~Kapitel 26~

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Emin fielen tausend Dinge auf dem Weg zu Lucas Zimmer ein, die er jetzt lieber machen würde...
Er lauschte kurz an seiner Zimmertür, bevor er klopfte und hinein ging. Unsicher blieb er in der Tür stehen. Luca saß auf seiner Bettkante und hatte seinen Kopf abgestützt. Er schaute nicht nach, wer sein Zimmer betreten hatte. Es interessierte ihn auch nicht. Erst hatte er die einzige Frau verloren, die er jemals richtig geliebt hatte. Jetzt auch noch seinen Vater...
Emin trat langsam zu ihm. ,,Wir sollten die Sonne rein lassen.", er ging zum Fenster und öffnete erst die Vorhänge, dann die Balkontür. Luca kniff schmerzhaft die Augen zusammen.
Genervt stand er auf, riss Emin die Vorhänge aus der Hand und zog sie wieder zu. Erschrocken wich Emin zurück und starrte ihn an. ,,Es tut mir leid was passiert ist. Aber Sie sollten sich zusammen reißen, wenn Sie weiterhin an einer Partnerschaft unserer Unternehmen interessiert sind.", Emin verschränkte die Arme vor seiner Brust und hoffte er würde wenigstens etwas überzeugend und selbstbewusst  aussehen. ,,Du verstehst das nicht." Luca ging zur Wasserschale und wusch sein Gesicht. Das kühle Wasser tat gut. Emin sah ihn fragend an. Dieser Römer hatte keine Träne vergossen, aber der Schmerz war ihm dennoch anzusehen. ,,Er starb ohne Vergebung.", Luca schien seine Gedanken laut ausgesprochen zu haben und Emin schien ihn zu verstehen.
Wann hatte dieser Römer sich für Jesus entschieden? ,,Das tut mir leid." Luca ging zu seiner Tür und hielt noch einmal kurz inne. ,,Ja. Mir auch.", sagte er und ging hinaus.

Luca ging den endlos langen Flur entlang und die Treppe herunter in das Esszimmer. Gelächter ertönte und die glücklichen Geschäftsmänner saßen zusammen und frühstückten. Mitten unter ihnen seine Schwester und Aurelia.
Die beiden schienen sich gut zu verstehen und lachten gemeinsam mit den anderen. Das Gelächter wurde leiser als Luca näher kam. Er gönnte keinem einen Blick und spürte Aurelias mitleidende Augen auf ihm. Der Tod seines Vaters hatte sich wohl schnell herumgesprochen. Neben seiner Schwester nahm er Platz und trank zuerst einen Becher Wein. ,,Wie geht es dir?", Terra goss ihm noch etwas ein. Luca nickte nur und starrte seinen Gegenüber nieder, bis er endlich seinen Blick abwand. ,,Wir müssen darüber reden, wie es weitergehen soll.", Luca schaute seine Schwester an und war erleichtert als sie ihm zustimmte. ,,Du erbst Vaters ganzen Besitz. Auch sein Unternehmen." Terra senkte den Blick. ,,Ich kann verstehen wenn du möchtest dass ich ausziehe, Luca. Aber ich weiß nicht wo ich dann hin soll."
Darum ging es ihr also...
,,Du kannst bleiben." Dankbar nahm sie seine Hand und diesmal entzog Luca sie ihr nicht. Sie schwiegen und Aurelia sah ihre Möglichkeit gekommen, Luca ihr Mitgefühl mitzuteilen. ,,Ich fühle mit dir Luca. Wirklich. Das tut mir so leid." - ,,Danke.", Luca stand auf und ging in den Garten. Aurelia wollte ihm folgen, aber Terra hielt sie zurück. Es war besser ihn jetzt allein zu lassen.

Amaya und Emin gingen gemeinsam in den Speisesaal. Sie begrüßte ihre Gäste und setzte sich zu ihnen an den Tisch. Sofort zog sie alle Aufmerksamkeit der Männer auf sich. Terra sah sie ehrfürchtig an, doch die Eifersucht kam in ihr hoch. Sie hasste es nicht an erster Stelle zu stehen! Aber gegen eine Eigentümerin eines so großen Besitzes zu konkurrieren, war anscheinend doch eine Nummer zu groß für sie.
Die Römer würden sie lieben! Eine starke, unabhängige Frau. Terra wäre gerne wie sie. Nur der Schleier verwirrte sie.
Aurelia sah sie ebenfalls gedankenversunken an und die Eigentümerin schaute in ihre Richtung. Sofort wandten beide den Blick ab und Terra richtete ihre Aufmerksamkeit wieder zu Aurelia. ,,Weißt du wieso sie diesen Schleier trägt?", sie flüsterte ihr die Worte zu. Aurelia schüttelte den Kopf. ,,Nein. Niemand hier weiß das. Sie redet nicht darüber und keiner hat es gewagt sie darauf anzusprechen." - ,,Vielleicht verbirgt sie darunter eine große Nase.", Terra kicherte und Aurelia zwang sich zu einem krummen Grinsen.
Sie dachte nicht, dass die Eigentümerin einen Schleier trug, um ihr hässliches Gesicht zu verbergen. Ihre Ausstrahlung, ihr Verhalten und die Art wie sie sich gab, waren besonders. Sie konnte nur wunderschön sein.
Amaya hatte Terras Blick auf sich gespürt. Ihr darauffolgendes Kichern, trug dazu bei, dass sie sich immer unwohler fühlte. Sie versuchte sich zu konzentrieren und Terras Anwesenheit zu vergessen, doch es gelang ihr nicht. Jetzt winkte sie Selma zu sich und sagte ihr etwas, was Amaya nicht verstand. Sie beobachtete Terras Grinsen und sah wie Selma rot anlief und beschämt den Kopf senkte. Dann schaute Selma unsicher zu Amaya rüber und Terra folgte ihrem Blick. Für eine kurze Zeit starrten Amaya und Terra sich direkt in die Augen. Amayas Herz schlug schneller und die alte, gewohnte Angst kam wieder in ihr hoch. Doch plötzlich wandte Terra sich ab. Ja sie war es, die ihrem Blick nicht standhalten konnte. Überrascht senkte auch Amaya ihren Kopf. Alles war anders als früher. Sie war nicht mehr das Sklavenmädchen, das sich einschüchtern ließ. Sie war einflussreicher als Terra und Terra wusste das. Sie war ihr überlegen.
Und sie spürte wie ärgerlich sie darüber war. Amaya stand auf und ihr Stuhl kratzte kurz über den Boden. Langsam und selbstsicherer denn je, ging sie an ihren Gästen vorbei. Sie blieb neben Terra vor Selma stehen. ,,Ich möchte etwas in der frische Luft spazieren gehen. Begleitest du mich bitte?", fragte sie Selma ruhig und höflich. Selma nickte erleichtert und folgte ihrer Herrin hinaus in den Garten. Zurück ließen sie eine verdutze Terra. Was war das für eine Frau, die so freundlich zu ihren Sklaven sprach? Und was Terra noch viel mehr interessierte war: An wen erinnerte sie diese Frau?

Amaya: Eine Sklavin Rom'sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt