~Kapitel 21~

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Klaudius blieb vor der Frau stehen, die wahrscheinlich zu viel getrunken hatte. Er redete auf sie ein, doch er erhielt keine Antwort. Sie schaute ihn nur abwesend an, sackte plötzlich zusammen und kippte nach vorn.
Schnell fing er sie auf und trug sie etwas zur Seite an die frische Luft.
Nach einiger Zeit kam sie langsam wieder zu sich und schaute ihn erst verwirrt und dann ängstlich an.
,,Sie haben für eine kurze Zeit Ihr Bewusstsein verloren, Miss."
Amaya erschrak, als der Römer sie so höflich ansprach. Anscheinend hielt er sie für eine Römerin.
,,Danke für Ihre Hilfe, Herr."
Klaudius sah sie genauer an und auf einmal erkannte er sie wieder.
Vor ihm saß die Tochter des Festizius, die er gefunden und aus Armenien verschleppt hatte. Sie war kaum wiederzuerkennen, so sehr hatte sie sich verändert. Aus dem dürren, schüchternem Mädchen war eine wunderschöne, selbstbewusste Frau geworden. ,,Du bist krank.", stellte er fest und schämte sich, ihr vorgeworfen zu haben, sie sei betrunken.
Amaya nickte.
Er hatte ja recht, aber sie konnte jetzt nicht schwach sein. Sie hatte die Verantwortung für ihre Herrin und musste auf Terra aufpassen.
Terra!
Sie schaute sich schnell um und fand sie neben Tristan am Tisch  einigen anderen Römern, die sich ausgiebig und laut unterhielten. Anscheinend hatte sie nicht mitbekommen, was passiert war.
Amaya stieg langsam auf und ergriff dankbar die helfende Hand des Soldaten.
,,Erkennst du mich?", fragte er, als er sie los ließ und sie vor ihm stand.
Amaya nickte und sah wieder zu Terra rüber.
,,Ich hätte nicht gedacht dass du es schaffen würdest." -
,,Du hättest mich umbringen können. Wieso hast du es nicht getan?"
Der Römer überlegte eine Weile: ,,Ich weiß es nicht. Ich denke dein Blick hielt mich zurück."
Ein römischer Soldat, der ein halbtotes Mädchen wegen ihres Blickes verschonte?
Nachdem er Babys aus den Armen ihrer Mütter gerissen und in den Fluss geschmissen hatte und Jungen, die eigentlich viel zu jung waren um als Soldaten gegen die Römer zu kämpfen, ihre Kehle aufgeschlitzt hatte?
Amaya war sich sicher dass ihr Blick, das eiserne Römerherz dieses Soldaten nicht erweicht hatte.
Gott hatte einen Plan für ihr Leben und ließ den Soldaten zögern.
Wie gerne würde Amaya ihm von ihrem Gott erzählen. Doch Nilas Warnung schoss ihr wieder in den Kopf und diesmal siegte ihre Angst.
Das silberne Schwert des Soldaten schimmerte durch die Lichter und Amaya war sich sicher, dass der Soldat sie auf der Stelle töten würde.
,,Ich sollte zurück zu meiner Herrin gehen.", sagte sie mehr zu sich selbst.
Der Soldat machte ihr Platz und Amaya drängte sich durch die Menschen und stellte sich hinter Terra.

Tristan bemerkte sie und grinste Amaya von der Seite aus an.
,,Du kannst mir deine Sklavin für eine Nacht ausleihen, Terra.", er griff nach Amayas Hand, doch diese zog sie schnell an ihre Brust.
Terra bemerkte Amaya nun auch und setzte ein verführerisches Lächeln auf.
,,Wieso willst du eine einfache Sklavin, wenn du eine begehrte Römerin haben kannst?".
Tristan lachte kalt und küsste Terra dann aufdringlich auf den Mund.
Amaya wurde schlecht, doch sie riss sich zusammen.
,,Wir sollten gehen Herrin. Es ist schon spät."
Terra beachtete Amaya nicht und winkte sie davon.
Erschöpft lehnte sie sich an die Zeltwand und schloss ihre Augen.
Es begann zu regnen und immer mehr Leute kamen in das große Zelt, um nicht nass zu werden.
Betrunkene, römische Männer warfen Amaya viellsagende Blicke zu, doch sie schlug diese mit einem gekonnten Blick nieder, bis sie irgendwann unbeachtet am Rande der Menge stand.
Sie merkte wie sich jemand neben sie stellte und öffnete die Augen.
Ein Mann lehnte neben ihr an der Wand und sein Gesicht kam ihr bekannt vor.
Nebelhafte Erinnerungen an früher kamen langsam hoch und als er sie direkt ansah konnte sie ihn zu ordnen.
,,Emin?". Der Mann lächelte erleichtert und nickte.
,,Oh Emin!", sie merkte wie ihre Augen feucht wurden.
Wie lange hatte sie ihn nicht mehr gesehen? Drei Jahre? Vielleicht vier?
Emin war der Anwalt, Verwalter und bester Freund ihres Vaters in Armenien.
Für sie war er ihr Onkel Emin, der ihr in seiner Pause immer Geschichten erzählt hatte. Ihr Vater hatte ihn auf eine lange Dienstreise geschickt, weshalb er zu der Kriegszeit nicht in Armenien war.
,,Ich habe gehört dass die Tochter des Festizius heute auch auf dem Fest sein würde und habe gehofft dich zu finden.".
- ,,Woher weißt du dass ich überlebt habe?"
Emin lachte amüsiert: ,,In dem ganzen römischen Reich hat man eine Zeitlang von nichts anderem, als von der Tochter des Festizius gesprochen."
Amaya wurde rot und senkte ihren Blick.
,,Ich war nicht auf einer Dienstreise, Amaya."
Verwirrt schaute sie zu ihm auf.
,,Dein Vater bemerkte die neuen Spannungen mit Rom schnell. Er schickte mich weg und ein paar Tage später, ließen sie keinen mehr durch die Grenzen. Die kriegsfähigen Männer mussten in der Stadt bleiben."
Schmerzhafte Erinnerungen spielten sich deutlich in Amayas Kopf ab.
,,Er gab mir fast seinen ganzen Besitz. Ich habe das Geld nach Arabien gebracht und sicher angelegt. Dann habe ich erfahren, dass du lebst und mich auf die Suche gemacht."
Die lauten Stimmen der Anderen verblassten.
Immernoch versuchte Amaya ihre durcheinander geworfenen Gedanken zu sortieren. Der Regen draußen wurde immer stärker und langsam floss das Wasser durch die Zeltwand.
Emin packte sie bei den Schultern: ,,Amaya weißt du was das heißt? Du erbst den gesamten Besitz deines Vaters! Du bist reich!".


Amaya: Eine Sklavin Rom'sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt