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Rush - Lewis Capaldi (feat. Jessie Reyez)
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Emma Roberts

Am Abend machten wir es uns noch in Chloes, Hollys und Joys Zimmer gemütlich um ein paar Folgen Riverdale zu schauen. Lustigerweise war ich ihnen nur zwei Folgen voraus, die ich dann nochmal anschauen musste, aber das bestätigte mir, dass sie wirklich Menschen waren, die mir ähnlich sind und mich so schätzen wie ich bin.
Nach und nach kamen noch paar Jungs dazu. Unter anderem Colin und seine zwei besten Freunde.
Mit den dreien verstand ich mich auch sehr gut. Manchmal tut es gut, dass man auch ein paar männliche Freunde hat, ohne sofort an Liebe denken zu müssen. Jungs müssen gar nicht immer so übel sein wie Alex.
Wir lachten und redeten bis spät in die Nacht hinein und alle Chipstüten und Schokoladentafeln leer waren. Ich glaube, ich habe noch nie einen so ausgelassenen und entspannten Abend seit dem Tod meiner Eltern erlebt.
Und ich freute mich wirklich über Olivia, dass sie in Colin einen wahren Herzensmenschen bekommen hat.

Am Tag darauf, Sonntag, gönnte ich mir einen langen Schlaf. Ich schlief mindestens bis zehn Uhr. Zum Glück darf man hier Sonntags zu einer beliebigen Zeit frühstücken, sonst könnte ich nicht ein Mal in der Woche ausschlafen.
Ich legte mich nach dem Frühstück auf mein Bett und las mein Buch weiter. Die Sonne schien direkt in mein Gesicht und ich fühlte mich in dem Moment so unbeschreiblich unbeschwert und wohl, dass es sich fast wie in einem Traum anfühlte. Olivia verbrachte den Vormittag bei Colin, die beiden sind auch irgendwie die krassesten Turteltauben.
Joy, Chloe und Holly trainierten glaube ich wieder und ich durfte einfach meine Sonntagsruhe genießen.

Als ich mein spannendes Buch leider fertig gelesen habe, kam mir plötzlich die Idee, mit meinen Brüdern zu skypen. Ich schickte ihnen kurz eine WhatsApp-Nachricht, ob sie denn jetzt Zeit hätten, und wir "verabredeten" uns auf 15 Uhr.

Um 15 Uhr rief ich an und sie nahmen sofort ab. Zum ersten Mal seit ein paar Wochen sah ich ihre Gesichter wieder, was mich mit einer unbeschreiblich tiefen Wärme erfüllte.

"Hi Emma! Wie geht's?", fragte mich Clyde sofort.
"Hi, mir geht's gut. Ich hab mich nur vorgestern ausversehen am Fuß verletzt. Warum machst du dir plötzlich Sorgen?", fragte ich mit einem Lachen und spielte auf die Nachricht im Stall an.
"Darf man das nicht?", erwiederte er ebenfalls lachend und es tat so gut, sie alle wieder lachen zu hören.
"Und, hast du schon Freunde gefunden?", erkundigte sich Ethan.
"Ja, ich bin mit Olivia im Zimmer. Sie ist sehr nett und redet ununterbrochen, aber sie hat mich sehr herzlich aufgenommen. Sie hat sich sozusagen bereit erklärt, mit der 'Neuen' in ein Zimmer zu gehen. Davor war sie mit Joy in einem Zimmer, die ist jetzt mit Chloe und Holly in einem Zimmer und alle drei sind auch super nett. Joy ist echt nicht auf den Mund gefallen, Holly ist durch und durch ein Engel und Chloe ist abnormal sportlich", es kam wie ein Redeschwall aus mir heraus, was ich gar nicht von mir kannte.

"Du scheinst dich ja sehr wohlzufühlen", versuchte Ethan mich zu stoppen. Ich wurde wieder verlegen.
"Tja..., es gibt paar Leute, mit denen verstehe ich mich nicht so gut...", fing ich an.
"Okay, wer hat dich geärgert? Wen soll ich schlagen?!", schoss es sofort aus Brian heraus, während er mit seinen Augenbrauen wackelte. Typisch!
"Junge beruhig dich. Es sind nicht nur Jungs. Es gibt auch eine richtige Zicke, die gefühlt schon vor meiner Ankunft einen Grundhass auf mich hatte. Und die Sekretärin Ms Daniels und mein Klassenlehrer Mr Brown mag ich auch nicht so zu hundert Prozent. Und die Aufsichtsperson in unserem Haus Ms Smith nimmt ihren Job manchmal zu ernst", musste ich schmunzelnd zugeben, "wie geht es euch so? Habt ihr was Neues vom Jugendamt wegen dem Sorgerecht?", fragte ich hoffnungsvoll.

Sie schauten betreten zu Boden. Das verheißt überhaupt nichts Gutes...
Clyde schüttelte den Kopf: "Nein, das scheint alles komplizierter zu sein als wir erst dachten. Aber wir geben unser Bestes, das versprechen wir dir." Und die anderen nickten zustimmend.
Ich versuchte zu lächeln, aber es kam mir zu gezwungen rüber. Wenn sie das Sorgerecht bis zum Ende des Schuljahres nicht bekämen, müsste ich in ein Heim, meinte die Dame damals vom Jugendamt. Das Internat ist eigentlich nur die Zwischenlösung. Würde ich dann in ein Heim gehen müssen, würde ich alle meine Freunde hier nie wieder sehen. Und ich hatte auch ehrlich gesagt noch nie so gute Freunde wie jetzt.

"Hast du denn auch wieder getanzt?", versuchte Clyde die Stimmung wieder aufzuhellen. Stimmt, darüber habe ich mit ihnen noch gar nicht geredet.
"Ja, habe ich schon zwei Mal gemacht. Aber es scheint hier keine Gruppe zu geben oder ähnliches. Wenn ich mich und meine Musik habe, passt das auch vollkommen."

In diesem Moment kam Olivia in unser Zimmer rein. Es hätte nicht besser getimet sein können, denn genau in diesem Moment fragte mich Brian, ob's hier den irgendwelche interessanten Jungs für mich gibt.
"Ja, Emma. Das würde mich auch interessieren!", plapperte sie sofort los, "mit wem telfonierst du denn?"

Ich vergrub nur mein Gesicht im Kopf vor lachen, weil diese Situation schon an Peinlichkeit grenzte.
"Brian und Olivia! Nicht jetzt in dieser Situation würde ich daran denken, mich zu verlieben. Leute!", ich sah, wie Ethan erleichtert aufatmet und musste sofort wieder lachen.
Olivia setzte sich neben mich auf mein Bett, sodass meine Brüder sie sehen konnten: "Hallöchen, ich bin Olivia und habe die Ehre mit Emma im Zimmer zu sein und ihr Frühvogelsein zu genießen", gab Olivia ironisch von sich. Ich hätte ihr am liebsten gleich eine geklatscht, aber meine Brüder lachten mit.

"Hallöchen, wir sind Emmas Brüder und haben leider im Moment nicht die Ehre mit ihr in einem Haus zu sein und vermissen ihr gute Laune am morgen sehr... nicht.", meinte Ethan genauso sarkastisch und wäre der Laptop nicht gewesen, hätte ich allen dreien gleich eine geknallt. War meine gute Laune am morgen, denn so schlimm?!

Ethan setzte sich aufrecht hin und tat gespielt streng: "Und, benimmt sie sich auch denn gut?" Ich schlug gegen meinen Kopf und versuchte die aufsteigende Röte in meinem Gesicht zu verbergen.
"Hallo? Ich bin auch noch da?!", versuchte ich die Situation zu stoppen, doch Olivia begann schon von der Kissenschlacht oder der Kartoffelpüreeschlacht zu erzählen. Oder wie ich gleich am ersten Tag unsere Schuluniform mit einem Zahnpastafleck verschönert habe.

"Ich glaube, wir müssen aufhören, sonst wird unsere Emma noch zu verlegen", meinte Brian gaaaanz mitleidig. Ich bin manchmal echt hin und hergerissen, ob ich meine Brüder jetzt lieben oder hassen sollte.
Aber im Endeffekt, konnten mir alle drei trotz blöden Situationen mit ihrer Nerverei immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Die Tage vergingen immer schneller und mein Fuß war nach wenigen Tagen eigentlich wieder heil. Und mit jedem Tag rückte der Frühjahrslauf immer näher. Ich ging auch mit den anderen trainieren, aber ich hatte ständig das Gefühl, dass ich nie besser werden würde, denn die gelaufene Zeit bestimmt unsere Note in dieser Disziplin. Und ich wusste, wie schwer es sein würde, mit den anderen mitzuhalten. Es lag nicht unbedingt daran, dass ich unsportlich war, Tanzen erfordert auch sehr viel. Aber ich glaube, mit fehlt der Wille es durchzuziehen. Die Wettervorhersage sagte Regen voraus und das auf einer Strecke, die sich ausschließlich auf Wiesen befindet.

Alex war wieder genauso abweisend wie am Anfang. Unsere Übernachtung im Stall war also für ihn nur eine einmalige Sache, was mich wiederum beruhigte. Aber das bedeutete, dass Alex wieder sein nerviges Arschloch-dasein zum Vorschein brachte. Mittlerweile war er mit irgendeiner anderen zusammen, oder sie saß halt eben auf ihrem Schoß und alles blieb beim Alten.
Ich war tatsächlich auch mal wieder tanzen (und mich hat zum Glück niemand beobachtet) und ich konnte besser mit meinem Schicksal umgehen. Ich tanzte eine eher alte Choreografie, die einfacher war, aber das ließ mich einfach entspannen. Ich merkte vorallem, dass ich wieder regelmäßiger tanzen sollte, da meine Beweglichkeit flöten gegangen ist und ich immer danach komplett außer Atem war. Früher habe ich zwei Mal die Woche mit meiner Gruppe und zwei Mal alleine mit meiner Trainerin trainiert. Das ist auf jeden Fall ein Unterschied, wenn ich jetzt nur maximal einmal die Woche tanze.

Deshalb versuchte ich meine Technik wieder zu verbessern. Ich übte jegliche Drehung, die ich konnte. Ich übte jeden Sprung, den ich konnte. Ich dehnte mich mindestens zwanzig Minuten. Am Ende habe ich bestimmt zwei Stunden trainiert, aber ich fühlte mich nach langer Zeit wieder lebendig. Ich wusste genau, dass Tanzen genau das war, was mir meinen Lebenssauerstoff brachte und ich hätte Stunden weitermachen können, wäre ich nicht irgendwann außer Atem gewesen.
Innerlich spielte immer noch die Musik, als ich meine Sachen packte ud hinaus an die frische Luft trat. Olivia und Chloe hatten noch Beachvolleyballtraining, Joy war in der Theater-AG und Holly sang im Chor. Und ich genoss es, mich wieder frei zu fühlen und mich alleine zur Musik bewegen zu können.

unbreakableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt