Kapitel 68

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Erschöpft ließ sich Flammenstern in ihr etwas unbequemes Nest fallen. Der heutige Tag war so anstrengend gewesen, dass die Kätzin mehrere Blattwechsel lang durchschlafen könnte. Alleine der Moment als sie am Morgen aufgewacht war, schien ihr einen Mond entfernt. Als die Anführerin ihre Augen schloss, fiel sie fast augenblicklich in tiefen Schlaf. Völlige Dunkelheit umhüllte sie. Flammenstern wälzte sich unruhig in ihrem Nest umher. Die Fragen, die sie sich am Tag gestellt hatte, wirbelten ihr im Traum umher. Würde ihr Bruder ihr Nachfolger bleiben? Würde Düstersturm so enden wie Langschweif oder würde er ein fast normales Leben führen können? Und was würde aus Kämpferherz und Rennpelz werden?

Etwas stieß sie in die Flanke. Erschrocken riss sie ihre Augen auf. Sie befand sich weiterhin in tiefster Schwärze. Wo war sie? Flammenstern richtete sich auf und sah sich aufmerksam um. Die Kätzin suchte die Dunkelheit ab. Lief umher. Schnupperte. Doch nirgends schien eine Lichtquelle oder auch nur irgendetwas anderes als Finsternis zu sein. „Hallo?", rief die feuerfarbene Kätzin in der Hoffnung, ein Lebenszeichen jeglicher Art in der finsteren Leere zu finden. Ihr Ruf hallte als gespenstisches Echo zurück.

„Flamme?", miaute eine klare Stimme, aus weiter Ferne. Flamme? Meinte sie Flammenstern? Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals so genannt worden zu sein. Wobei… hatte Charly sie nicht immer als Flammi bezeichnet? „Ja?", miaute die junge Anführerin unsicher zurück. Jetzt spürte Flammenstern, dass die Besitzerin der Stimme immer näher kam und irgendwo neben ihr stehen blieb. „Flammenstern! Ich habe dich heute bemerkt. Du hattest Angst um deine Freunde. Und du hattest viele Fragen. Zum Beispiel ob dein Bruder weiter zweiter Anführer sein kann, nicht wahr?", hauchte die sanfte, bekannte Stimme. Kampfherz! Sie könnte möglicherweise Flammensterns Fragen beantworten! „Ja, das stimmt Kampfherz! Ich habe mir heute viele Fragen gestellt. Kannst du sie mir beantworten?", miaute Flammenstern mit neuer Hoffnung und suchte nach Kampfherz' geflecktem Fell. "Du wirst mich nicht finden", murmelte die Geisterkatze. "Aber ich beantworte dir gerne die Fragen, die du hast."

Trotzdem suchte Flammenstern nach Kampfherz, fand sie aber nicht. Was war das nur für ein seltsamer Traum? Normalerweise ließen sich die SternenClan-Katzen doch immer blicken. Nun ja, Kampfherz, Memory und deren Freunde waren schließlich auch keine SternenClan-Katzen, wenn sie alles richtig verstanden hatte. Die ihr kaum eine andere Wahl blieb als sich nun mit Kampfherz‘ Stimme zu unterhalten setzte sie sich und begann zu sprechen: „Kann Staubwolke weiter mein Stellvertreter bleiben, auch wenn, wie Rotpfote sagt, seine Pfote nie wieder richtig funktionieren wird? Und was ist mit Rennpelz, Düstersturm und Kämpferherz? Was wird mit ihnen geschehen?" Ungeduldig wartete die flammenfarbene Anführerin auf die Antworten der alten Geisterkatze. „Das sind aber viele Fragen", schnurrte Kampfherz mit sanfter Stimme. "Erinnerst du dich noch an Lahmer Schatten?", fragte sie unvermittelt. Wie hing das nun mit ihren Fragen zusammen? Flammenstern überlegte lange. „J...ja.", stammelte sie.

 „Er hatte doch eine Vorderpfote verloren. Und ohne diese Pfote konnte er trotzdem unser Volk führen. Mit nur drei Beinen! Staubwolke kann also weiterhin dein Stellvertreter bleiben." Flammenstern nickte erleichtert. Sie hätte nicht gewusst, was sie ohne ihren Wurfgefährten an ihrer Seite gemacht hätte. „Deine verletzten Katzen werden auch wieder gesund. Ganz sicher kann ich dir das natürlich nicht sagen, aber so wie es jetzt aussieht schon. Düstersturm wird sich soweit erholen können, dass er nur auf einem Auge blind ist. Ob er mit dem anderen aber wieder richtig sehen wird ist unsicher. Mehr kann ich dir zu ihm nicht sagen. Selbst der SternenClan nicht... Rennpelz wird wahrscheinlich nie mehr richtig laufen können. Aber auch er wird es überstehen. Und Kämpferherz... Es sieht finster für ihn aus... aber auch er wird überleben. Meine Freundin wird jeden Herzschlag bei ihm sein und wird ihn am Leben halten. Nur ob sie es schafft, ist mir unklar", miaute Kampfherz leise. „Welche Freundin? Etwa Rotpfote?", fragte die orangerote Kätzin. Sie vernahm ein Schnurren. „Nein, wobei ich der Meinung bin, dass du Rotpfote und ihren Wurfgefährten ihre Kriegernamen geben solltest, sie haben es sich verdient. Wo war ich? Ach genau. Meine Freundin ist schon lange tot. Aber sie wird versuchen, Kämpferherz weiter am Leben zu halten. Er ist wahrlich der Inbegriff seines Namens, ein wahrer Kämpfer, wie auch die Katze vor ihm es war. Meine Freundin sieht den Mut und die Treue in seinem Herzen und sie wird über ihn wachen. Sie kümmert sich noch immer gerne über Katzen die es sich verdienen. Und falls du fragen willst, ob er in den Ältestenbau muss, dann... leider ja." Die Anführerin nickte langsam. Sie verstand nicht wirklich was es mit Kampfherz‘ Freundin auf sich hatte, doch wenn diese Kämpferherz das Leben rettete, war ihr das nur recht. Doch wenn der gescheckte Kater eigentlich gestorben wäre, war es dann wirklich so gut, wenn er trotzdem lebte? Würde sein Leben sich für ihn nicht sinnlos und leer anfühlen? Würde er sich möglicherweise sogar wünschen, gestorben zu sein? Flammenstern konnte nur hoffen, dass es so nicht enden würde.

Warrior Cats - Die Tochter des FeuersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt