Kapitel 49

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Irgendwann hatte ich aufgehört, die Drinks zu zählen. Finn selbst trank nur wenige mit, aber er hinderte mich nicht daran, mich zu betrinken.
Bald spürte ich die berauschende Wirkung des Alkohols in jeder Faser meines Körpers und vergaß beinahe, dass Logan auch hier war.
Ich habe Finn nie erzählt, was zwischen Logan und mir vorgefallen ist oder auch nur, dass Logan überhaupt existiert, weswegen er keine Ahnung hatte, warum ich die vielen Tequilashots nur so in mich reinschüttete.
Als ich beschlossen hatte, dass es dann doch genug Drinks waren, griff ich nach Finns T-Shirt und zog ihn mit mir auf die Tanzfläche. Auf dem Weg dorthin merkte ich bereits, dass es mir äußerst schwer fiel zu laufen, ohne dabei ins Straucheln zu geraten. Glücklicherweise ließ ich Finn auf dem gesamten Weg nicht los, wodurch ich verhindern konnte, dass ich hinfiel.

Sobald wir uns auf der Tanzfläche befanden legte Finn seine Arme um meine Taille, wobei seine Hände gefährlich nah an meinem Hintern lagen. Ich sagte nichts, sondern schlang meine Arme um seinen Nacken. In dieser Position tanzten wir einige Zeit, auch wenn unser langsames Hin- und Herschwanken überhaupt nicht zu den Songs passte, die aus den Boxen dröhnten. Zu einer schnelleren Bewegung war ich in dem Moment aber einfach nicht in der Lage gewesen, da ich nicht wusste, ob ich mich dann - vor allem ohne Finns Halt - noch alleine auf den Beinen halten könnte.
Ich spürte, wie Finns Hände langsam weiter nach unten fuhren und schließlich auf meinem Hintern landeten, wo er sie liegen ließ. Erschrocken hielt ich die Luft an.
"Finn ich...", setzte ich gerade an, als ich eine andere, mir nur allzu bekannte Stimme, sprechen hörte.

"Hey, lass die Finger von meiner Freundin!"
Sofort versteifte ich mich. Die Stimme klang kalt und war fast schon ein Zischen.
Logan stellte sich direkt neben Finn, der mittlerweile registriert hatte, dass er gemeint war und ließ unsicher von mir ab.
"Ich wusste gar nicht, dass du einen Freund hast.", sagte Finn kleinlaut. Irgendwie machte mich Finns Tonlage wütend. Sonst wirkte er immer selbstsicher und so, als wäre ihm alles egal. Und dann stand er hier und piepste vor sich hin.
"Wir sind nicht zusammen.", antwortete ich. Ich war selbst erstaunt, dass ich die Worte nicht lallte und wie ruhig und fest meine Stimme klang, obwohl ich am ganzen Körper zitterte.
"Wow Avery, dass du noch alleine aufrecht stehen kannst.", merkte Logan an.
Okay, vielleicht lallte ich doch.
"Aber nein, wir sind nicht zusammen, das stimmt. Aber wir sind gute Freunde.", fügte er hinzu.
Freunde. Ich wiederholte das Wort ein paar Mal in meinem Kopf. Wir waren bestimmt keine Freunde. Was hatte er vor, dass er ständig diese Sachen behauptete?
"Wir sind auch keine Freunde.", stellte ich klar.
Langsam fand auch Finn seine Stimme wieder und fragte: "Avery, wer ist der Typ?"
Logan begann zu grinsen und genau dieses Grinsen löste in mir einen unaufhaltbaren Fluchtinstinkt aus. Warum grinste er denn jetzt so blöd?
Ich zog mit meiner zittrigen Hand an Finns Ärmel und flüsterte: "Lass uns verschwinden."
Da beugte sich Logan nach vorne und flüsterte Finn etwas ins Ohr, woraufhin dieser vor Schreck die Augen weitete und stürmisch nickte.
"I-ich glaub ich h-hole noch was zu t-trinken.", stotterte Finn und war im nächsten Moment verschwunden. Sofort kam ich ins Straucheln, da Finn als meine Stütze nun nicht mehr da war.
Bevor ich fiel streckte Logan jedoch seine Arme nach mir aus und fing mich auf.
"Vielleicht kannst du doch nicht mehr alleine aufrecht stehen.", sagte Logan schmunzelnd.
Als ich Logans Berührung spürte, fühlte sich meine Haut an der Stelle an, als hätte sie Feuer gefangen. Sofort kamen alle Erinnerungen wieder hoch, denn ich wusste genau, wozu diese Hände fähig waren. Mein Atem wurde unregelmäßig und ich versuchte, Logan von mir wegzudrücken. Es war eine Sache, dass ich ihn sah und er mit mir redete, aber dass er mich berührte war zu viel.
"Lass mich los.", wollte ich mit fester Stimme sagen, bekam jedoch nur ein leises Wimmern heraus. Ich spürte, wie meine Augen wässrig wurden, während ich versuchte, meine Atmung unter Kontrolle zu bringen.
"Lass mich sofort los!", sagte ich noch einmal, diesmal etwas lauter, aber nicht weniger wimmernd.
"Ich weiß ja nicht, ob du alleine...", setzte er an, aber ich unterbrach ihn sofort. Seufzend löste er jedoch tatsächlich seine Hand von meiner Taille und ich schaffte es mit Mühe einen relativ festen Stand zu finden.
"Was willst du von mir?", fragte ich ihn, nachdem ich mir sicher war, dass ich mittlerweile mehr als ein Piepsen herausbringen würde.
"Ich wollte dich sehen. Hör mal, es tut mir..."
Plötzlich begann sich alles um mich herum zu drehen. Panisch schnappte ich nach Luft, weil ich das Gefühl hatte, meine Brust würde sich zuschnüren.
"Es tut dir leid? Wieder?", fragte ich entsetzt.
"Ich habe einen Fehler gemacht und verspreche dir, dass es nie..."
In dem Moment konnte ich meine Tränen nicht mehr weiter zurückhalten. "Ist dir überhaupt klar, was du mit mir angestellt hast? Was du mir angetan hast? Du hast die Person erschaffen, die ich jetzt bin!"
Er machte Anstalten, seine Hand nach mir auszustrecken, doch ich schlug sie sofort weg.
"Fass. Mich. Nicht. An." Ich wollte bedrohlich klingen, aber mir war klar, dass es beim Weinen nicht wirklich überzeugend klingen konnte.
"Avery...", sagte er mit beruhigender Stimme und legte seinen Kopf leicht schief, um mich mit genau so einem gequälten Gesichtsausdruck anzusehen, der mich schon unzählige Male dazu bewegt hatte, ihm zu verzeihen.
"Es ist vorbei, Logan. Das war es schon lange."
Ich bekam das Zittern in meiner Stimme nicht unter Kontrolle, aber trotzdem klangen meine Worte endgültig und ich hoffte, er würde diesmal auf mich hören.

Mit einem kleinen Schritt trat Logan auf mich zu und schloss die Lücke zwischen unseren Körpern. In dem Moment kam die Angst wieder. Die Angst, die ich jedes Mal hatte, wenn er auf mich losgegangen war. Die Todesangst, die ich bei unserer letzten Begegnung gespürt hatte.
Dann legte er seine Hände an meine Wangen und sagte: "Sag das nicht, Avy. Wir gehören zusammen, das war schon immer so."
Mit diesen Worten legte er seine Lippen auf meine.

Heute kommt noch ein Super-Special-Zusatzkapitel, also müsst ihr diesen Cut nicht so lange aushalten :D

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