~Kapitel 6~

4.7K 303 19
                                    

Luca fuhr schweißgebadet aus seinem Schlaf hoch. Schon wieder dieser Albtraum... Er fuhr sich über sein Gesicht, schlug die Decke zur Seite und setzte sich auf die Bettkante. Immer war es derselbe Traum: Amaya, wie sie festgenommen wurde und um Hilfe schrie. Und er war nicht da um ihr zu helfen. Dann sah er nur noch ihr vorwurfvolles, blutverschmiertes, totes Gesicht vor seinen Augen. Er hatte ihr versprochen, dass er auf sie aufpassen würde.

Ärgerlich fuhr er mit der Faust über seinen Nachttisch und zerbrach dadurch die darauf stehenden Gläser und Alkoholflaschen. Er musste hier weg!
Cornu kam ängstlich in das Zimmer seines Herrn und blickte auf die vielen Glasscherben auf dem Boden. Nicht schon wieder...
Er ging kurz hinaus und kam mit einem Besen zurück. Luca starrte nach draußen in den dunklen, mit Wolken bedeckten Nachthimmel.
,,Lass.", sagte er plötzlich als Cornu die Scherben gerade auffegen wollte: ,,Aber Herr..." - ,,Lass sie liegen und geh!".
Wortlos verließ Cornu schnell das Zimmer. Er war nicht lebensmüde und würde einen betrunkenen, unter Schlafmangel leidenden Römer nicht mehr reizen, als notwenig.
Sein Herr Luca war seit Amayas Tod nicht mehr derselbe. Die Hoffnungen er würde nur anfangs die ersten paar Wochen trauern, waren verflogen. Es war nun schon über ein Jahr her...
Sein Vater hatte die Geschäftsreisen wieder übernommen und Luca war seitdem nur noch in der Stadt um sich zu besaufen. Wenn nicht, war er zu Hause und versuchte seinen Rausch auszuschlafen.
Terra hatte er nicht vergeben. Cornu hatte täglich mitbekommen, wie sie bei ihrem Bruder um Vergebung gebettelt hatte, bis sie es schließlich aufgegeben hatte. Ja, Luca hasste sie! Und das belastete sie.
Cornu legte sich wieder schlafen und bekam nicht mit, wie Luca sein Zimmer verließ. Luft! Er brauchte frische Luft.
Er ließ die Gartentür hinter sich offen und ging über den mit Tau bedeckten Rasen. Die kühle Nachtluft tat ihm gut. Er setzte sich auf die Bank und erinnerte sich, wie er damals Amaya auf dieser Bank von seinem Zimmer aus beobachtet hatte.
'Ich werde auf dich aufpassen, Amaya. Versprochen', hatte er ihr in derselben Nacht in seinem Zimmer gesagt.
Ein Römer hielt sein Wort! Und er konnte nur zusehen, wie die Frau, die er liebte vor seinen Augen zerfleischt wurde.
Seine trüben, kalten Augen starrten ins Leere. Mit Amaya war auch er gestorben. Sie hatte ihn mitgerissen in diese Dunkelheit und er kam dort nicht mehr heraus. Luca fuhr sich über sein Gesicht, so als könne er dadurch auch seine Erinnerungen weg streichen. Vielleicht sollte er das Angebot seines Vaters doch annehmen? Er war wieder auf der Suche nach einem neuem Handelspartner und musste in mehrere Länder reisen und sich die Konkurrenten ansehen. Dabei könnte er wirklich Hilfe gebrauchen und Luca würde Rom verlassen können. Vielleicht würde es ihm gut tun?
Nachdenklich fuhr er sich über den Nacken. Er hatte die ängstlichen Blicke der Sklaven und anderen Römer bemerkt, aber er konnte es ihnen nicht übel nehmen. Immerhin konnte er sich ja selbst nicht mehr wiedererkennen.
Er stand auf und ging zurück zum Haus. Die Sonne ging langsam auf und in der Bibliothek ging die Öllampe an.
Luca blieb in dem Türrahmen stehen und schaute zu, wie sein Vater sich über seine Bücher beugte und seine Brille zurecht rückte. Überrascht schaute Nathan zu seinem Sohn hoch: ,,Konntest du wieder nicht schlafen?". Luca ließ die Frage unbeantwortet und setzte sich auf einen Stuhl, gegenüber seines Vaters. ,,In welche Länder musst du reisen, um einen geeigneten neuen Partner zu finden?", fragte er ihn schließlich. Nathan legte sein Buch zur Seite. ,,Möchtest du eine Reise übernehmen?". Luca zuckte mit den Achseln.
Sein Vater lächelte und schaute auf seine Karte: ,,Der Osten wäre interessant. Dort haben wir noch nicht so viele Partner und die Konkurrenz wird immer größer." - ,,An welche Länder hast du gedacht?". ,,Ägypten, Arabien. Vielleicht Syrien." Luca nickte und schaute auf den Schreibtisch seines Vaters. Nathan überlegte angestrengt. Sollte er es ihm sagen? Vielleicht würde es ihm helfen. Vielleicht würde alles aber auch nur schlimmer werden. Er sah so abwesend aus...
,,Festizius Unternehmen wurde wieder aufgenommen. Armenien erholt sich.", sagte er schließlich. Luca schaute seinen Vater an: ,,Wie hat es jemand geschafft an die Papiere zu kommen?" - ,,Der neue Käufer hat anscheinend mehr Geld, als ganz Rom zusammen", Nathan lachte: ,,Er muss ein Vermögen dafür ausgegeben haben, aber es wird sich lohnen und wir würden ebenfalls einen großen Provit machen, wenn wir Partner werden würden." - ,,Amaya kam aus Armenien." Luca betrachtete ernst seinen Vater und sein Lachen erstarb. ,,Ich weiß."
Wie ihre Heimat wohl aussah? Auf einmal wollte Luca sehen, wie der Ort war indem sie gelebt hatte. Wie die Menschen dort waren und wo ihr Haus einmal stand. ,,Ich möchte nach Armenien reisen, Vater." Nathan nickte anerkennend: ,,Wenn jemand den neuen Unternehmer für uns gewinnen kann, dann du, Luca." Das Vertrauen seines Vaters tat Luca gut. Er würde ihn nicht enttäuschen. Luca stand auf und ging auf sein Zimmer. Er würde seine Sachen packen und sich noch heute auf den Weg machen. Bis nach Armenien würde er Monate brauchen und er konnte es nicht erwarten, diese elende Stadt endlich mal wieder zu verlassen.

Amaya: Eine Sklavin Rom'sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt