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Mercy - Shawn Mendes
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Alex Black

Noch eine Runde. Meine Muskeln schmerzten heute unnormal und durch den Dauerregen wurde die ganze Situation nicht erleichtert. Meine Beine wurden immer dreckiger mit dem Matsch und es wurde mit jedem Schritt anstrengender, die Füße vom Boden zu lösen. Ich hielt ein gutes Tempo und führte im Moment. Jake, Drew und Simon waren nicht weit hinter mir. Es wird nicht mein bester Lauf sein, aber das muss ertragbar sein.
In den letzten hundert Metern feuerten mich die ganzen Mädels ziemlich an, aber ich ließ mich nicht beirren, sondern rannte einfach ohne eine Miene zu verziehen über die Ziellinie.
Ich trank sofort einen Schluck aus der Wasserflasche, die mir gereicht wurde. Layla kam in dem strömenden Regen sofort auf mich zugerannt und fiel mir so schnell um den Hals, dass ich es gar nicht mehr verhindern konnte.
Ich löste ihre Arme wieder von mir und schaute sie angeekelt an. Ich verstand nicht, was sie immer von mir wollte. Natürlich das, was alle anderen wollten.

Sie kam wieder näher und versuchte mir einen Kuss auf meine Wange zu geben, aber ich drehte mich zum Glück davor weg.
Glücklicherweise kamen da auch schon Jake, Drew und Simon ins Ziel, die mich sozusagen vor der Situation retteten. Alle Jungs aus meiner Stufe kamen schnell hintereinander ins Ziel und wir wurden auch wieder sofort vom Platz geschickt, dass die Jungs aus der zehnten Klasse an den Start gehen konnten.
Für den restlichen Tag hatte ich jetzt frei und konnte endlich nach Emma schauen. Nach meiner ausgiebigen Dusche schlüpfte ich in Jogginghose und Hoodie und zog mir meine Cap auf und lief die Treppen leise zu ihrem Zimmer hoch.

Emma Roberts

Ich kuschelte mich wieder in mein Bett. Ich lag schon den ganzen Morgen in meinem warmen Bett und war irgendwie froh, erst recht bei diesem Wetter nicht beim Frühjahrslauf an den Start gehen zu müssen.
Jetzt müssen nur noch diese verdammten Rückenschmerzen weg gehen.

Es klopfte an meiner Türe. Olivia hatte extra abgeschlossen, dass niemand plötzlich in unser Zimmer reinkommt und mich dann als ein einziges Wrack entdeckt. Sie versuchte gerade mit Ms Daniels eine Befreiung vom Frühjahrslauf für mich auszuhandeln. Immer, wenn ich heute Nacht aufgewacht bin, ist sie mit aufgewacht und hat gefragt, ob alles in Ordnung sei. Dementsprechend sah sie heute ziemlich müde aus, aber ihre Energie war scheinbar immer noch nicht zu Ende.

Es klopfte erneut an meiner Türe. Verdammt, wer um alles in der Welt wollte jetzt etwas von mir?!

"Emma, alles gut bei dir?", es war Alex. Warum wollte Alex zu mir? Hat Olivia ihm alles erzählt?

"Komm schon Emma, ich weiß, dass du da bist. Was ist passiert?", Besorgnis schwimmt in seiner Stimme mit. Mist, wahrscheinlich konnte ich ihm gestern nicht gut genug vorspielen, dass alles in Ordnung war.
Er versuchte verzweifelt die Tür zu öffnen, aber natürlich erfolglos. Er sollte mich nie im Leben in diesem Zustand sehen. Ich meine Alex, dem, dem alle Mädels hinterher laufen und mit dem ich eigentlich auch nichts zu tun haben will.

"Alex, was machst du hier? Was willst du von Emma? Zieh Leine!", es war eindeutig Olivias aufbrausende Stimme. Entweder sie ist gerade wütend auf Alex oder wütend wegen irgendetwas anderem.
Der Schlüssel klickte im Schloss und sie öffnete die Türe.
Sie sah verdammt durcheinander aus. Oh nein.
Keine guten Neuigkeiten.
Olivia kam langsam auf mein Bett zu und setzte sich auf die Kante.
"Es tut mir leid. Emma, du musst heute an den Start gehen", sagte sie leise, "Ms Daniels die dumme Trulla meinte, dass man nur befreit werden kann, wenn man am Tag davor bei ihr war. Es ist zu kurzfristig."

Olivias Blick wandte sich nicht von meinen Augen ab. Es war nicht schwer zu erkennen, dass sie alles gegeben hat, aber scheinbar war das Schicksal erneut nicht auf meiner Seite.
"Dann mach ich eben das beste draus", verließ es meinen Mund und ich nahm sie in den Arm.
"Wir schaffen das. Du gehst dein Tempo und wenn was ist, dann hörst du auf", Olivias fürsorgliche Stimme zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Sie war so anders als Alex.
Alex hatte eigentlich immer eine kalte Miene und Olivia war der offenste Mensch, den ich kannte.
Dann werde ich mich also heute Nachmittag wohl oder übel durchquälen müssen.

Am Nachmittag wurde das Wetter immer noch nicht besser. Meine Rückenschmerzen schienen zurückgegangen zu sein, aber mal sehen, wie sich das beim Laufen zeigen wird.
Das größte Problem wird für mich eigentlich sein, dass alle mich so gedemütigt sehen werden. Layla wird safe am lautesten lachen, wenn sie sieht, wie schwach ich meine Runden laufen werde. Ich habe extra ein langes Sportsweatshirt und eine lange Leggins angezogen, damit man die Schrammen von gestern nicht sehen würde. Ms Daniels schaute mich abschätzend an und gab mir dann einen Stell-dich-nicht-so-an-geht-doch-Blick.
Dumme Trulla.

Als der Startpfiff ertönte rannten wir alle los. Chloe natürlich vorne und kurz dahinter Olivia. Joy und Holly waren ungefähr im Mittelfeld. Und natürlich musste Layla perfekt geschminkt sein und ein bauchfreies Top tragen, damit man ihren Bauchnabelpiercing sehen konnte. Die ganze Zeit lächelte sie dumm herum und drehte sich manchmal zu mir herum, um dann kurz selbstgefällig zu lachen. Steckte sie etwa mit Derek unter einer Decke?!

Ich versuchte mich nicht von ihr beirren zu lassen und konzentrierte mich auf meine Atmung, sodass mein Rücken nicht so sehr wehtat. Meine Waden taten schon nach der ersten Runde weh, weil es so anstrengend war, die Füße durch den Schlamm zu bewegen.
Plötzlich ließ sich Layla zu mir zurückfallen, denn an meinem Posten als Schlusslicht war nichts zu rütteln. Lange joggten wir schweigend nebeneinander her, bis sie plötzlich anfing zu reden: "Ach, ist das nicht schade, wenn man es nicht so gut kann? Schon traurig, wenn man sich für Anerkennung an meinen Alex heranschmeißen muss", sie wurde mit jedem Wort immer selbstgefälliger. In mir kochte irgendwann so eine Wut auf, die sich nicht mehr kontrollieren ließ.
"Fresse", zischte ich. Oha, das hätte ich nicht von mir erwartet. Layla hatte sowasvon keine Ahnung, wie es mir gerade ging, sie sollte einfach ihre verdammte Klappe halten!
Vorallem erinnerte mich das wieder an meine Schmerzen. Bei jedem Schritt fuhr es mir in den Rücken, dass ich immer schwerer atmete.
"Tja, große Klappe haben, aber unsportlich sein wie nochmal was. Und wenn du es glaubst, es stimmt aber nicht: Du wirst mich auch never ever im Tanzen schlagen können", es war wie ein Schlag in die Magengrube. Sie konnte jetzt doch nicht ernsthaft wissen, dass ich immer tanze.
"Woher...", stammelte ich schwach.
Mittlerweile waren wir wieder an der Stelle sehr nah am Wald angekommen, wo uns kein Mensch sehen kann. Auf unheimliche Weise jagte mir das Angst ein.
Mit einem Schlag auf meinen Rücken schuckte sie mich auf den matschigen Boden.
"Träum weiter, wenn du denkst, dass du bei Alex deinen Retter gefunden hast und er alle deine Geheimnisse für sich behalten wird", lachte sie schadenfroh, legte wieder an Tempo zu und rannte weiter.
Sie ist so eine Bitch! Sie hat das alles nur getan, um ihren Hass erneut auf mich auszuüben.
Ich musste aber weiter machen!
Ich regte mich zitternd vor Kälte am Boden. Meine Hände waren vollkommen dreckig und mein Gesicht auch. Ich krabbelte langsam hinter einen Baum, damit mich die Leute, die mich überrundet haben, nicht sehen würden. Nicht in diesem Zustand.
Schwer atmend stützte ich mich am nächstbesten Baum ab. Laylas Schlag auf meinen Rücken verhieß nichts Gutes: Sie wusste ganz genau, dass Derek mich zusammengeschlagen hat.
Aber woher? Und Alex hat ihr auch erzählt, dass ich immer tanze?! Was wollte sie noch über mich offenbaren?!

Die Tränen in meinen Augen ließen sich nicht mehr zurückhalten. Ich fühlte mich so ausgenutzt! Ich habe nicht einmal zwei Runden geschafft. Wie sollte der ganze Schlamassel denn noch weitergehen? Ich verspürte irgendwie den Drang einfach wegzurennen. Wie wäre es, wenn ich vermisst sein würde?
Ich lehnte mich an dem Baum an und zog meine Knie an meinen Körper. Ich weinte still meine Tränen, sodass mich niemand hören würde. Ich war so alleine! Und etwas in mir wollte auch, dass es so blieb. Am nächsten Tag werden Olivia, Joy, Chloe und Holly ins Volleyballtrainingslager fahren und ich wäre komplett alleine.

Aber wie lange wollte ich jetzt noch so lange liegen bleiben? Die Kälte kroch sich immer mehr in mich hinein, da es immer noch in Bindfäden regnete. Ab und zu hörte ich, wie die ein oder anderen an mir vorbeirannten, mich aber nicht hinter dem Baum sahen. Zum Glück.
Bei jedem Atemzug durchfuhr mich ein Stechen in meinem Rücken. Warum musste es mich immer so schlimm treffen?
Wie verdammt scheiße musste mein Leben denn sein?

Es ist so ein schreckliches Gefühl, wenn man nicht weiß, was man falsch macht. Man bekommt nur gesagt, dass man aufpassen und sich in acht nehmen soll. Ich bin in einer Welt, in der ich fremd bin und beobachtet werde.

"Emma!", hörte ich es von weit rufen.
Ich drehte mich zu der Stimme um und sah einen komplett durchnässten Alex, der auf mich zugerannt kam.

unbreakableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt