Kapitel 70

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Blinzelnd erwachte Flammenstern aus ihren wirren Träumen. Die Sonne schien ihr direkt ins Gesicht und ihr ganzes Fell fühlte sich angenehm warm an, sie musste schon länger hier liegen. Sie drehte den Kopf auf die Seite um nicht direkt in das grelle Licht zu blicken. Um sie herum konnte sie Stimmen hören, die sich angespannt flüsternd unterhielten. Weiter entfernt dröhnten Monster über einen Donnerweg, Zweibeiner jaulten. Irgendetwas krachte.

Durch den Lärm begann Flammensterns Kopf unangenehm zu pochen. Die Stelle über ihrem Auge, an der sie sich beim Kampf gegen die Hunde verletzt hatte, schmerzte wieder. Doch das war nicht der ausschlaggebende Punkt ihrer Schmerzen, denn dieser befand sich viel tiefer in ihr. Es kam ihr so vor, als hätte sie versucht mit dem Kopf ein Monster aufzuhalten. Auch von ihrer Schulter ging ein unangenehmer Stich aus. Was war nur mit ihr geschehen?

Langsam setzte sie sich auf, alles drehte sich. „Sie ist wach!“, verkündete eine junge Stimme neben ihr. Natürlich war sie wach, was sollte das denn? Verwirrt schüttelte die flammenfarbene Kätzin ihren Kopf. Wie ein Blitz durchzuckte sie der Schmerz. Überrascht verlor sie ihr Gleichgewicht, ihre Vorderpfoten rutschten weg und sie landete unangenehm mit der Schnauze voraus auf den aus dunkler Erde und groben Steinen bestehenden Untergrund. Gepeinigt stöhnte Flammenstern auf. Nun begann auch noch ihre Schnauze zu pochen.

Mehrere vertraute Stimmen eilten an ihre Seite. Sie erkannte Regenpelz, Staubwolke, Ahornpfote und Rotpfote. Winterpfote miaute auch etwas, ihm hatte die Stimme von vorhin gehört. „Setze dich bitte langsam auf“, befahl die junge Heilerin ernst. Vorsichtig hob sie langsam den Kopf und erhob sich dann. Sie spürte, wie Blut von ihrer Schnauze tropfte. Ihre Sicht war trüb und klärte sich erst nach mehrmaligem Blinzeln. Ein von Zweibeinerzäunen und -mauern umgebener Platz befand sich um sie herum. Statt Bäumen befanden sich über den Platz versträut seltsame Tonnen und nur wenige ihr unbekannte Sträucher. Sie konnte nun auch die Katzen um sie herum sehen. Sie alle machten ernste Gesichter. Ein Wimmern erschallte hinter ihr, behutsam wandte sie sich dem Geräusch zu. Schockiert schnappte sie nach Luft, als sie die regungslose Gestalt von Steinpfote entdeckte. Neben ihr kauerten Polarlicht, Kieselpfote und Felsenpfote, die drei hatten ihre Köpfe gesenkt und die weiße Kriegerin zitterte unkontrolliert.

„Was…?“, miaute Flammenstern mit rauer Stimme an die Katzen, die sich um sie herum befanden gewandt. Ihre Kehle fühlte sich trocken an und schon allein dieses eine Wort kratzte so unangenehm, dass sie am liebsten nichts mehr gesagt hätte. Regenpelz atmete tief ein, bevor er leise erklärte: „Sie ist ertrunken. Wurde von den Wassermassen mitgerissen. Wasserpfote hat noch versucht sie zu retten, doch als sie sie endlich fand, war Steinpfote bereits tot.“ Die junge Anführerin nickte gequält. Die junge Kätzin war zu früh gestorben. Viel zu früh. Flammenstern schämte sich etwas, weil sie kurzzeitig erleichtert war, dass es sich nicht um eines ihrer eigenen Jungen handelte. Steinpfote war vielleicht nicht mit ihr verwandt gewesen, trotzdem war sie Mitglied ihres Clans gewesen. Sie sollte nicht erleichtert, sondern traurig sein. Und das war sie auch. Traurig. Doch irgendwie hatte sie sich schnell damit abgefunden. Sie hatte die Schülerin kaum gekannt. War es ein Zeichen dafür, dass sie eine schlechte Anführerin war? Eine gute Anführerin wäre doch am Boden zerstört, oder? Flammenstern seufzte. Das brachte nun nichts. Die kleine Steinpfote war gestorben. Wo ihr Vater doch gerade auch erst von ihnen gegangen war. Sie hatte es nicht verdient. Doch das hatte keine der Katzen.

„Und was ist mit mir passiert?“, wollte sie noch wissen. Es brachte nichts nun Trübsal zu blasen. Sie konnte sich daran erinnern, dass sie mit Streifenpfote und Rennpelz die Höhle verlassen hatte, doch danach war alles verschwommen, wirkte unscharf. Rotpfote musterte sie prüfend. „Wie heißt du?“, fragte sie und begann ihre Schulter zu begutachten. „Flammenstern? Was soll diese Frage?“, antwortete sie mit einer Gegenfrage, die die getupfte Schülerin einfach ignorierte. „Wie heißen deine Jungen, deine Geschwister und deine Eltern?“ Was sollte das denn bitteschön? Hatte die Heilerschülerin etwas am Kopf getroffen und konnte sie sich nicht mehr erinnern? „Meine Jungen sind Glutpfote, Ahornpfote, Winterpfote und Wasserpfote. Meine Geschwister heißen Staubwolke, Eichhornschweif und Blattsee. Feuerstern und Sandsturm sind meine Eltern, meine Großeltern waren Rotschweif, Buntgesicht, Jake und Nutmeg. Regenpelz ist mein Gefährte, sein Bruder Schlammfell war meine erste Liebe“, erklärte sie hilfreich. Rotpfote nickte und schien erleichtert. „Sehr schön. Du hattest eine Gehirnerschütterung, ich schätze du kannst dich an nichts erinnern, was kurz davor und danach passiert ist. Du warst… etwas verwirrt.“ Flammenstern stimmte ihr zu. Damit wäre die Frage, wieso sie sich an nichts erinnern konnte wohl geklärt. „Habe ich irgendetwas gesagt?“, murmelte sie mit einem unguten Gefühl in der Magengegend. Glutpfote, Geißel und Streifenpfote tauchten aus einem der seltsamen Sträucher auf, der sich ganz in der Nähe befand. Sie mussten das Gespräch gehört haben, denn ihr Sohn nickte. „Du hast mich als Eichenherz bezeichnet.“

Warrior Cats - Die Tochter des FeuersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt