Kapitel 6

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Die ersten Sonnenstrahlen des Tages zeichneten sich am fernen Horizont ab. Ein Viertelmond war seit Flammenblütes Gespräch mit ihren Schwestern vergangen. Die Zeit war vollkommen unbemerkt an ihr vorbeigezogen, viel zu schnell, wie ihr schien. Nachdem Feuerstern erfahren hatte, dass sie in den Bach gefallen war, hatte er ihr nicht erlaubt mit zur Großen Versammlung zu kommen. Dabei hatte sie sich eigentlich gesund gefühlt. Blattsee hatte jedoch erst letztes Sonnenhoch Entwarnung gegeben, dass sie sich keine Krankheit eingefangen hatte, die ihren Jungen schaden könnte.

In der Zwischenzeit hatte sie das Lager kaum verlassen, denn ihre Clangefährten machten sich Sorgen um sie. Ständig wuselten Minka, Rauchfell, Ampferschweif oder eine andere Katze um sie herum und fragte sie, wie sie sich fühle und ob die Aufgaben nicht zu schwer für sie waren. Heute würde sie deshalb auf ihre letzten Patrouillen gehen, bevor sie in die Kinderstube umzog und schon in fünf Sonnenaufgängen würde sie mit ihren Schwestern den Clan verlassen, um die Jungen auf die Welt zu bringen. Die flammenfarbene Kätzin hatte nicht mehr vom SternenClan geträumt und hoffte, dass ihre Kriegerahnen sich eine andere, nicht Junge erwartende, Katze gesucht hatten, um die Clans zu retten. Sie selbst sah sich nämlich wirklich nicht dazu in der Lage.

Staubwolke und Dornenkralle hatten seither kein Wort mehr mit ihr gewechselt und langsam begann sie sich wirklich Sorgen zu machen. Was wenn die beiden auf ewig sauer sein würden? Nachtragend waren sie normalerweise wirklich nicht, was wohl schon einiges zu bedeuten hatte, wie die junge Königin fand. Trotzdem war das einzige, was sie bedauerte, dass sie ihren Bruder nicht früher eingeweiht hatte. Dornenkralle mochte eifersüchtig sein, doch das änderte nichts an ihren Gefühlen für Regenpelz. Sie liebte den dunkelgrauen Krieger, daran ließ sie nichts zweifeln.

Mit einem Kopfschüttelnd verjagte sie die grüblerischen Gedanken aus ihrem Kopf und schloss kurz die Augen. Das war nun genug, sie musste sich auf den Tag konzentrieren. Flammenblüte reckte sich bemüht genüsslich und trabte auf die Lichtung des Felsenkessels. Der Wind des Blattfalls zerzauste ihr Fell und ließ Blätter durch die Luft tanzen. Kurz betrachtete sie das Farbenspiel des Windes mit den braunen, gelben, roten und orangenen Blättern, dann machte sie sich auf den Weg auf den Dornenwall zu. Sie war mit Regenpelz und Staubwolke für die Morgenpatrouille eingeteilt. Die letzte für einige Zeit, dachte sie. Brombeerkralle hatte sie bestimmt absichtlich mit Staubwolke eingeteilt. Ihr Streit musste inzwischen jedem im Clan aufgefallen sein und er wollte wahrscheinlich dafür sorgen, dass die beiden wieder miteinander redeten.

Staubwolke und Regenpelz kamen sich reckend hinter ihr aus dem Kriegerbau getrottet. Als ihr Wurfgefährte sie sah, wurde sein Gesicht finster. Demonstrativ ging er an ihr vorbei zum Lagereingang. Dann trete er sich zu Regenpelz und Flammenblüte um und miaute demonstrativ: „Kommst du Regenpelz? Wir müssen doch an der WindClan-Grenze patrouillieren." Flammenblüte schnaubte verärgert. Konnte er nicht einmal mehr mit ihr sprechen? Regenpelz schaute verwundert zwischen ihr und dem Kater hin und her. Er schien nicht geahnt zu haben, wie sauer ihr Bruder auf sie war. "Ähm...ja klar. Flammenblüte und ich sind gleich hinter dir."

Die drei trotteten schweigend hintereinander an die WindClan-Grenze entlang. Flammenblüte fühlte sich unangenehm an ihren kleinen Badeausflug erinnert, als sie an der Stelle des Baches vorbeikamen, an der sie hineingefallen war. Als sie dann auch noch daran dachte, wie Staubwolke kurz darauf von den Jungen erfahren hatte, sackte ihre sowieso schon schlechte Stimmung auf einen weiteren Tiefpunkt. Sie seufzte. Regenpelz schien es bemerkt zu haben und blickte sie aufmunternd an.

Die Patrouille verlief ohne bemerkenswerte Vorkommnisse, auch wenn Staubwolke kein einziges Wort gesagt hatte. Der Wind wurde langsam immer stärker und zog an dem flammenfarbenen Fell der Kätzin. „Wir könnten noch jagen gehen", miaute sie, in der Hoffnung, ein Gespräch mit ihrem Wurfgefährten beginnen zu können. „Von mir aus", meinte dieser nur genervt und blieb stehen, um Flammenblüte die Gruppe anführen zu lassen. Weiter sagte er nichts, er starrte angestrengt auf einen inexistenten Punkt im Himmel, als sie an ihm vorbeiging. Sie wagte noch einen Versuch: „Wo willst du denn jagen Staubwolke? Wie wäre es am verlassenen Donnerweg?" Wieder antwortete der schildpattfarbene knapp: „Wenn du meinst."

Also gab es die Kriegerin mit einem schnauben auf und sie machten sich schweigend auf den Weg zum verlassenen Donnerweg. Ihre Pfoten donnerten durch den Wald, ihr rundlicher Bauch machte es der Königin schwer, sonderlich schnell zu rennen. Immerhin Namen die Kater Rücksicht auf sie, auch wenn Staubwolke sie angestrengt ignorierte. Als sie dort ankamen konnte Flammenblüte nach kurzem schnuppern sofort einen Spatz entdecken. Geschickt ließ sie sich ins Jagdkauern fallen. Sie schlich sich auf leisen Pfoten an und war kurz vor dem Absprung, als der Vogel plötzlich aufschreckte und warnend zwitschernd davon flog. Verwirrt blickte sie sich um. Sie war sich sicher, kein Geräusch gemacht zu haben, doch was hatte den Vogel dann aufgeschreckt? Regenpelz und Staubwolke waren nirgends zu sehen, also konnten sie auch nicht schuld sein. Da hörte sie es.

Es kam ihr vor wie Donnergrollen, doch es war nicht am Himmel, sondern direkt vor ihr.

Der Wald erzitterte, Äste raschelten, knackten, brachen. Mit großen Augen beobachtete Flammenstern, wie ein riesiges grünes Ungetüm aus den Sträuchern herausbrach. Es knurrte bedrohlich, ließ die Erde erbeben. Und es kam direkt auf sie zu.

Warrior Cats - Die Tochter des FeuersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt