~Kapitel 4~

4.8K 271 6
                                    

Der Arzt hatte Recht behalten. Amaya ging es jeden Tag etwas besser und am Ende der Woche, konnte sie bereits aufstehen. Das Gehen fiel ihr jedoch schwer. Ihr linkes Bein zog sie noch schmerzhaft hinter sich her und sobald sie versehentlich auftrat, durchfuhr ein tiefer Schmerz ihr ganzes Bein. Emin hatte sie gestützt, als sie Nilas Haus am frühen Morgen verlassen hatten und zum Wagen gingen. Die wenigen Sachen waren gepackt und die weite Rückreise konnte beginnen.
Mit einem weinendem Herzen hatte Amaya sich wahrscheinlich für immer von ihrer Freundin verabschiedet. Sie würde nicht mehr nach Rom zurück kehren.

Sie waren schon einige Stunden unterwegs, als die Sonne endlich langsam über den Hügeln aufging und sie hatten fast den letzten großen Hügel überquert, der die Stadt und das weite, freie Land voneinander trennte.
Sie zog das schwarze Tuch mehr über ihr Gesicht und strich sich die Tränen von ihren Wangen. Dann drehte sie sich um.
Dort in der Ferne schimmerte sie. Diese große Stadt, die sich weit über die Hänge im Norden, Süden und Westen ausbreitete. Tempel und riesige Bibliotheken waren deutlich zu sehen. Und dann blieb ihr Blick an einem riesigen Gebäude haften, welches sanft von der Sonne beleuchtet wurde und ganz still dort stand,- mitten in der noch schlafenden Stadt. Dort drüben lag die Arena.
Amaya wandte ihren Blick ab und schaute weiter zum Horizont. Irgendwo dort im Osten lag ihre Heimat Armenien. Ein Klos kam in ihre Kehle: Sie war frei und hatte Geld,- was hielt sie noch hier?
Sie kannte die Antwort.
,,Noch etwa eine halbe Stunde und du wirst diese schreckliche Stadt nicht mehr sehen.", Emin lächelte ihr aufmunternd zu und auch Amaya zwang sich zu einem Lächeln. ,,Wenn wir das Geld haben reisen wir zurück nach Hause."
Nach Hause... Was bedeutete das schon wenn alles zerstört war? Trotzdem kribbelte Amaya bei diesem Gedanken der Bauch. ,,Es klingt alles so einfach, wenn du es sagst, Emin." - ,,Ist es auch."
Amaya knetete ihre Hände auf ihrem Schoß: ,,Was wenn mich jemand erkennt?" - ,,Damit das nicht passiert trägst du den Schleier um dein Gesicht."
Amaya gab ein kurzes, spöttisches Lachen von sich: ,,Ein toller Neuanfang..."
Wieso war sie so gereizt? Sie konnte dankbar sein, dass sie noch lebte und Emin war der Letzte dem sie irgendwelche Vorwürfe machen konnte.
Noch bevor er antworten konnte, ergriff sie erneut das Wort: ,,Entschuldige... Ich bin dir wirklich dankbar. Für alles."
Emin legte seine Hand auf ihre und drückte diese kurz: ,,Ich weiß, dass du all das erstmal verarbeiten musst. Aber mein Plan ist lückenlos. Vertrau mir."
- ,,Dafür könntest du mich für den Anfang vielleicht ersteinmal in diesen Plan einweihen."
Emin lächelte. Bis jetzt hatte er keine Zeit gehabt Amaya alles ausführlich zu erzählen. Doch jetzt auf der langen Reise, hätte er tatsächlich mehr als genug Zeit, sie über ihre neue Zukunft zu informieren. ,,Ehrlich gesagt, arbeite ich an diesem Plan schon seitdem ich erfahren habe, dass du noch lebst."
Der Wagen ruckelte auf dem schlechten Grasweg und Amaya versuchte sich ihre Schmerzen bei jedem Schlag nicht anmerken zu lassen. ,,Dass du vor die Löwen geworfen wurdest, war nicht Teil meines Plans. Es ist Gottes Plan dass du dort lebend raus gekommen bist, Amaya." Amaya nickte. ,,Ich habe dir ja bereits erzählt dass ich dein Geld sicher angelegt habe. Wir werden es holen und dann ein Haus in Armenien kaufen. Die Verträge von den Geschäften deines Vaters sind bei mir. Du kannst dir überlegen, ob du seine Unternehmen weiter führst oder verkaufst. Als dein Verwalter rate ich dir sie weiter zu führen. Es steckt noch viel mehr Geld darin, als sie jetzt sowiso schon wert sind." Amaya kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe rum: ,,Ist es nicht auffällig? Es werden viele Fragen kommen und wäre nur eine Frage der Zeit, bis sie erkennen wer ich bin." - ,,Du als Inhaberin kannst dich im Hintergrund halten und ich könnte den Vermittler spielen. Das machen heute viele."
Amaya nickte. Luca war zwar bis jetzt nur Teilhaber, hatte die großen Geschäfte jedoch auch immer für seinen Vater erledigt, während dieser sich um den Papierkram gekümmert hat und seine Einverständnis gegeben hatte. Luca hatte ihm dadurch wirklich viel Arbeit abgenommen. Gerade die großen, langen Geschäftsreisen, waren für Lucas Vater ziemlich anstrengend.
Auch wenn Amaya es schade fand, wenn Luca weg musste, hatte sie trotzdem immer bewundert wie er seinem Vater unter die Arme griff und einen Termin nach dem anderen für ihn angenommen hatte. ,,... oder was meinst du? Amaya?", Emin schaute sie von der Seite aus an und erst jetzt merkte Amaya wie ihre Gedanken erneut um Luca kreisten.
,,Bitte?". Emin lachte und wiederholte seinen Satz: ,,Ich habe gesagt, dass ich schon ein Haus gefunden habe das eventuell interessant sein könnte. Es liegt etwas außerhalb der Stadt und das Anwesen ist riesig."
Amaya versuchte ihre Gedanken zu sortieren. ,,Klingt gut. Weißt du ob die Stadt inzwischen wieder aufgebaut worden ist?". Emin schüttelte den Kopf: ,,Nein, leider nicht. Als ich das letzte Mal dort war, waren kaum Leute in der Hauptstadt. Das Land und dessen Bewohner waren wie ausgerottet. Ich habe aber gehört dass einige zurück gekommen sind, aber ich schätze wir werden uns überraschen lassen
müssen."

Amaya: Eine Sklavin Rom'sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt