~ Kapitel 16 ~

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Luca betrat das helle Zimmer. Ein Junge stellte sein Gepäck neben dem Bett ab und fing fröhlich die Münze, die Luca ihm als Belohnung zuwarf. Er strahlte über sein ganzes Gesicht und Luca musste grinsen. Der Junge bedankte sich und verließ den Raum. Das Zimmer war groß. Es hatte ein eigenes Bad und einen großen Balkon, von dem aus man den ganzen Garten sehen konnte. Luca schnallte sein Messer ab und legte es auf die Kommode. Er hatte es vorsichtshalber immer bei sich getragen auf der Reise. Dann tauchte er seine rauen Hände in die Schüssel mit dem frischen, kühlen Wasser. Er schloss seine Augen für einen Moment und genoss die Kälte an seinen Fingern, bevor er auch sein Gesicht wusch. Er trocknete sich nicht ab, ließ sich das Wasser in den Nacken laufen und betrat dann den Balkon. Seine Arme stütze er auf das Geländer und schaute über das Anwesen. Selbst in Rom hatte er selten so große Villen gesehen. Dieses Anwesen schien größer zu sein, als die Villa seines Vaters, die er erben würde.
Die prachtvollen Steine gläntzen teilweise in der heißen Sonne und die Bäume im Garten, trugen reife Früchte.
Luca ging wieder hinein, als die Hitze unerträglich wurde. Er zog die Vorhänge zu und setzte sich auf das Bett. Eigentlich müsste er totmüde von der Reise sein. Er stütze seine Arme auf seinen Knien ab und rieb seine Handflächen aneinander. Dieses Land, diese Menschen... es erinnerte ihn an Amaya. Wieso fühlte er sich ihr plötzlich so nah? Hier war sie groß geworden. Das war das Land, das sie liebte.
Luca blickte auf zu der gegenüberliegenden, hellen Wand. Die Leere kehrte zu ihm zurück. Wie konnte er auch denken, dass er sich durch diese Reise besser fühlen würde? Er hatte es für sie getan. Es wäre sicherlich ihr Wunsch gewesen. Die Schuldgefühle kamen erneut hoch. Er hätte sie beschützen sollen, auf sie aufpassen sollen...
Luca fuhr sich über sein Gesicht, so als könne er seine Gedanken dadurch vertreiben. Es gelang ihm nicht. Stattdessen klopfte es leise an seiner Tür.
,,Herein.", seine Stimme klang tief und fest. Die Tür wurde langsam geöffnet und ein Mädchen trat herein. ,,Wünschen Sie etwas, Herr?", fragte sie und blickte ihn schüchtern und neugierig an.
Sie konnte kaum älter als zwölf sein. Irgendetwas an ihr erinnerte ihn an Amaya. Sie hatte bestimmt auch schon viel durchgemacht. Als er so lange nicht antwortete spielte sie nervös mit ihrem Kleid. ,,Wie heißt du?", Luca stand auf und blieb vor seinem Bett stehen. ,,Selma, Herr.", ihr Blick blieb auf seinem Messer haften. ,,Ich heiße Luca.", er lächelte ihr freundlich zu und ging zu der Kommode. ,,Das ist das Messer meines Urgroßvaters."
Er hob es hoch und Selma schaute interessiert und ängstlich zu ihm herüber. Ein echtes römisches Messer. Es war blank poliert. ,,Der Griff ist aus Edelstahl und die Verziehrungen aus echtem Gold. Das hier sind seine Initialien. Siehst du?", er hielt es ihr hin und Selma machte ein paar Schritte auf ihn zu. Dann nickte sie: ,,E.L." - ,,Emilius Laterensis."
Sie streckte ihre kleine Hand aus und Luca gab ihr das Messer.
Staunend sah sie sich das Erbstück an.
Es hatte eine große, scharfe Klinge und war aufwendig verziert. Dieser Mann musste sehr viel Geld haben.
Vorsichtig gab Selma das Messer dem Römer zurück. Sie verstand nicht, warum Emin ihn nicht mochte. Er war freundlich.
,,Du interessierst dich für Waffen?".
Selma nickte beschämt. ,,Das muss dir nicht peinlich sein.", Luca überlegte ob er ihr sein Schwert zeigen sollte, ließ es dann aber doch sein. Er wollte ihr keine Angst machen. ,,Darf ich Ihnen etwas bringen, Herr?", sie ging zur Tür und legte ihre Hand auf den Griff. ,,Wenn du so freundlich fragst, hätte ich gerne ein paar Früchte aus dem Garten." Selma nickte lächelnd und schloss die Tür hinter sich.
Luca sah ihr hinterher und legte das Messer in die oberste Schublade.
Amaya war etwas älter als sie gewesen, als sie an seine Schwester verkauft worden war. Ihr Auftreten war sicherer und selbstbewusster gewesen. Er musste bei den Erinnerungen lächeln. Terra hatte sich darüber aufgeregt. Zugegeben sah Amaya auch oft wie eine römische Dame aus. Hätte sie die Sklaven-Tunika nicht getragen, wäre sie wahrscheinlich begehrter in der Gesellschaft gewesen, als seine Schwester selbst. Für die stolze, eifersüchtige Terra unvorstellbar!
Aber Amaya konnte ihre Wurzeln nunmal nicht ablegen. Ihre gute, gebildete Erziehung zu einer edlen Frau hatte sie immer beibehalten.
Luca seuftze und schaute aus dem daneben liegenden Fenster. Selma pflückte unten gerade ein paar frische Trauben. Wieso hatte er nicht Amaya bei ihrer ersten Begegnung freundlich empfangen können? Stolz und gleichgültig war er ihr begegnet, ohne auf ihre Gefühle zu achten. Er hasste sich dafür! Er ballte seine Hände zu Fäusten. Alkohol... er brauchte Alkohol. Sein Blick gleitete durch das Zimmer und blieb an einem Krug neben dem Bett auf einem Nachttisch hängen. Doch darin befand sich bloß kühles Wasser. Ärgerlich stellte er den Krug unsanft zurück, sodass etwas Wasser überschwabte. Wo ist dein Gott Amaya, den du nicht verleugnen konntest?
Auch hier in deinem Heimatland ist er nicht! Vielleicht hatte er seine Statue übersehen? Erschöpft legte Luca sich auf das große, mit Kissen übersehte Bett. Er merkte nicht mehr, wie Selma herein kam und das frische Obst auf der Kommode abstellte, denn er war bereits eingeschlafen.
,,Meine Herrin brach zusammen, als sie dich sah. Wie kannst du so seelenruhig schlafen, Römer? Was hast du getan?". Selmas Blick ging zur Kommode. Das Messer war weg. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Egal wie nett er schien, am Ende war er doch auch nur ein kaltherziger Römer, der gerne Geld dafür zahlte, Leute sterben zu sehen.

Amaya: Eine Sklavin Rom'sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt