Mühevoll rappelte Terra sich hoch. Selma half ihr beim Aufstehen und Ankleiden. Wie schwach sie geworden war...
Aber das hatte sie ja auch verdient. Am liebsten hätte sie die junge Sklavin einfach, wie immer weggeschickt, aber diesmal hatte die Eigentümerin sie zu ihr geschickt. Terra stöhnte bei jeder kleinen Bewegung vor Erschöpfung auf. Sie hatte zu großen Respekt vor dieser Frau, um ihre Aufforderung einfach ignorieren zu können. Vielleicht würde sie sie wegschicken? Ängstlich stützte Terra sich auf Selma. Das arme Mädchen keuchte unter ihrem Gewicht auf. Schritt für Schritt gingen sie über den Flur in das Arbeitszimmer der Herrin. Selma klopfte an und öffnete Terra dann die Tür.
Die Eigentümerin stand mit dem Rücken zu ihr und schaute aus dem Fenster. Doch als Terra hineinkam, drehte sie sich respektvoll zu ihr um. Terra schämte sich plötzlich in ihrer Gegenwart zu sein. Sie trug eine wunderschöne Tunika und strahlte so viel Anmut aus, wie Terra es immer versucht hatte, aber nie gekonnt hatte.
Einen Augenblick lang, schauten sie sich stumm an. Ihr Schleier versperrte Terra die Sicht auf ihr Gesicht.
Dann machte sie einige Schritte auf sie zu und deutete zu einem Stuhl. ,,Setzen Sie sich doch.", sagte sie. Dankbar nahm Terra Platz. Der kurze Weg hatte ihr viel Anstrengung gekostet. ,,Ich habe gehört, dass es Ihnen nicht so gut geht."
Die Frau setze sich neben sie auf den freien Stuhl und verschränkte ihre Arme in ihrem Schoß. Terra nickte. ,,Sie sind mein Gast. Ich möchte Ihnen gerne irgendwie helfen."
Terra blickte beschämt zu Boden: ,,Ich verdiene diese Krankheit. Sie verstehen das nicht, aber man kann mir nicht helfen." - ,,Erklären Sie es mir."
Ihre Stimme war sanft und beruhigend.
Sie und Amaya schienen an denselben Gott zu glauben.
Vielleicht konnte sie ja mit ihm reden und ihn beschwichtigen, sodass seine Wut von ihr ablassen würde?
,,Ich werde von deinem Gott bestraft. Ich habe einen unschuldigen Menschen getötet und jetzt wird er mich töten.", Terra begann zu zittern und schlang ihre dünnen, blassen Arme um ihren Körper.
Amaya erschauderte. Dachte sie wirklich Gott würde sie mit dem Tod bestrafen?
Terra kannte durch ihre römische Erziehung dass man Götter nicht reizen durfte, aber ihr Gott war ein liebender Gott! Er wollte selbst für Terra das beste. Er liebte sie,- egal was sie getan hatte.
,,Du irrst dich." - ,,Ich wünschte es wäre so!", Terra schlug verzweifelt mit den Händen auf ihre Oberschenkel.
,,Ich hatte so etwas noch nie! Ich fühle mich so leer. So alleine. Es ist einfach alles so sinnlos." - ,,Das bist du nicht. Du stehst vor einer Entscheidung. Jeder Mensch muss sich irgendwann einmal entscheiden. Für oder gegen Gott. Glaub mir er hasst dich nicht. Er ist gnädig und er wird dir vergeben wenn du ihn darum bittest.", Amaya stand auf. Die Nervosität in ihr stieg. ,,Ich habe es versucht. Aber er hört mich nicht. Rede du mit ihm. Bitte ihn darum, dass er aufhören soll mich zu quälen!", Terra stiegen Tränen in die Augen, die Amaya verzweifelt und hoffnungsvoll ansahen. ,,Du musst mit ihm reden. Er hört dich. Wir können zusammen mit ihm reden wenn du möchtest."
Terra schüttelte den Kopf, dann hielt sie inne. Sie überlegte kurz und nickte dann doch entschlossen. ,,Aber ich weiß nicht was ich sagen soll..." - ,,Sei ehrlich. Sag was du fühlst." Terra sah wie die Eigentümerin sich hinkniete und tat es ihr gleich. Sie faltete ebenfalls ihre Hände und schaute noch einmal unsicher zu der Eigentümerin herüber. Sie wartete geduldig. ,,Ich habe vieles falsch gemacht...", fing sie an. ,,Ich habe einen Menschen umbringen lassen, weil sie an dich geglaubt hat. Ich bitte dich um Verzeihung. Es... es tut mir so leid.", Terra brach in Tränen aus. Und stand auf.
Amaya lächelte. Danke Gott! Es war ein Anfang. Terras Mauer war durchbrochen.
,,Ich würde sie so gerne noch ein letztes Mal sehen... ihr sagen wie leid es mir tut. Ich habe sie nicht verdient.", Terra setzte sich wieder auf den Stuhl und Amaya versuchte ihre Tränen zurück zu halten.
Es gelang ihr nicht. Ihre Augen röteten sich und sie senkte den Kopf.
,,Ich bin ein furchtbarer Mensch. Niemand liebt mich. Amaya hat mich geliebt, obwohl ich grausam zu ihr war. Wie sie mich angesehen hat. Dieser mitleidende Blick! Er geht mir nicht mehr aus dem Kopf!", Terra schlug sich krampfhaft an die Schläfe. ,,Ich kann so nicht leben. Nicht mit so einer großen Schuld!" - ,,Dein Schuldschein wurde bezahlt, Terra. Er wurde durch Jesu Tod ans Kreuz genagelt. Du musst es nur annehmen. Gott hat dir vergeben. Und ich tue es auch."
Stille. Terra dachte über ihre Worte nach. Das was sie sagte... es war das wonach sie sich sehnte.
Wie gerne würde sie... Terra? Hatte sie sie gerade Terra genannt? Sie hatten sich nicht einander vorgestellt. Und was hatte sie ihr getan? Warum wollte sie ihr vergeben? Verwirrt überschlugen sich Terras Gedanken. Die Hände der fremden Frau, wanderten langsam zu ihrem Schleier. Sie löste ein paar Haarnadeln und ein paar dunkle, gewellte Haare kamen als erstes zum Vorschein.Amaya tat jede Bewegung mit Bedacht. Sie betete und wurde ruhiger. Wie würde Terra reagieren? Was würde sie sagen? Würde sie es Luca erzählen?
Vorsichtig zog sie den Schleier von ihrem Gesicht und ließ ihn dann auf den Boden fallen. Terras Mund klappte nach unten.
Sie hatte ihre Augen groß aufgerissen und sagte kein Wort.
Amayas Herz schlug laut in ihrer Brust. Sie wollte so vieles sagen, aber sie wusste nicht wie. ,,Ich verzeihe dir.", die Worte kamen leise über ihre Lippen. Kaum hatte sie diese ausgesprochen erfüllte sie ein tiefer Friede.
Tränen rannten über ihre Wange. Terra schlug die Hände vor ihren Mund. Auch sie ließ ihren Tränen jetzt freien Lauf. ,,Wie kann das sein?", ungläubig keuchte sie die Worte hervor. ,,Ich habe einen mächtigen Gott. Er hat einen guten Plan und das Kolosseum war nicht das Ende seines Planes." Amaya sah sie liebevoll an. Ohne Angst. Ohne Vorwurf.
Plötzlich nahm sie in ihrem Augenwinkel eine Bewegung im Türrahmen war. Ihr Atem stockte. Luca. Wie lange stand er schon da? Sie schaute ihn geschockt an.
Er lehnte mit verschränkten Armen in ihrer Tür. Ausdruckslos starrte er sie an ohne jegliches Gefühl zu zeigen.
Verschwommen, durch die Tränen, schaute sie Luca an. 'Entschuldige', formten ihre Lippen. Er drehte sich um und stürmte aus der Villa.

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Amaya: Eine Sklavin Rom's
Roman d'amour(abgeschlossen) Amaya war einst eine einflussreiche Frau in ihrem Land bis dieses von den Römern erobert wurde. Nun muss sie sich in der Rolle einer unbedeutenden Sklavin zurecht finden und ihr neues Leben akzeptieren. Dabei schwebt sie ständig in L...