Epilog

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Logan

"So Logan, nächste Woche dann wieder um dieselbe Zeit?"
Liam lächelte mich fragend an.
Ich bestätigte den Termin und verließ das Büro.
Es war alles so viel einfacher als vorher. Ich konnte viel offener mit Liam über meine Gedanken und Probleme reden, als vorher. Und das alles hatte ich nur Jared zu verdanken.

Vorher hatte ich alleine gekämpft. Alleine und ziellos. Aber jetzt, wo ich wusste, dass ich Jared an meiner Seite hatte, der mich unterstützte, hat alles einen Sinn bekommen. Ich strengte mich wirklich an, die Therapie erfolgreich weiterzuführen. Selbst Liam war aufgefallen, dass ich verändert war. Ich habe ihm erzählt, dass Jared und ich auf dem Weg waren, wieder richtige Brüder zu werden, weswegen er sehr erleichtert war.

Trotz allem hatte ich meine Wut noch immer nicht unter Kontrolle und ich fürchtete mich davor, dass ich wieder jemanden verletzen könnte, der mir etwas bedeutete. Dass ich niemals ein normales Leben führen können würde, mit all der Wut, die nun einmal ein Teil von mir war und wahrscheinlich auch immer ein Teil von mir sein würde. 
Noch immer gab es Momente, in denen ich an die Person denken musste, die mein ganzes Leben zerstört hatte und all die schlechten Seiten an mir zum Vorschein brachte.
Gab es überhaupt gute Seiten an mir?

Jared hatte recht, als er damals sagte, ich sei ein Monster geworden. Dass ich nicht besser sei als unser Vater. So wie ich Jared kenne, würde er diese Worte sofort zurücknehmen, wenn ich ihn noch einmal darauf ansprechen würde, aber ich wusste, dass das eine Lüge sein würde.

Ich war ein Monster und eine Gefahr für jeden, der sich mit mir umgab. Ich durfte einfach nicht mehr zulassen, dass sich jemand in diese Gefahr begab. Alleine der Gedanke, ich könnte jemals wieder jemanden so verletzen, wie ich Avery verletzt hatte, schnürte mir die Kehle zu.
Ich würde nicht zulassen, dass das wieder passierte.

Ich betrat das Wartezimmer, um zur Rezeption zu gehen, sodass ich meinen nächsten Termin bestätigen konnte. Als mir eine nahezu unscheinbare Gestalt ins Auge sprang.
Sie starrte mit leerem Blick an die Decke und hatte ihre zitternden Hände ineinander verschränkt. Man musste kein Hellseher sein, um zu wissen, dass sie total nervös war. Unter ihren Augen waren tiefe Augenringe, aber trotzdem sah sie wunderschön aus, mit ihren fast schwarzen Haaren und blauen Augen.

"Hailey Johnson?"
Abrupt stand sie auf und das so schnell, dass sie ins Schwanken geriet. Sofort streckte ich meine Arme nach ihr aus und konnte sie gerade noch vor dem Fall schützen. Ich vergewisserte mich noch, dass sie einen festen Stand hatte und ließ von ihr ab.Für einen kurzen Moment sahen wir uns an und ich erkannte, wie etwas in ihren Augen aufflackerte, was ich nicht deuten konnte.
So schnell der Moment gekommen war, so schnell war er jedoch auch wieder vorbei. 

"Danke.", wisperte sie und ihre Mundwinkel hoben sich ein kleines Stück. Trotz des winzigen Lächelns, das man fast nicht als solches erkennen konnte, sah sie unfassbar traurig aus. Am liebsten hätte ich sie in den Arm genommen und ihr versichert, dass alles wieder gut werden würde, aber das ging natürlich nicht. Ich durfte niemanden in mein Leben lassen, für den ich eine Gefahr darstellte.

Ebenso zaghaft lächelte ich sie an und wollte mich wieder der Rezeption zuwenden, während Hailey Liams Büro betrat.
Stattdessen sah ich ihr noch nach, bis sie die Tür hinter sich schloss.
"Mr Hoffman?"
Schnell wandte ich mich wieder der Frau an der Rezeption zu und bestätigte noch einmal meinen Termin bei ihr.

Sobald ich draußen war, schlug mir der kalte Wind um die Ohren, sodass ich meine Hände in die Tasche meines Kapuzenpullovers steckte, um sie zu wärmen. Wir hatten fast Mai und trotzdem fühlte es sich an, wie im tiefsten Winter.
Mit langsamen Schritten lief ich zu meiner Wohnung und vertiefte mich immer weiter in meinen Gedanken.
Nur eine Sache verstand ich überhaupt nicht: Warum konnte ich an nichts anderes denken, als an das Mädchen mit dem traurigen Blick? 

Es machte mich wütend, dass sie in meinem Kopf herumspukte, obwohl wir uns nie vorher gesehen hatten und wahrscheinlich auch niemals wieder sehen würden.
Aber das war natürlich auch besser so, denn ich war mir sicher, ich würde sie nur in Gefahr bringen, falls wir uns wiedersehen sollten. 
Und das war nun wirklich das letzte, was ich wollte.


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