Emin blätterte die Angebote der Geschäftsführer durch, die Amaya schon vor Wochen ausgesucht hatte. Der Name 'Nathan Laterensis' kam ihm bekannt vor. Er hatte in Rom schon viel von ihm gehört. Umso mehr wunderte es ihn, ein solch interessantes Angebot von ihm bekommen zu haben. Er griff zu seinen Notizen und ging alles nochmal genau durch. Laterensis...
Seine Gedanken überschlugen sich, aber er kam nicht darauf. Er hatte das Gefühl mehr über ihn zu wissen, als ihm im Moment bewusst war.
Emin stand auf und streckte seinen schmerzenden, knackenden Rücken.
Wieso hatte er zugestimmt, wenn er ein ungutes Gefühl dabei gehabt hatte? Jetzt war es zu spät. Alle ausgewählten Geschäftsführer hatten eine Rückantwort und eine Einladung erhalten. Letzte Nacht hatte Emin kaum geschlafen, weil er die ganze Zeit über den Namen 'Laterensis' nachgrübeln musste. Amaya kam herein und stellte einen Krug mit frischem Wasser auf seinen Arbeitstisch.
,,Du arbeitest zu viel, Emin.", sagte sie und schaute ihn besorgt an. ,,Laterensis."
Amaya hielt inne und verzog ihre Augenbraue. ,,Bitte?". Emin schaute wieder in seine Unterlagen. ,,Emin du brauchst eine Pause."
Amaya schaute unsicher über seine Schulter auf seine Notizen. Sie waren über das Angebot von Nathan Laterensis. Ihr Herz setzte aus. Sie hatte Emin nicht erzählt, dass sie Nathan kannte und wie sie ihn kennengelernt hatte. Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe herum. ,,Ich muss in die Stadt." - ,,Ist gut." - ,,Du könntest mitkommen."
Emin lehnte sich zurück. Er kam nicht drauf... Er sah zu Amaya hoch und bemerkte gerade noch wie sie schnell von Laterensis Angebot zu ihm herunter blickte.
Sie lächelte und versuchte ihre Unsicherheit zu überspielen, aber Emin kannte sie, seit sie ein kleines Mädchen war. ,,Du kennst ihn." - ,,Wen?"
Amaya! ,,Woher? Woher kennst du Nathan Laterensis?", Emin stand auf und sah ihr streng in die Augen. Amaya antwortete nicht. Sie drehte sich um und ging.
,,Amaya! Warte!", Emin folgte ihr schnellen Schrittes. Sie wickelte sich gerade vor der Tür ihren Schleier um ihren Kopf, um in der Stadt unerkannt zu bleiben.
Emin ergriff ihren Arm und sie drehte sich zu ihm um. ,,Ja ich kenne ihn." -
,,Aus Rom?". Sie nickte. Er konnte ihr Gesicht nicht unter dem Schleier erkennen. Doch langsam dämmerte es ihm. Laterensis... Nila. Irgendwo in Nilas Haus hatte er den Namen gelesen. Aber hatte Nila nicht einen anderen Namen gehabt? Schockiert ließ er Amaya los.
,,Wir haben deinen ehemaligen Eigentümer eingeladen!". Natürlich. Nilas Bruder hieß Laterensis und Nila hatte nach ihrer Heirat einen anderen Namen angenommen.
Keine Antwort. ,,Ist es nicht so? Amaya antworte bitte!" - ,,Ja." Emin ließ sie los und atmete laut hörbar tief ein. ,,Das Angebot ist gut." - ,,Nein ist es nicht! Nicht wenn man bedenkt was dabei auf dem Spiel steht. Amaya, er wird dich vielleicht erkennen. Selbst wenn du den Schleier auf hast." Amaya senkte ihren Kopf: ,,Nathan hält mich für tot. Wir hatten nie viel miteinander zu tun. Ich habe seiner Tochter Terra gedient."
Sie legte ihre Hand auf seine Schulter und spürte seine wütende Anspannung. ,,Ich hoffe du hast Recht."
- ,,Außerdem werde ich mich wie gewohnt im Hintergrund halten und dir die Verhandlungen überlassen. Er wird mich wahrscheinlich nicht einmal zu Gesicht bekommen." Emin schüttelte den Kopf und fuhr sich mit seinen Händen über sein Gesicht:,, Nein Amaya. Es geht um einen neuen Geschäftspartner. Es wäre unhöflich von dir, dich nicht vorzustellen und bei wichtigen Gesprächen nicht dabei zu sein."
Endlich schien auch sie besorgt zu sein und rückte ihr Kleid zurecht. ,,Uns wird schon etwas einfallen."
Sie drückte sich an ihm vorbei und verließ den Hof. Sie hoffte, dass er ihre Unsicherheit nicht bemerkt hatte.
Wie immer ging sie zu Fuß in die Stadt und genoss die Ruhe auf dem Weg dorthin. In der Stadt angekommen erwartete sie das gewohnte, bunte Treiben der Menschen. Die inzwischen so vertrauten Gesichter lächelten ihr zu, grüßten sie oder hielten sie für ein kurzes Gespräch auf. Ihr Schleier irritierte keinen mehr und endlich fühlte sie sich, nach einer langen Zeit, wieder einmal zu Hause. Amaya erledigte die Einkäufe schnell, entschied sich aber dazu noch in der Stadt zu bleiben. Gedankenverloren ging sie die gepflasterten Steine zwischen den Häusern entlang. Sie beobachtete die glücklichen Familien, die neu zugezogen waren. Sie unterschieden sich von den anderen Bewohnern der Stadt. Sie hatten nicht diese traurigen, trostlosen Blicke, die auch mit einem Lächeln im Gesicht nicht überspielt werden konnten.
Amaya bemerkt nicht, wie sie in die Seitenstraße einbog und den vertrauten Weg ging, den sie aus ihrer Kindheit kannte. Erst als sie die Ruinen bemerkte blieb sie erschrocken stehen. Sie war auf dem Weg zu ihrem alten zu Hause. Seit ihrer Ankunft in Armenien war sie nicht dort gewesen. Zögerlich setzte sie einen Schritt vor den Anderen und ging die verlassene, staubige Straße weiter. Ihre Gedanken überschlugen sich als sie sich dem Haus nährte. Die Erinnerungen schossen durch ihren Kopf, wie sie über diesen Weg zu dem Wagen der Römer geschliffen wurde. Plötzlich waren all die bereits verdrängten Bilder wieder in ihrem Kopf. Sie erinnerte sich an die Gesichter der Leichen die auf dieser Straße lagen, an die triumphierenden Gesichtsausdrücke der römischen Soldaten und an alle Schmerzen an ihrem Körper. Hinter der nächsten geschützten Ecke, würde sie ihr Haus sehen. ,,Ich kann das nicht...". Amaya blieb stehen und ließ ihren Tränen unter dem Schleier freien Lauf. Egal wie frei sie sich jetzt fühlte,- sie würde immer eine Gefangene ihrer grausamen Erinnerungen bleiben...
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Amaya: Eine Sklavin Rom's
Romance(abgeschlossen) Amaya war einst eine einflussreiche Frau in ihrem Land bis dieses von den Römern erobert wurde. Nun muss sie sich in der Rolle einer unbedeutenden Sklavin zurecht finden und ihr neues Leben akzeptieren. Dabei schwebt sie ständig in L...
