Graustreifs bernsteinfarbene Augen weiteten sich ungläubig. „T…tod?“, stotterte er und schnappte nach Luft. Seine Augen wurden trüb und er schüttelte fassungslos den Kopf. Flammenstern konnte förmlich sehen, wie er von Erinnerungen übermannt wurde. „Das…das…“ Er brach ab. Millie trat zu ihm und leckte ihm tröstend über die Schultern, aber der graue Kater schien es gar nicht wahrzunehmen. Er drehte sich um und rannte in Richtung des ehemaligen WindClan-Territoriums davon. Millie wollte ihm hinterher laufen, aber Herbst hielt sie zurück. „Er braucht Zeit.“ Die silberne Kätzin nickte nur und setzte sich etwas abseits unter eine Esche.
Als die Patrouille zurückgekehrt war, hatte Flammenstern sofort die schreckliche Nachricht überbracht. Alle waren geschockt gewesen, aber Graustreif schien es am schwersten zu treffen. Seine Gefährtin Silberfluss war vor einigen Blattwechseln auf dieselbe Weise gestorben. Bei der Geburt ihrer Jungen Federschweif und Sturmpelz.
Niedergeschlagen saßen die Katzen des FeuerClans nun vor der Scheune. Keiner hatte mehr Hunger auf die Beute, die die Jagdpatrouille mitgebracht hatte. Selbst die Jungen gaben keinen Laut von sich, sie schienen die Anspannung zu fühlen.
Sie waren noch nicht weitergezogen, weil die Anführerin gedacht hatte, dass Rehfarns Junge sonst an einem gefährlichen Ort zur Welt kommen könnten. Sie erkannte jetzt, dass dies ein Fehler war. Die Katzen waren nirgends wirklich sicher und es machte kaum einen Unterschied, ob sie hier waren, oder ob sie weiterzogen.
Sie fasste einen Entschluss: Sie würden schon am nächsten Tag aufbrechen.
Keinen Augenblick länger als Notwendig wollte sie noch von ihrem neuen Territorium entfernt sein. Sie wollte nach Hause, auch wenn sie noch gar nicht wusste, wo dieser Ort nun eigentlich war.
Als die Sonne schon hinter den Wipfeln der Bäume verschwand und die Katzen noch immer schweigend dasaßen stand Flammenstern auf und trottete in die Scheune. Die FeuerClan-Katzen blickten ihr hinterher, aber keiner machte Anstalten ihr zu folgen. Sie betrat den Ort, an dem Rehfarn ihr Leben lassen musste und blickte sich um. Es roch alles wie immer nach Stroh, Heu und Katzen. Zuerst konnte sie weder Rehfarns toten Körper noch Rabensturm entdecken, aber dann fand sie ihn neben ihr kauernd im Stroh. Es wirkte fast, als würde sie schlafen, aber das viele Blut zerstörte die Illusion. „Rabensturm?“ hauchte die Kätzin und der schwarze Krieger schreckte auf. Er bedachte sie nur mit einem müden Blick, dann vergrub er die Schnauze in dem Fell seiner toten Gefährtin. „Wir werden heute Nacht die Nachtwache halten. Morgen brechen wir auf.“ Ausdruckslos nickte er. Flammenstern trottete kurz zum Ausgang der Scheune und verkündete: „Die Katzen, denen Rehfarn wichtig war, halten heute für sie Totenwache!“ Mit gesenkten Köpfen kamen die Katzen in die Scheune, Regenpelz, Staubwolke und Herbst trugen Rabensturms Töchter. Der Anführerin viel auf, dass Graustreif immer noch nicht zurückgekehrt war.
Ahornjunges warf ihrer Mutter im vorbeigehen einen Blick zu und der Kätzin fiel auf, dass sie sich in letzter Zeit kaum um ihre Jungen gekümmert hatte. Sie folgte der jungen Kätzin und leckte ihr führsorglich den Pelz, bis sie komplett sauber war. „Flammenstern?“
Sie wusste nicht, wann ihre Jungen begonnen hatten, sie bei ihrem Namen zu nennen. Es war zwar normal, trotzdem schmerzte es. Ihre Jungen wurden älter. Und wenn sie älter wurden, wurden sie Schüler und würden sich nicht mehr an ihren Bauch kuscheln. Sie würden Krieger werden und für ihren Clan kämpfen. Sie würden irgendwann auch ihr Leben lassen. Der Augenblick in dem ihr das klar wurde, dauerte nur einen Herzschlag, doch Flammenstern würde diesen Augenblick nie vergessen. Es war ihr klar geworden, dass jeder Moment, den sie mit ihren Jungen verbrachte kostbar war. Jeder Moment, den sie mit irgendeiner Katze, die ihr etwas bedeutete verbrachte war kostbar.
„Ja?“ Ahornjunges schien unsicher zu sein. „Da kannst mir alles sagen, Ahornjunges“, schnurrte die Kätzin und die orangene nickte. „Sind Glutjunges und ich jetzt die Wurfgeschwister von Wasserjunges und Winterjunges?“ Flammenstern dachte einen Augenblick darüber nach und zögerte. Sie war sich nicht sicher, was sie antworten sollte. „Ja. Sie sind jetzt eure Geschwister. Sie werden sich nicht daran erinnern, dass es eine Zeit gab, in der sie es nicht waren. Macht es dir etwas aus, dieses Geheimnis zu bewahren?“ Die rötliche Kätzin schien die Antwortmöglichkeiten abzuwägen, bevor sie antwortete: „Nein, es macht mir nichts aus. Ich bin gerne Winterjunges und Wasserjunges Schwester. Sie sind lustig!“ Die letzten Sonnenstrahlen fielen in die Scheune. „Es wird Zeit für dich zum schlafen.“ Ahornjunges wollte protestieren, musste aber gähnen. Amüsiert schnurrte Flammenstern und führte ihre Tochter zu den anderen Jungen, die noch wach waren. Eng aneinander gekuschelt lagen sie da und das orangene Kätzchen legte sich dazu. „Gute Nacht, Flammenstern!“ miauten die vier im Chor, während Rehfarns Junge schon schliefen. Sie hatten die Augen noch nicht geöffnet und konnten auch noch nicht sprechen. „Schlaft gut und möge der SternenClan über eure Träume wachen!“
Die Schüler lagen bereits neben Rehfarns totem Körper und Rabensturm hatte sich immer noch nicht bewegt. Regenpelz, Staubwolke und Herbst hatten auf sie gewartet, bevor sie sich zur Wache niederließen. Millie schien sich irgendwie Fehl am Platz zu fühlen und stand wie immer etwas abseits. Flammenstern ließ sich bei Rehfarns Flanke nieder, und Regenpelz legte sich neben sie. Sie würden die ganze Nacht hier liegen, bis die Kätzin zu Sonnenaufgang begraben werden würde. „Auf Wiedersehen, Rehfarn“, miaute sie, „du wärst eine wundervolle Kriegerin geworden. Der SternenClan möge dich mit Würde empfangen. Der FeuerClan ehrt deinen Tod, der drei Jungen das Leben geschenkt hat.“
Die Nacht war still. Hin und wieder krächzte eine Krähe in der Ferne, oder ein Hund bellte. Kurz nach Mondhoch erschien plötzlich ein Schatten im Eingang. Flammenstern wollte schon aufspringen, erkannte aber Graustreif, der endlich zurückgekehrt war. Er trug mehrere Beutestücke im Maul. Müde setzte er sich neben seinen alten Freund und miaute träge ein paar Worte zu Rehfarn.
Als die ersten Sonnenstrahlen die Scheune erhellten stand Flammenstern auf. Ihre Glieder schmerzten vom Liegen. Sie streckte sich und gähnte ausgiebig. Die ganze Nacht hatte sie nicht geschlafen, wie es sich für eine Nachtwache gehörte. Auch die anderen Katzen standen nun auf und streckten sich. Rabensturm blieb liegen. Flammenstern lief zu Charly, der wohl am stärksten gähnte. „Du bist unser einziger Ältester, also such dir noch zwei Helfer und dann begrab Rehfarn unter der Esche vor der Scheune. Der gestreifte Kater nickte träge. Als nächstes trottete sie zu Staubwolke, ihrem Stellvertreter. „Sorg dafür, dass jeder etwas isst. Wir brechen zu Sonnenhoch auf.“ Der Schildpatt-Kater war einen Moment überrascht, dann miaute er: „Weißt du jetzt schon, wo wir hinmüssen?“ Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. Plötzlich fühlte sie, wie ein Pelz ihr Fell streifte und sie meinte, Rehfarns sanften Duft riechen zu können. „Folgt dem Fluss zu seinem Ursprung. Dann werdet ihr die Wolken finden.“ Flammenstern riss die Augen auf, woraufhin ihr Bruder die Stirn in Falten legte. „Alles in Ordnung?“ Er hatte also nichts bemerkt. „Ja, alles bestens.“, sie überlegte einen Herzschlag. „Wir werden Flussaufwärts gehen!“
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Warrior Cats - Die Tochter des Feuers
Fanfiction"Der See wird sterben. Zu dritt werdet ihr zu den Wolken gehen und Feuer sein. Nur so kannst du die Clans retten." Eine Prophezeiung kann das Leben einer Katze für immer verändern. Das hatte Flammenblüte schon als Junges von ihrem Vater Feuerstern g...