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Waves - Dean Lewis
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Emma Roberts

Mein Blick war schon die ganze Zeit nach draußen gerichtet. Es war das beste nach draußen zu gucken. Die Hügel zogen an meinem Auge vorbei. Manchmal höher, manchmal tiefer. Alles wirkte leer und verlassen.
Der Regen prasselte auf unser Auto wie Steine, die uns alle erschlagen möchten. Ich konnte meinen Blick nicht mehr von draußen abwenden. Das Bild, das ich anschaute entsprach eher meiner Stimmung als dass ich meine Brüder anschaute, die mir sofort einen Ist-das-nicht-ein-schöner-Tag-Blick geben würden, der so oder so total gequält aussehen würde.

Alle meine Brüder kamen mit. Ethan, Brian und Clyde.
Ethan ist 25, Brian 22 und Clyde 21.
Und ich, das Nesthäkchen, wurde zu meinem neuen Leben im Internat gebracht.

Aber nun zu mir: Ich heiße Emma Roberts, bin 16 Jahre alt, und habe am 28. Mai Geburtstag. Ich wohne seit ich geboren bin in einem wunderschönen Haus in Plymouth, einer Hafenstadt im Südwesten Englands. Wir haben einen Pool und von meinem Zimmer aus kann ich sogar das Meer sehen. Meine Zwillingsschwester Alice starb nach einem von ihr verhinderten Attentat auf unsere Regierung, denn sie wurde ein paar Tage später von einem Auto angefahren und starb dann in der OP durch einen Behandlungsfehler. UND WIR KONNTEN NICHT EINMAL KLAGEN!

Wirklich, ich konnte mich nicht einmal von ihr verabschieden, da gleich danach die Beerdigung war.
Ich bin irgendwie noch nie darüber hinweggekommen, ich meine es war meine eineiige Zwillingsschwester! Welche Arschlöcher von Ärzten 'operierten' sie?!
Ich bin immer noch nicht über die Leere hinweggekommen. Früher schliefen wir noch in einem Zimmer, später dann in getrennten, aber immer eine Wand voneinander entfernt. Und dieses Zimmer war einfach noch leer. Meine Familie hat es für mich eingerichtet gelassen, damit ich besser mit Alice' Tod klarkomme.

Denn ich habe wiegesagt ja noch drei Brüder mit ein paar Jahren Abstand zu mir. Meine Eltern sind vor zwei Wochen gestorben und die Frau vom Jugendamt meinte, dass ich auf ein Internat gehen sollte, weil ich noch nicht 18 bin und meine Brüder das Sorgerecht nicht übernehmen dürften. Die Logik dahinter verstehe ich auch nicht.

Mein Leben war nie einfach gewesen.
Als ich frisch in die Schule kam wurde ich gemobbt, Alice verteidigte mich immer, auch meine Brüder wollten mitwirken, aber ich wollte nie große Aufmerksamkeit erregen.
Drei Todesfälle in zwei Jahren machten mein Leben auch nicht unbedingt besser.
Aber ich bin damit klargekommen, dass mein Leben eben so ist. Eines habe ich gelernt: Die Familie ist der Teil seines Lebens, der dir am meisten Kraft gibt. Und den übrig gebliebenem Teil meiner Familie muss ich jetzt für ein paar Monate verlassen.

Wir waren also auf dem Weg zu meinem neuen Internat in der Nähe von Marazion, einem kleinen Dorf am Meer, knapp zwei Stunden südwestlicher als Plymouth.

Ich ging seit dem Tod meiner Eltern auch nicht mehr tanzen - meine Leidenschaft. Ich vermied jeglichen sozialen Kontakt. Ich verlor alle meine Freunde. Ich hatte Angst vor dem Leben, dass etwas passiert, wenn schon drei sehr wichtige Menschen an einem Autounfall gestorben sind.

Wir fuhren durch einen Wald, der einen Berg hinaufführte. Die Gegend wurde immer einsamer und verlassener. Hier sollte ich also die nächsten eineinhalb Jahre verbringen - bis zum Abschluss. Ich habe letzten Sommer meine Prüfungen in der secondary school als Jahrgangsbeste abgelegt und machte dann mit der 6th form weiter. Damals, als ich über Alice' Tod haaaaaalbwegs hinweg war, hat mich der Ehrgeiz in der Schule wieder gegriffen und ich wollte die A-Levels machen.
Doch jetzt will ich einfach mit der Schule fertig werden. Dann würde ich studieren oder so und mit meinen Brüdern irgendwo hinziehen, damit wir neu starten könnten.

Wir hielten vor insgesamt acht etwas kleineren Häusern, einem großen Gebäude, daneben wahrscheinlich eine Sporthalle und noch ein Stall. Warte, ein Stall?! Bin ich hier auf einem Bauernhof gelandet? Auf einer Weide etwas weiter hinten erkannte ich ein paar Pferde.

unbreakableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt