an, dann griff ich nach dem Saum meines Shirts und zog es mir über den Kopf, sodass ich nur noch im BH vor ihm stand. Sofort sah ich ein Lodern in seinen Augen, was mich in dem Moment einfach nur angewidert hatte.
Ich wollte einfach nur, dass er verstand. 

"Sieh' es dir an Logan. Dein Werk." 
Demonstrativ hielt ich meine Arme in seine Richtung. Sie waren übersät mit blauen Flecken, von denen viele aber schon dabei waren zu verblassen und eher gelblich wirkten. Auch auf meinem restlichen Oberkörper waren einige zu finden. An meinen Oberarmen waren die Verletzungen jedoch noch frisch von vorher gewesen und somit konnte man noch deutlich sehen, wo seine Hände mich festgehalten hatten. 

"Avery, das kann doch nicht dein Ernst sein. Bitte sag mir, dass du das jetzt nicht ernst meinst."
Er machte eine dramatische Pause, um das Gesagte zu unterstützen und - wie ich vermutete - damit ich Zeit hatte, zu erkennen, dass meine Anschuldigungen nicht gerechtfertigt seien. Als ich jedoch keinerlei Reaktion zeigte, sprach er weiter.

"Du siehst doch selbst, die meisten Flecken sind schon verblasst. Warum stört es dich jetzt auf einmal? Und die Verletzungen in deinem Gesicht sind auch kaum zu sehen, also kannst du mir nicht erzählen, dass es super schlimm sei. Bei den Oberarmen hätte ich vielleicht nicht ganz so fest zudrücken sollen, aber auch die werden in spätestens einer Woche nicht mehr zu sehen sein. Obwohl du schon zugeben musst, dass du mich einfach provoziert hast und diese Verletzung eigentlich deine Schuld ist. Eigentlich, bist du für alles, was heute passiert ist, verantwortlich."

Seine Worte machten mich fassungslos. Ein Strom aus Emotionen durchfloss meinen Körper. Ich wollte weinen, schreien, um mich schlagen. Aber letztendlich fing ich nur hysterisch an zu lachen. Mein Lachen wurde immer lauter und verzweifelter und meine Augen füllten sich mit Tränen, sodass ich bald alles nur noch verschwommen sah und erschöpft auf den Boden sank.  

Ich saß einfach nur da und weinte. Ich konnte nicht anders, ich wusste nicht weiter. Nach einigen Minuten in denen er mich einfach nur angestarrt hatte, kniete sich Logan direkt neben mich und legte mir eine Hand auf den Rücken. Dann kam er mit seinem Mund ganz nah an mein Ohr und flüsterte:

"Ich wollte doch nur, dass alles wieder gut wird und wollte mich deswegen entschuldigen, auch wenn ich weiß, dass ich nicht das Problem bin. Aber ich wusste, dass du zu stur sein würdest, um es einzusehen, darum wollte ich die Schuld auf mich nehmen. Außerdem bin ich nicht der einzige, der handgreiflich geworden ist."
Erstaunt sah in auf und blickte irritiert in seine Augen.

"Sieh es dir an." 
Er zeigte auf seinen Hals, auf dem drei lange Kratzspuren zu sehen waren, die wahrscheinlich geblutet hatten. Tatsächlich, ich hatte ihm diese Verletzung zugefügt. Aber es war doch Selbstverteidigung gewesen. Sah er das denn nicht ein? Ich habe das doch nicht aus Spaß gemacht.
Trotz all meiner Verzweiflung und Wut, tat es mir Leid, ihn verletzt zu haben. Habe ich wirklich überregiert? Vielleicht war ja wirklich ich das Problem.

Ich bin das Problem.

Diese Worte nisteten sich - ohne es zu wollen - in meinem Kopf ein.

Ich bin das Problem.

Vielleicht hatte er Recht und ich sollte mich auch entschuldigen. Es gehörten doch immer zwei dazu, oder? Also fasste ich meinen Entschluss.

"Vielleicht hast du ja Recht, es tut mir wirklich leid, Logan. Ich wollte dich nie verletzen."
Jedoch bereute ich meine Wort direkt wieder, als ich Logans triumphierenden Gesichtsausdruck sah. Er hatte gewonnen. 

Schon wieder.


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