Kapitel 20

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"Wie kommen Sie denn jetzt auf 'Hoffman'?"

Ich versuchte nicht allzu irritiert zu wirken, dass er Logan allem Anschein nach irgendwoher kannte und entschied mich dazu, dass es besser wäre, ihm nicht zu sagen, dass dieser Logan wirklich mein Logan war.
Wenn er Logan nämlich kannte, wie viel wusste er über ihn?

"Ähm, tut mir leid, das ist mir nur so rausgeplatzt, am besten fahren wir mir unserem Gespräch fort. Und du kannst mich wirklich gerne duzen, Avery. Ich möchte nämlich gerne eine freundschaftliche Beziehung zu meinen Patienten aufbauen, denn die meisten fühlen sich so wohler, jemandem - eigentlich Fremdes - von ihren Problemen zu erzählen."

Liam wirkte sichtlich nervös, das er nach Logans Namen gefragt hatte. Durfte er mir vielleicht nichts darüber sagen, warum er Logan kannte? Aber warum das? 
Da dämmerte es mir.

Logan war wahrscheinlich auch ein Patient von Dr. Jenkins - und das durfte mir dieser natürlich nicht erzählen.
Irgendwie musste ich herausfinden, weswegen Logan hier in Behandlung war. 
Gerade, als ich Liam eine weitere Frage stellen wollte, fing sein Timer an zu piepen und signalisierte somit das Ende der Sitzung.

"So Avery, dann sehen wir uns in wenigen Tagen wieder? Am besten schreibst du mir, wann es für dich zeitlich passt und dann einigen wir uns auf einen Termin."

Ich bedankte mich bei ihm und stand auf, um zu gehen, als er mich noch einmal zurückhielt.

"Ich möchte dir noch gerne meine Handynummer geben. Wenn irgendetwas ist kannst du mich immer kontaktieren. Egal wie unwichtig es dir scheint, darüber zu reden. Mir ist es nämlich wichtig, dass du dich bald besser fühlst und deine Alpträume weniger werden."

Er reichte mir eine Visitenkarte mit seiner Nummer und ich speicherte sie direkt in meinem Handy unter 'Liam' ab.

Als ich die Praxis verließ, fühlte ich mich so frei, wie schon lange nicht mehr. Ich spürte einfach, dass es das Richtige war, mich endlich jemandem anvertrauen zu wollen. Auch wenn ich nicht vorhatte, ihm von Logans Wutausbrüchen zu erzählen.
Aber die waren ja sowieso Vergangenheit. Das würde nicht mehr passieren.

"Avery?"

Erstaunt drehte ich mich in die Richtung, aus der die Stimme kam und erblickte Sara, die gerade beim Joggen war.

"Was machst du denn hier in der Gegend? Du wohnst doch am anderen Ende der Stadt?", fragte sie, während sie ihre Kopfhörer aus den Ohren nahm und neben mir auf der Stelle weiter joggte.

"Ich musste... Erledigungen machen."

"Ah." 
Wissend nickte sie, wirkte aber nicht allzu interessiert.

"Hast du Lust mit zu mir zu kommen? Wir haben jetzt schon seit bestimmt zwei Wochen keine Zeit außerhalb der Uni miteinander verbracht."

Begeistert nickte ich, was sie mit einem herzlichen Lächeln quittierte. 

"Dann los!", rief sie mir zu, als sie bereits einige Meter weiter gejoggt war.
Sie wollte wirklich, dass ich jetzt mit ihr die restliche Strecke zu ihr nach Hause joggte? Seufzend blickte ich auf meine enge Jeans. 

***

"Also, Avery? Wie läuft's so bei dir? Und vor allem mit Logan?"
Abwartend wackelte sie mit den Augenbrauen, während sie Kaffee kochte.

"Es könnte überhaupt nicht besser laufen! Wir sind so glücklich, wie schon lange nicht mehr."

"Das freut mich zu hören."

Sie schenkte uns beiden Kaffee in die Tassen, die sie zuvor aus dem Regal geholt hatte und setzte sich anschließend mir gegenüber an den Tisch. Dabei war sie ganz hibbelig, als würde sie gleich platzen.

"Du willst bestimmt wissen, wie es bei mir und Jared läuft, oder?"

Und da war er wieder. Für wenige Momente hatte er es mal nicht geschafft, meine Gedanken zu dominieren und mit einem Mal war er wieder zurück. Aber wie konnte ich auch erwarten, dass Sara nicht über ihn reden wollen würde, denn er war ja anscheinend ihr Lieblingsthema Nummer 1.
Es wäre eine Lüge, wenn ich behaupten würde, es tat mir nicht weh, wie es zwischen Jared und mir im Moment war. Klar, wir waren nie die besten Freunde gewesen und kannten uns auch erst seit etwas mehr als zwei Monaten, aber ich vermisste ihn. 
Und damit meinte ich nicht den Jared, der sich einen Dreck um mich scherte, sondern den anderen Jared. Den, der mich zum Lachen bringen konnte; der mich von dieser schrecklichen Party geholt hatte. 
Und den, der mich küssen wollte.  

"Klar, auf jeden Fall, erzähl schon."
Ich versuchte so aufgeregt über ihre Neuigkeiten zu klingen, wie es sich eben für eine gute Freundin gehörte, aber das gelang mir nur teilweise. Natürlich interessierte es Sara sowieso nicht, wie es mir ging und redete direkt drauf los.

"Wir sind ein Paar!", platzte es aus hier heraus, gefolgt von wildem Gekreische und überschwänglichen Bewegungen, die ihren Kaffee etwas überschwappen ließen.

"Wow, freut mich für euch."
Ich setzte ein Lächeln auf. "Wie lange denn schon?"

"Vor etwa einer Woche war er bei mir, du weißt wegen dem Projekt - du musst übrigens endlich etwas einreichen - und wir haben ein bisschen am Layout unserer Zeitschrift gearbeitet und plötzlich beugt er sich zu mir rüber und küsst mich. Nicht, dass wir das nicht schon vorher unzählige Male getan hätten, aber ich spürte, das es diesmal anders war. Irgendwie intensiver als vorher. Und dann hat er mich einfach gefragt. Ich war natürlich total aufgeregt und überglücklich und dann haben wir rumgemacht und ..."

"Ok, danke Sara. So viele Details brauche ich dann auch wieder nicht."

"Sorry, ich bin nur immer noch so aufgeregt, Avery. Es ist einfach noch so frisch und ich weiß irgendwie, dass er der Richtige ist."

Es tat mir aus irgendeinem Grund weh, Sara so etwas sagen zu hören. Ich spürte, dass ich eifersüchtig wurde, aber verbat es mir sogleich wieder. Wie konnte ich schon wieder eifersüchtig auf Sara sein? Ich hatte doch Logan und es lief gut. Er liebte mich und ich liebte ihn. Oder etwa nicht? 
Ich schüttelte schnell den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden. So etwas durfte ich nicht denken.

"Alles okay bei dir? Du wirkst so blass."

"Ja, alles ok. Vielleicht sollte ich lieber gehen."

"Ach was, bleib doch noch ein bisschen, wir haben so lange nicht mehr richtig miteinander gequatscht."

In diesem Moment klingelte es und ich bereute es direkt, nicht schon eher gegangen zu sein. Denn ich hatte so eine Ahnung, wer da gerade vor der Tür stand.

"Achja, wenn man vom Teufel spricht. Aber dann können wir ja auch endlich mal zu dritt zusammen sitzen und reden.", sagte Sara, während sie sich fast schon hüpfend zur Tür bewegte.

Wie konnte sie nicht merken, dass sie Situation zwischen Jared und mir mehr als angespannt war? Wir waren beide nicht unbedingt auf Kaffeeklatsch miteinander scharf.

"Hey, Jared!", säuselte Sara und warf sich Jared an den Hals.


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