Kapitel 63

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Das Morgengrauen brach gerade an, als Flammenstern erwachte. Rosafarbene Fäden hingen in der Luft, wie sie durch das Blätterdach erkennen konnte. Eine Schar Vögel zog über ihnen hinweg, die wahrscheinlich gerade, wenn auch etwas spät, aus dem Süden zurückkehrte. Bis auf das eifrige Flügelschlagen und das Zwitschern war es sehr ruhig. Das gleichmäßige Atmen der Katzen beherrschte die frühe Stunde. Von den Blättern der Brombeersträucher tropften immer wieder Tautropfen auf die feuchte Morgenerde herab, was aber kaum mehr als ein leises regelmäßiges Pochen ergab. Die Geräusche der Zugvögel verglommen und nun war nur noch das Atmen zu hören. Plötzlich raschelte es im Eingang der Brombeersträucher und die flammenfarbene Anführerin spitzte ihre Ohren. Sie konnte nichts sehen und auch nichts auffälliges mehr hören, also hob sie ihre Nase in die Luft und schnüffelte ausgiebig. Es war weder ein Hund, noch ein Fuchs oder ein Dachs, da war sie sich sicher. Das hätte sie sofort gerochen. Doch was war es dann?

Lautlos erhob Flammenstern sich aus ihrem Nest, ließ sich ins Jagdkauern fallen und pirschte sich an den Eingang heran. Sie konnte nun ganz deutlich eine Silhouette erkennen. Sorgsam darauf achtend, dass sie auf keinen ihrer Clangefährten trat oder sie auf sonstige Weise weckte, schlich sie sich an. Die Silhouette bewegte sich und nun, da sie ihre Konturen, dank dem zartrosa Himmel im Hintergrund, erkennen konnte, war sie sich sicher, dass es sich um eine Katze handelte.

Genau in diesem Moment drehte diese ihren Kopf in Flammensterns Richtung, die wie erstarrt stehen blieb. Sie blickte direkt in Laubsprenkels schockgeweitete blattgrüne Augen, der als er sie entdeckte scharf die Luft einsog. „Flammenstern! Du hast mich vielleicht erschreckt!“, miaute er empört. Mit gesenkter Stimme zischte sie: „Leise!“ Die feuerfarbene Kätzin ließ ihren Blick über das derzeitige Lager ihres Clans schweifen. Alles schien ruhig, die Katzen schliefen. Beruhigt wandte sie sich wieder dem jungen Krieger zu. Sie wollte auf keinen Fall, dass sie andere Katzen aufweckten, schließlich würden sie bei Sonnenaufgang aufbrechen und dann mussten sie alle ausgeruht sein. „Was machst du hier?“ Flammenstern musterte den Kater prüfend. Hatte er sich davongeschlichen? Oder wollte er sich gerade davonschleichen? „Ich habe Nachtwache… du hast mich doch persönlich eingeteilt?“, miaute Laubsprenkel verwirrt und zuckte nervös mit den Schnurrhaaren. Mäusedreck! Dass sie das vergessen hatte! Flammenstern konnte es nicht fassen. Seit wann war sie denn so paranoid? Sie konnte doch nicht in jedem Schatten sofort einen Feind sehen! Wo war ihr Verstand geblieben? Als Anführerin eines Clans konnte sie doch nicht grundlos ihren eigenen Kriegern misstrauen. Mit wem hätte Laubsprenkel sich denn treffen sollen? Alle Katzen die er kannte waren hier! „Oh… stimmt. Tut mir leid, so früh am Morgen bin ich wohl etwas neben der Spur“, brummte sie und wandte sich ab. Sie wollte gerade zurück zu ihrem Nest direkt neben Regenpelz gehen, als ihr plötzlich etwas auffiel. „Was machst du hier, wenn du Wache halten sollst? Wache wird draußen vor dem Eingang gehalten.“ Für einen Augenblick wirkte Laubsprenkel noch verwirrter, als er nun sowieso schon war, dann blieb ihm das Maul offen stehen. „Ich… ich wollte etwas melden. Ich bin nach drinnen gekommen um Staubwolke und dich zu wecken.“ Der hellbraun getigerte Kater wirkte fast panisch, als er nach Luft rang. „Laubsprenkel? Was ist los?“, miaute die flammenfarbene Anführerin alarmiert. „Ich bin draußen auf einem Felsen gesessen und da habe ich ihn gesehen. Er war am Waldrand und hat geschnüffelt. Und dann hat er aufgeschaut… und… und mir direkt in die Augen geschaut.“ Laubsprenkel begann zu zittern, die letzten Worte hatte er gestottert. Flammenstern blickte ihm eindringlich in die Augen, dann miaute sie mit fester Stimme: „Wen hast du gesehen, Laubsprenkel?“ Als er antwortete, war die Stimme des jungen Katers kaum mehr als ein Flüstern. „Den Hund. Und er ist gegangen um seine Meute zu holen. Sie haben uns gefunden.“

NEIN! Bei dieser Nachricht blieb Flammenstern beinahe vor Schock das Herz stehen. Das durfte jetzt einfach nicht wahr sein! Blieb ihrem Clan denn auch gar nichts erspart? Mit den Hunden hatte sie schon lange abgeschlossen. Sie hatte nicht damit gerechnet noch einmal von ihnen zu hören, von dem vereinzelten nächtlichen Jaulen einmal abgesehen.

Warrior Cats - Die Tochter des FeuersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt