Es roch nach Stein, Moder und Angst. Einige stöhnten leise und verzweifelt. Aber man hörte noch ein anderes Geräusch aus der hintersten Ecke des Kerkers, unter der Arena. Irgendwo in der Dunkelheit sang eine Frau. Amaya kauerte zusammengezogen an der kalten, feuchten Steinwand und sang die Psalmen, die ihre Mutter früher auch immer für sie gesungen hatte. Sie hatte kein Zeitgefühl mehr durch die ständige Dunkelheit, doch sie wusste dass die Nacht bereits um war und es nicht mehr lange bis zu den Spielen dauern würde. In ihrer Zelle waren noch weitere Christen,- überwiegend Frauen und Kinder. Die Männer würden die Römer gegen kampferprobte Gladiatoren kämpfen lassen. Der Kerkerwächter schob den Riegel zur Seite und die Insaßen hielten die Luft an. ,,Mitkommen!", seine Stimme war hart und bestimmend. Die Kinder fingen an zu wimmern und zitterten vor Angst. Amaya stand langsam auf und spürte plötzlich eine heftige Übelkeit in ihr hochkommen. Sie hatte schreckliche Angst. Gleich ist es vorbei.
Neben ihr weinte ein kleines Mädchen, welches ihre ganze Familie bereits verloren hatte. Amaya streckte ihr ihre Hand hin und die kleinen, kalten Finger des Mädchens schlossen sich in ihre.
Sie gingen über einen langen Steinflur, an dessen Seiten hin und wieder Fackeln brannten. Dann wurde es heller und Amaya vernahm laute, jubelnde Stimmen. ,,Tristan! Tristan!", riefen begeisterte Römer um ihren Lieblingsgladiatoren anzufeuern. Amayas Herz zog sich zusammen. Das Atmen fiel ihr schwer und das immer heller werdende Licht, tat ihr in den Augen weh.
Sie erreichten eine Gittertür, hinter der sie warten sollten. Durch die Stäbe hindurch, sah Amaya zum ersten Mal in ihrem Leben das Innere des Collosseums. Staub wurde durch die kämpfenden Männer aufgewirbelt und
50.000 Menschen schrien gleichzeitig aus voll Kehle. Es war grausam. Als Tristans Gegner vor Schmerzen schreiend zu Boden fiel, tobte die Menge applaudierend. Tristan stieß ihm mit einem Kriegsschrei ins Herz und erlöste ihn dadurch von seinen Qualen. Amaya wandte sich ab.
Das Mädchen an ihrer Hand zuckte zusammen und Amaya fuhr ihr beruhigend über ihr schwarzes, langes Haar. Tristan verließ die Arena und das Gatter fuhr hoch.
Langsam setzte Amaya einen Schritt vor den Anderen. Die Römer beschimpften die Christen und die Erde fing an zu beben, als sie aufsprangen und schrien: ,,Die Christen vor die Löwen!".
Langsam gingen sie alle, Hand in Hand, in die Mitte der Arena. Tränen liefen über Amayas Gesicht, doch sie hatte keine Angst mehr. Sie weinte über die Grausamkeit der Menschen.
Trotz der wütenden Menge, konnte sie das Gebrüll der ausgehungerten Raubtiere hören. Sie blickte sich um und sah einige Löwen, aufgeregt hinter einem Gatter auf- und abgehen. Gott bitte steh uns bei. Gleich werde ich bei dir in deinem ewigen Reich sein.
Dann fuhr das Gitter hoch. Die Löwen sprangen aus ihrem Gehege und umkreisten neugierig, die wehrlosen Mütter, die ihre Arme schützend über ihre Kinder geschlungen hatten...
Luca traf Terra wie versprochen vor dem Collosseum und ging mit ihr hinein. Er hatte seine kleine Schwester das erste Mal vor genau einem Jahr mit zu den Spielen genommen und seitdem kam sie regelmäßig mit. Sie nahmen auf der Ehrentribühne Platz, wo Lana, zu seiner Überraschung, ebenfalls dazu kam.
Luca hatte sich in den letzten zwei Tagen Gedanken um Amaya gemacht und endlich eine Lösung gefunden. Wenn er zurück kommen würde, würde er ihr direkt davon erzählen. Er würde sie fragen, ob sie seine Frau werden möchte.
Ein paar unbekannte Gladiatoren eröffneten die Spiele. Gelangweilt sah Luca zu wie sie gegeneinander um ihr Leben kämpften, unbeeindruckt wenn eine Leiche mal wieder hinaus getragen wurde. Für ihn dienten die Spiele zur Unterhaltung und Belustigung der freien Bewohner Roms, die vom Kaiserhaus veranstaltet wurden. Er nahm einen Schluck Wein und schaute lächelnd hin, als Tristan endlich die Arena betrat. Jetzt würde es interessant werden.
Tristan kannte keine Gnade. Er tötete seinen Gegner schnell mit geübten Bewegungen. Terra sprang auf und feuerte ihn begeistert an. Lana klatschte in die Hände und packte Lucas Arm: ,,Hast du das gesehen?" Er antwortete ihr nicht und rückte ein Stückchen von ihr weg.
Nachdem Tristan die Achtung der Römer in sich aufgesogen hatte, verließ er den Platz.
Ein anderes Tor ging auf und eine Gruppe Menschen ging mit kleinen Schritten in die Mitte der Arena. Christen...
Luca musste schlagartig an Amaya denken und wollte gerade aufstehen um sich noch etwas Wein zu holen und die Löwenfütterung nicht mit ansehen zu müssen, als Terra ihn festhielt.
,,Wo willst du hin?" - ,,Ich hole mir was zu trinken."
Terra schüttelte den Kopf: ,,Aber doch nicht jetzt. Jetzt wird es doch erst lustig."
Das Vorwerfen der Christen war besonders grausam und entehrend. Besonders weil der Tod oft nicht sofort bei den Angriffen der Tiere eintrat, sondern erst durch das Zerfleischen bei lebendigem Leib. Luca wusste aufeinmal nicht, was daran so lustig sein sollte.
Fragend schaute er seine Schwester an. Diese fing an zu grinsen: ,,Sieh doch."
Er folgte ihrer Kopfbewegung zu den verängstigten Frauen und Kindern in der Mitte der Arena. Sein Blick blieb an einer der Frauen hängen.
Sie hatte ihren Kopf zum Himmel gerichtet und ihre Lippen bewegten sich.
Amaya!
Lucas Brust zog sich zusammen. Ein tiefes Stechen traf sein Herz. Er schaute entsetzt zu seiner Schwester. ,,Wusstest du dass sie eine Christin ist? Wie demütigend für unseren Namen! Ich mache ihm wieder Ehre, indem ich ihr das gebe was sie verdient: den Tod!", sie schaute hasserfüllt zu Amaya hinunter und stimmt in das Geschrei der Römer mit ein.
Das Tor des Löwengeheges fuhr hoch. Angstschreie der Christen ertönten in der Arena und hinterließen bei Luca eine Gänsehaut auf seinem Körper.
Die Löwen umkreisten die Christen, an deren Rand Amaya stand. Luca öffnete den Mund um zu schreien, doch kein Ton kam aus ihm heraus. Dann setzte ein Löwe zum Sprung an. Die Christen liefen in alle Richtungen der Arena, um vor den hungrigen Löwen zu entkommen, doch sie waren gefangen. Der einzige Ausweg war ihr Tod.
Die ersten Christen fielen unter den Löwen, versuchten sich aus ihren Bissen zu befreien, traten und schlugen nach den wilden Tieren, bis sie blutig am Boden liegen blieben. Ein Löwe ging auf Amaya los, die ruhig stehen blieb. Er warf sie zu Boden und biss zu.
Lucas Herz setzte aus. Der Löwe schleifte sie am Bein durch den staubigen Boden, wobei sie eine Blutspur hinterließ und die Menge jubelte.
Sie schrie vor Schmerzen auf und hatte ihr Gesicht krampfhaft zusammen gezogen.
Er hatte ihr versprochen auf sie aufzupassen. Und jetzt stand er hier- unfähig etwas gegen ihr Todesurteil zu unternehmen. Der Löwe ließ von Amaya ab und verteidigte seine Beute, als ein Anderer versuchte sie ebenfalls anzugreifen. Blutverschmiert lag sie auf dem Boden. Still, mitten in dem Getümmel und lauten Brüllen der Löwen und Menschen. Ihr Gesicht war weich, ihre Augen geschlossen.
Es ist vorbei.
Die Menge wurde ungeduldig und als die Spielführer merkten, dass es sie langweilte, scheuchten sie die Löwen zurück und brachten die Leichen weg.
Luca sah Amaya ein letztes Mal, als ein Sklave sie wegtrug. Regungslos lag sie in seinen Armen.
Luca schrie. Diesmal wirklich. Römer drehten sich zu ihm um. Hasserfüllt sah er seine Schwester an: ,,Wie konntest du nur?" Terras amüsiertes Gesicht wandelte sich schlagartig. Ungläubig sah sie ihren großen, verzweifelten Bruder an. Tränen liefen über sein Gesicht. Sie hatte ihn lange nicht mehr weinen sehen. Das letzte Mal, als ihre Mutter gestorben war. ,,Ich habe es für uns getan, Luca. Sie hat uns gedemütigt!".
Terra stand ebenfalls auf und sah ihn mitten in die Augen. ,,Heute habe ich die Frau verloren, die ich liebe! Und mit ihr ist auch meine Schwester gestorben!"
Er zwang sich durch die Menge und hörte nicht auf die verzweifelten Rufe seiner Schwester. Er wollte raus. Einfach nur noch raus aus der Arena, in der schon so viele Menschen ihr Leben gelassen hatten. Die Bilder von Amayas leblosen Körper schossen wieder in seinen Kopf. Sie würden ihn bis an sein Lebensende verfolgen.
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Amaya: Eine Sklavin Rom's
Romance(abgeschlossen) Amaya war einst eine einflussreiche Frau in ihrem Land bis dieses von den Römern erobert wurde. Nun muss sie sich in der Rolle einer unbedeutenden Sklavin zurecht finden und ihr neues Leben akzeptieren. Dabei schwebt sie ständig in L...
