Kapitel 62

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Flammenstern starrte ihren Gefährten mehrere Herzschläge lang ausdruckslos an. Innerlich überschlugen sich ihre Gedanken, aber das ließ sie nicht nach außen dringen. Wenn Regenpelz der Meinung war, Schlammfells Tod zu verantworten, dann durfte er auf keinen Fall sehen, was in ihr vorging.

Sie war verwirrt. Wie wollte der dunkelgraue Kater am Tod seines Bruders Schuld sein? Schlammfell war doch von einem Dachs getötet worden! Aber sie selbst fühlte sich schließlich auch für Klingenpelz Tod verantwortlich, obwohl er von einem Ast erschlagen worden war. Was hatte er getan? Oder nicht getan? Sie hatte Schlammfell geliebt. Er war ihr Gefährte gewesen. Wenn er nicht gestorben wäre, säße er nun wohl neben ihr und seine Jungen würden gerade zwischen den Brombeersträuchern schlafen. Regenpelz hatte doch nicht etwas getan, was dazu führte, dass dies nun nicht der Fall war? Nein. Das könnte er nicht. Schlammfell war sein Bruder. Er hätte niemals eine andere Katze umgebracht und erst recht nicht ihn.

Regenpelz beobachtete immer noch das Blatt, das auf dem Fluss trieb. Wahrscheinlich musste er sich auf etwas fixieren, um nicht wild auf und ab zu laufen. Seine Pfoten zitterten, sein Blick war trüb.

Besorgt rückte Flammenstern näher zu ihm und schmiegte sich an ihn. Er brachte jetzt ihre Unterstützung. „Wieso?“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Das Blatt trieb immer weiter weg zum Wald hin und hinter ein paar Farnen verlor Regenpelz es aus den Augen. Er drehte seinen Kopf und blickte der flammenfarbenen Kätzin in die Augen. Seine blau gesprenkelten betrachteten sie liebevoll und gleichzeitig so unendlich traurig, dass Flammenstern dachte, dieser Blick würde ihr Herz in tausende Stücke zerspringen lassen. Mehrmals atmete er tief ein und aus. Eine bleierne Schwere schien auf seiner Lunge zu liegen. Als er zu sprechen begann, klang seine Stimme um Blattwechsel gealtert. „Schlammfell starb beim Angriff der Dachse, durch einen Dachs der ihm das Rückgrat brach. Das ist die offizielle Geschichte und sie ist auch wahr so. Es gibt nur etwas, dass nie erwähnt wurde. Da nur ich und Schlammfell es wussten. Hast du schon mal etwas von dem Sprichwort gehört, dass zwei nur ein Geheimnis für sich bewahren können, wenn einer Tod ist?“ Trotz seiner Frage erwartete er keine Antwort und fuhr einfach fort. „In der Nacht, als Schlammfell starb, griffen die Dachse an. Keiner hatte sie erwartet und keiner hatte sie kommen gesehen. Plötzlich brachen sie durch den Dornenwall in das erst seit ein bis zwei Monden bewohnte Lager. Wir waren überrascht. Hatten nicht mit ihnen gerechnet. Aber so ist das Leben eines Kriegers nun einmal. Man muss immer mit einem Kampf rechnen. Schlammfell und ich, wir stürzten uns gemeinsam ins Getümmel. Bissen, kratzen, wichen aus und sprangen. Wann immer wir einen der Dachse besiegt hatten tauchte ein neuer auf. Der Kampf schien sich endlos zu ziehen. Irgendwann erfuhren wir von Farnpelz, der heldenhaft vor der Kinderstube kämpfte, dass Ampferschweif ihre Jungen bekam. Durch diese Nachricht standen wir wie vom Schlag getroffen da. Ohne uns zu bewegen. Fassungslos, dass der DonnerClan solch ein Pech haben konnte. Ampferschweif war unsere Schwester und wir beide liebten sie. Wir machten uns schreckliche Sorgen um sie und ihre Jungen. Und als wir so still da standen, griff einer der Dachse an. Er traf Schlammfell am Kopf, woraufhin er einen Moment still liegen blieb sich dann aber wieder aufrappelte. Für diesen Moment dachte ich, er wäre Tod. Als er wieder aufstand fiel mir ein Stein vom Herzen. Eichhornschweif rief panisch etwas von weiter hinten. Schlammfell jaulte mir zu, ich sollte helfen die Kinderstube zu verteidigen. Blut tropfte von seinem Kopf, trotzdem tat ich, was er mir sagte. Ich kämpfte und verteidigte die Kinderstube. Trotzdem starb Rußpelz. Und nach dem Kampf, wo auch ich schwer verwundet worden war, erfuhr ich es. Schlammfell war von einem der Dachse ermordet worden.“

Flammenstern hatte ihm schweigend gelauscht. Am Ende war sie noch etwas näher zu ihm gerückt, so dass sie seinen Atem in ihrem Gesicht spüren konnte. Regenpelz musterte sie erwartungsvoll, aber in seinem Blick lagen auch Schmerz, Reue und Trauer. Er wirkte so verwundbar, dass die junge Anführerin Angst hatte, ihn durch das Gespräch zu sehr zu belasten. „Und wieso sollst du nun Schuld an seinem Tod sein?“ Der dunkelgraue Kater schlug die Augen nieder. Eindringlich miaute er: „Aber verstehst du denn nicht? Schlammfell war stark verletzt. Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass er weiterkämpft. Ich hätte bei ihm sein sollen. Ihn retten sollen. Aber ich habe auf ihn gehört und die Kinderstube verteidigt. Und das hat noch nicht einmal etwas gebracht! Rußpelz ist trotzdem gestorben. Als ich von seinem Tod erfuhr war es mir sofort klar. Ich war schuld. Ich hatte meinen Bruder getötet!“

Entsetzt und sprachlos starrte Flammenstern ihren Gefährten an. Das konnte er doch nicht wirklich glauben! Wenn Schlammfell Eichhornschweif nicht zur Hilfe geeilt wäre, wäre sie wahrscheinlich gestorben. Außerdem war es gut möglich, dass Schlammfell auch gestorben wäre, wenn er die Kinderstube verteidigt hätte. Regenpelz konnte ihn nicht retten. Schlammfell war schwer verwundet, konnte dem Kampf aber nicht entfliehen. „Durch seinen Tod hat Schlammfell Eichhornschweif das Leben gerettet. Er wäre möglicherweise sogar so oder so an seiner Kopfverletzung gestorben! Du darfst dir nicht die Schuld geben“, raunte sie ihm zu. Prüfend blickte sie ihm mit ihren smaragdgrünen Augen in seine blauen. Er hielt dem Blick nicht stand. Verlegen wandte er seinen Kopf wieder dem Fluss zu und beobachtete einen kleinen Fisch, der versuchte gegen die Strömung an zu schwimmen. „Woher willst du das wissen?“, murmelte er mit erstickter Stimme. Flammenstern überlegte einen Moment. Wie könnte sie ihn überzeugen? Plötzlich kam ihr eine Idee, die so seltsam und klug zugleich war, dass sie ein amüsiertes Schnurren nicht unterdrücken konnte. Regenpelz musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. Die flammenfarbene Kätzin legte ihren Kopf an seine Schulter und murmelte: „Ich werde den SternenClan einfach fragen. Dann hast du deine Antwort.“

Überrascht zuckte er zusammen. „Meinst du das ernst?“ Verlegen leckte er sich das Brustfell. „Natürlich“, antwortete sie, „sobald ich das nächste Mal im SternenClan bin, werde ich nachfragen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich recht haben werde.“

Regenpelz schien erleichtert, gleichzeitig aber auch ängstlich. Flammenstern stand auf und streckte sich. Ihre Beine waren vom langen Sitzen schon ganz steif. Plötzlich wurde ihr klar, dass dieses Gespräch noch nicht beendet war und setzte sich wieder. Ihr Gefährte hatte sich nicht bewegt. "Wie hast du das mit dem Sprichwort gemeint? Welches Geheimnis?" Nachdenklich legte er seinen Kopf schief. Sein Gesicht wirkte schmerzverzerrt. "Kurz bevor die Dachse angriffen hatte ich Schlammfell gestanden, dass ich dich liebe. Er hat es nicht sehr gut aufgenommen und war wütend auf mich. Er wollte es dir sagen. Das war das Geheimnis. Ich liebe dich und er wusste es. Als er starb war ich für einen kurzen Moment erleichtert. Und ich habe nicht bereut, ihn nicht davon abgehalten zu haben zu kämpfen. Es war das schrecklichste und selbstsüchtigste was ich je gefühlt habe. Und ich schäme mich so sehr dafür."

Jedes seiner Worte war für Flammenstern wie ein schlag ins Gesicht. Zugleich verstand sie ihn aber auch. Feuerstern hatte ihr einmal erzählt, dass er unglaublich erleichtert gewesen war, als er Geißel getötet hatte. Und dass er sich danach so unglaublich dafür geschämt hatte. Er hatte eine Katze getötet und war auch noch stolz darauf gewesen. Doch bei Regenpelz war es etwas anderes. Er hatte Schlammfell überhaupt nicht getötet. Er hatte nichts falsches getan. Er hatte nur etwas falsches gefühlt. Aber wer hatte das noch nie? "Es ist okay", flüsterte sie zärtlich, auch wenn sie tief in sich anderer Meinung war. Regenpelz schien ein Stein vom Herzen zu fallen und der Schmerz verschwandt fast gänzlich aus seinem Blick.

„Lass uns zum Clan zurückgehen. Sie werden sich schon wundern, wo wir bleiben.“ Der Krieger nickte und sie standen auf. Gemeinsam trotteten sie zu den Brombeersträuchern zurück.

Als sie wieder im Lager waren, herrschte schon reges Treiben. Staubwolke führte gerade eine Jagdpatrouille aus, die Königinnen ließen die Jungen auf der Lichtung spielen. Blaupfote stand gerade gähnend auf und Geißel und Memory unterhielten sich angeregt. Als sie Flammenstern entdeckten, liefen sie zu ihr. Sie blieb stehen und Regenpelz ging zu seiner Schülerin Gelbpfote, die sich mit Kampfpfote die Zungen gab. „Guten Morgen Memory, Geißel!“, miaute die Anführerin höflich. Sie hatte ihren Traum noch nicht vergessen und wollte die sandfarbene Kätzin so bald wie möglich zur Rede stellen. Memory schien ihren Gedanken zu erraten, denn sie murmelte Geißel etwas ins Ohr, woraufhin er zu reden begann: „Flammenstern, wir wollten wissen, wann wir weiterziehen werden. Wir können nicht mehr lange hier bleiben. Es sind nur noch ein paar Tage und wenn wir nicht bald aufbrechen, können wir euch nicht mehr zum WolkenClan-Territorium führen.“ Die Anführerin dachte einen Moment nach. Geißel hatte Recht. Sie mussten bald aufbrechen. „Morgen wenn die Sonne aufgeht werden wir weiterziehen“, verkündete sie und die beiden Katzen nickten zufrieden.  

Ferien :D Es wird in nächster Zeit also mehr Updates geben, wobei ich aber auch an meinen anderen Büchern weiterschreiben muss... An alle Schüler: Wie war euer Zeugnis so? Seit ihr zufieden oder unzufrieden? Ich selbst habe ja mein schlechtestes Zeugnis in meinem Leben bekommen. Nur eine 1! Und ihr seid Schuld! Nein Spaß, aber es liegt wahrscheinlich wirklich daran, dass ich mich viel zu sehr auf das Schreiben konzentriere als auf die Schule. Das wird im nächsen Schuljahr wohl anders werden, schließlich ist es mein Abschlussjahr... mal sehen.

Warrior Cats - Die Tochter des FeuersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt