Kapitel 33

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"Ach, sonst konntest du dich immer kontrollieren? Das ist doch lächerlich, Logan. Und das weißt du auch."
Ich weiß nicht woher mein plötzlicher Mut kam, seinen Worten zu widersprechen. Früher hätte ich es nie gewagt, mich ihm zu wiedersetzen. Was hatte sich geändert?
Wahrscheinlich versuchte ich überhaupt nicht ihn zu besänftigen, da ich wusste, das es dazu schon längst zu spät war. Außerdem gab es für mich keinen Grund mehr, weiter für diese Beziehung zu kämpfen.

Da spürte ich ein Brennen an meiner Wange. Das war alles? Das war seine ganze Wut? Er verpasste mir einfach eine Ohrfeige?
"Wenn du nur wüsstest, wie es aussieht, wenn ich mich nicht kontrollieren kann."
Er ballte seine Hände zu Fäusten und kam immer näher. "Obwohl, du wirst es früh genug erfahren."
Ich beschloss, dass es sinnvoll wäre, weiter mit ihm zu reden, da seine Wut dann vielleicht verrauchen würde. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit dafür nicht allzu hoch war, einen Versuch war es auf jeden Fall wert.
"Du meinst also, du verletzt mich so, dass ich nichts davon mitbekomme? Wie an dem Abend, als du die SMS von Liam bekommen hast?"
Ich wusste, dass ich ihn mit meinen Worten nur weiter provozieren würde, aber ich wollte wissen, ob meine Vermutung bezüglich der Wunden, an die ich mich nicht erinnern konnte und der Blackouts, die ich an einigen Abenden hatte, stimmte.
"Ich habe keine Ahnung wovon du redest.", spielte er den Unschuldigen, aber ich ließ nicht locker.
"Ich weiß nicht, was du genau getan hast. Aber ich weiß, dass ich Verletzungen habe, an deren Ursprung ich mich nicht erinnern kann. Ich habe Gedächtnislücken von einigen Abenden, an denen ich mich daran erinnern kann, was passiert ist. Du hast damit zu tun, nicht wahr?"

"Oh doch, sogar sehr wahr. Die kleine Avery ist doch nicht so schwer von Begriff, wie ich immer dachte.", ein widerliches Grinsen legte sich auf seine Lippen und er sah mich mit lodernden Augen an. Dann umfasste er meine Arme und drückte mich gegen den Kühlschrank.
"Du trinkst gerne Tee, nicht?"
Mit diesen Worten begann er mein Gesicht zu küssen. Ich versuchte gegen ihn anzukommen und ihn von mir wegzudrücken, aber er war einfach zu stark. Meine Nackenhaare stellten sich durch seine Berührung auf. Ich wollte nicht, dass er mich anfasste; mein Körper sträubte sich dagegen.
Seine Lippen fuhren leicht an meiner Wange entlang und suchten sich ihren Weg zu meinem Ohr, wo er mit leichtem Druck an meinem Ohrläppchen knabberte. Dann fuhr sein Mund weiter zu meinem Hals und verteilte auch dort Küsse.
Mein Atmung beschleunigte sich, während ich langsam Panik bekam. Was hatte er mit mir vor?
"Lass mich los!", schrie ich so laut ich konnte und versuchte mich erneut - erfolglos - aus seinem Griff zu lösen.
Als Antwort presste er seine Lippen auf meine und verhinderte somit, dass ich weiter schreien konnte. Ich wollte meinen Kopf wegdrehen, doch er umfasst schnell mit einer Hand meinen Hinterkopf und drückte mich noch fester an ihn heran, während er mich weiter hart küsste.
Automatisch biss ich ihm so fest ich konnte in die Unterlippe, wodurch er kurz abgelenkt war und ich meinen Mund von seinem lösen konnte.
Er hielt mich zwar immer noch fest, aber ich konnte wenigstens für einen Moment Luft holen.
"Wehe du machst das du nochmal!", zischte er und zog meinen Kopf wieder zu sich heran.
Ich dachte, er wolle mich weiterküssen, aber statt das zu tun, verpasste er mir eine Kopfnuss, sodass ich mit dem Hinterkopf gegen den Kühlschrank stieß.
"Glaub mir, es wäre besser für dich, wenn du dich nicht wehrst."
Während er das sagte strich er mir sanft eine Haarsträhne hinters Ohr, die mir ins Gesicht gefallen war.

"Was ist nur geschehen, dass du plötzlich so geworden bist, Logan? Kannst du dich eigentlich noch selbst im Spiegel ansehen?"
Er erwiderte nichts darauf, aber ich konnte sehen, wie er sich bei meinen Worten anspannte.
"Du bist krank, Logan. Wir können dir Hilfe suchen. So muss es doch nicht enden.", beschwichtigte ich ihn.
Ich sah ihm an, dass meine Worte nicht zu ihm durchdrangen, denn sein Blick war weiterhin kalt auf mich gerichtet. Da zog er plötzlich heftig an meinen Haaren und wirbelte mich herum, um mich anschließend von sich wegzustoßen. Dabei war jedoch ein Stuhl im Weg, sodass ich samt diesem auf dem Boden aufkam. 
"Du hast doch keine Ahnung, also halt dich da einfach raus!"
"Dann erklär es mir!", flehte ich.
Er raufte sich die Haare und atmete kurz tief durch, bevor er mit seinem Fuß gegen die Kante des Esstisches trat, sodass dieser direkt neben mir zu Boden fiel. Erschrocken wich ich ein Stück zurück und warf einen Blick zur Haustür. Schnell überlegte ich, ob ich es schaffen könnte sie zu erreichen; immerhin besaß ich ja einen Zweitschlüssel, der sich in meiner Jackentasche befand. Logan hatte mich derweil wieder mit seinem Blick fokussiert und näherte sich mir bedrohlich. 'Jetzt oder nie', dachte ich und sprang auf, wobei ich gegen den Stuhl trat, damit dieser vor Logans Füße flog und ich somit etwas Zeit gewinnen konnte. Dann rannte ich zur Garderobe und suchte hektisch nach meinem Schlüssel, aber ich fand ihn nicht. Panisch warf ich einen Blick über meine Schulter und sah, wie Logan gerade dabei war, die Küche zu verlassen, als er plötzlich lachte.
"Denkst du wirklich, ich bin so dämlich?" 
Er holte einen glänzenden Gegenstand aus seiner Hosentasche und wendete ihn einmal in seiner Hand, bevor er ihn wieder einpackte. Ich seufzte innerlich, da ich die Tür als Ausweg nun streichen konnte. Da es keinen anderen Weg gab, um zu entkommen, musste ich mir etwas Anderes einfallen lassen. Schnell ließ ich meine Augen über den Flur schweifen, um nach einem Gegenstand zu suchen, mit dem ich mich notfalls verteidigen konnte. Mein Blick blieb schließlich an einer Flasche Deo hängen die auf meiner Glasvitrine stand. Es war zwar nicht optimal, aber das Beste, was ich auf die Schnelle finden konnte. Einen Moment später hielt ich die Flasche bereits in meiner Hand und richtete sie mit dem Sprühkopf auf Logan. 
"Verschwinde einfach, ok?"
"Ich bin hier noch nicht fertig." Er stellte sich vor mich und sah auf meine zitternde Hand mit der Deoflasche hinunter. Dann schnaubte er verächtlich.
"Empfindest du etwas für Jared?" Es gefiel mir nicht, wie er seinen Namen sagte, als könnte er sich daran verbrennen. Ich schwieg, woraufhin Logan genervt seufzte.
"Na gut, versuchen wir es noch einmal: Sieh mir in die Augen und sag mir, dass du nichts für ihn empfindest."
Ich verstand überhaupt nicht, worauf er damit hinaus wollte, also blickte ich einfach weiter auf meine Hand und wartete darauf, ihm das Deo in die Augen zu sprühen.
"Weißt du, er ist nicht der, für den du ihn hältst. Er ist hier nicht der Gute."
"Ach und du bist es?", schrie ich und merkte, wie mir Tränen über die Wange liefen. Ich wusste nicht, warum ich gerade in diesem Moment weinte, aber es passierte einfach. Diese Situation, in der ich mich befand, machte mich einfach fertig und ich wollte einfach nur, das er endlich ging und mich in Ruhe ließ. Am besten für immer. Aber stattdessen stand ich hier und fühlte nichts als Angst.

Mittlerweile war mein ganzer Körper so stark am Zittern, dass ich aus Nervosität auf den Sprühkopf drückte. Vor Schmerz schrie Logan laut auf und ich war wie erstarrt. Mein Verstand schrie, ich solle mich im Bad einsperren, aber mein Körper hörte nicht darauf. 
Trotz allem, was geschehen war, wollte ich ihn nicht verletzten. Es tat mir leid - und für diesen Gedanken hasste ich mich. Warum konnte ich nicht stärker sein? Dann hätte ich schon vor Monaten diese Beziehung beendet. Aber trotz allem, was geschehen ist, stand ich nun hier.
Da schnellte sein Knie nach vorne und traf mich mehrmals heftig am Unterleib, sodass ich auf die Knie fiel und meine Arme um meinen Bauch schlang, um mich zu schützen. Logan zog mich jedoch direkt wieder an meinem Arm nach oben und drückte mich gegen die Wand. Seine andere Hand ballte er zu einer Faust und schlug auf mein Gesicht ein. 
Nach wenigen Schlägen schmeckte ich Blut in meinem Mund und spuckte es instinktiv aus. Das Blut traf Logan am Hals und machte ihn nur noch wütender. 
Mein Kopf begann höllisch zu schmerzen und ich wusste nicht, wie lange ich noch bei Bewusstsein bleiben konnte. Auch er schien das zu realisieren, da er plötzlich in seiner Bewegung innehielt und mit seinem Mund ganz nah an mein Ohr kam.
"Niemand betrügt mich, ist das klar?", flüsterte er, bevor er mich hochhob und mit voller Wut gegen die Glasvitrine warf. 
Ich spürte, wie das Glas unter meinem Gewicht zerbrach und sich in meine Haut schnitt. Das Letzte was ich hörte, bevor alles schwarz wurde, war Logans Stimme.
"Sonst passiert nämlich so etwas. Und das ist doch unschön, oder?"



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