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It takes me back - Emmrose
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Emma Roberts

Ich stehe in einem kahlen Raum. Die Wände sind alle weiß gestrichen. Das helle Licht brennt in meinem Augen, sodass ich sie zukneifen muss. Doch genau in dem Moment, als ich das tue, erscheint mir Alice' Leiche. Ganz bleich und eingefallen sieht ihre Haut aus. Ich habe sie noch nie so gesehen. Sofort schießen mir die Tränen in die Augen, als ich mit meinem kleinen Finger ihren kleinen Finger umklammere und der Impuls nur von mir kommt. Ich halte kurze Zeit diesen laschen Finger fest, lasse ihn aber wieder los, weil ich nicht damit fertig werde, dass meine einzige Schwester einfach tot ist. Ich will meine Augen wieder öffnen, doch das grelle Licht zwingt mich, sie wieder zu schließen und diese Leiche anzuschauen. Ich versuche in Alice' tote Augen zu schauen. Kalt und blau starrt sie zurück. Und je länger ich schaue, desto eher erkenne ich, dass ihre Augen mich anziehen, in eine andere Welt schicken. Ehe ich mich versehe, laufe ich über eine Straße. Die Straße in Plymouth, wo der Autounfall anscheinend stattgefunden hat. Ich weiß ganz genau, was jetzt passieren würde. Ein Auto würde mich anfahren.

Ich schreie.
Keiner hört mich.
Keiner versteht mich.

Es ist so schlimm zu wissen, wie es weitergeht.
Ich werde hier sterben, in einem anderen Körper.
Ganz alleine und niemand wird bei mir sein. Mein Herz schlägt immer schneller, als ich den Motor schon höre. Ich möchte weiterlaufen, doch unsichtbare Hände halten mich auf der Straße.
Zitternd schließe ich meine Augen. Es wird schnell vorbeigehen. Ich werde höchstwahrscheinlich bewusstlos ins Krankenhaus gebracht werden. Dort werde ich bei der Operation sterben. Ich werde niemanden mehr sehen. Ich sinke langsam auf den Boden. Es war so schlimm. Alice erzählte mir hier gerade ihre Geschichte. Und ich will nicht mehr zuhören.
Ich will zurück und ihre Leiche anschauen.

Als das Auto mit einem krachenden und zugleich dumpfen Laut auf mich einschmettert, versinkt alles im Chaos. Knochen splittern, Muskeln reißen und ich spüre, wie ganz langsam das Leben aus mir weicht. Wie die Atemzüge immer seltener werden und ich die Erlösung finde...

Schlagartig bin ich wieder in dem weißen Raum. Nein! Nicht schon wieder das helle Licht. Ich werde meine Augen schließen müssen. Ich werde den toten Körper meiner Schwester wieder anschauen müssen. Ich werde es nicht aushalten können. Und ich werde wieder sterben. Wieder und wieder.
Mit aller Kraft versuche ich meine Augen offen zu halten und kämpfe gegen das grelle Licht an. Ich fahre mir kurz durch meine verschwitzten Haare und versuche die fließenden Tränen zu kontrollieren.
Die Wände kommen dröhnend und quietschend immer näher.
Ich versuche dagegen zu drücken

Hektisch laufe ich umher und die Schweißperlen laufen von meiner Stirn.
Ich presse meine Augen zusammen um die fließenden Tränen zu stoppen, aber schon sehe ich wieder eine Leiche. Zwei Leichen.
Die meiner Eltern.

Ich lege mich neben meine Mum und klammere mich an ihren kalten Körper. Es ist schon fast schlimmer als bei Alice, denn meine Mum hätte mich immer umarmt. Aber nein, sie existiert nicht mehr. Ich weiche von meiner Mum wieder weg, weil ich es nicht aushalten kann, wie sie nicht für mich da war. Dad regt sich ebenso nicht.

Ich vermeide ihnen in die Augen zu schauen, doch sie ziehen mich an und schlagartig sitze ich in einem Auto. Mit meinen Eltern. Ich werde mit ihnen zusammen sterben.

Ich klammere mich an dem Sitz fest, als ein schwarzer Porsche mit Gas auf uns zugerast kommt. Meine Eltern tun nichts. Sie sitzen wie zwei Figuren vor mir und fahren ihrem Tod entgegen.
Als der Porsche direkt vor uns steht und dann in uns hineinkracht...

Quietschende Reifen, schepperndes Metall, klirrende Scheiben, brennende Motoren, krachende Türen.
Blut, Knochen, Fasern, Schreie, Schmerzen.

Alles dröhnt in mir, als der Tod sich langsam wie ein schwerer Schleier über mich legt und mich erdrückt...

Von meinem eigenen Schrei werde ich wach.
Mist, schon wieder ein Alptraum. Ich hätte gehofft, es würde vorbei sein, wenn ich hier im Internat bin. Es ist immer das selbe. Auf irgendeine Weise erzähle ich mir immer wieder selber, wie scheiße mein Leben doch geworden ist. Immer wieder sehe ich, wie mir die wichtigsten Personen sterben. Immer wieder das selbe. Immer wieder.
Mein Atem geht nur stoßweise und bei jeder Erinnerung an diesen Alptraum musste ich kurz erschaudern und nach Luft schnappen.
Es ist wieder wahrgeworden. Meine größte Angst. Dass ich von den Erzählungen der Polizisten Alpträume bekommen würde.

Schwer atmend setze ich mich auf und wische mir über meine verheulten Augen. Alles gut. Es war nur ein Alptraum. Es ist drei Uhr nachts. Einfach weiterschlafen...

Langsam öffnete sich knarzend meine Tür und ich musste bei dem Geräusch kurz zusammenzucken.
Alex streckte den Kopf zur Türe herein.
Als er mich so sah, machte er schnell die Tür zu, kam zu mir, setzte sich und schloss mich in eine tiefe Umarmung.
Leise schluchzend vergrub ich mein Gesicht an seiner Schulter und krallte mich in sein Pyjamaoberteil.
Ich hatte noch nie so einen schlimmen Alptraum.
Zuhause wären meine Brüder bei mir gewesen und hätten bei mir geschlafen und mich dann getröstet. Aber niemand ist hier. Nicht einmal mein Freunde.

"Hey", sprach er beruhigend auf mich ein, "es ist alles in Ordnung."
Seine sanfte Stimme ließ meinen Puls wieder herunterfahren und ich atmete tief durch.
Mit ruhigen kreisenden Bewegungen auf meinem Rücken brachte er mich wieder in den Normalzustand.
Ich drehte mich von ihm weg und legte meine Stirn auf meine Hand.

Ich bekam immer so verdammt schlimme Kopfschmerzen von meinen Alpträumen.
Alex schien das zu bemerken und legte seine Hand ebenfalls auf meine Stirn. "Emma, du glühst ja richtig", meinte er und stand schnell auf, um in mein Bad zu gehen und mir einen feuchten Waschlappen bringen.
Dankend nahm ich ihn an und kühlte meine Stirn.
Ich legte mich wieder zurück in mein Bett und starrte an die Decke.

"Darf ich?", fragte Alex leise, als er meine Decke leicht hochhob und ich nickte müde. Mir war im Moment alles lieber als alleine sein.
Alex legte seinen Arm um meine Taille und zog mich näher an sich heran.
"Was ist passiert? Das Haus ist ja ziemlich hellhörig und dann habe ich dich schreien hören...", flüsterte er.
Ich wollte es ihm nicht erzählen. Nicht jetzt.
Ich schaute ihn bittend mit Tränen in den Augen an, damit er nicht weiter fragen würde.

Wortlos zog er mich noch näher an seine Brust und ich konnte sein hämmerndes Herz gegen meine Wange schlagen hören. Normalerweise würde ich mich gegen so viel körperliche Nähe sträuben, aber diesmal war es anders. Ich sehnte mich danach in den Arm genommen zu werden. Ich sehnte mich danach, dass Alex für mich da war. Dass seine starken Arme mich halten und beschützen würden.

Still weinte ich meine Tränen in den Schlaf, während mir Alex beruhigend über den Rücken strich. Mein Schlaf verlief traumlos, was für mich aber komplett in Ordnung war, denn ich habe mich noch nie so sicher gefühlt. So sicher in seinen Armen und würde er merken, dass ich nochmal schlecht träumen würde, hätte er mich längst aufgeweckt. Es tat mir sehr gut, dass er nicht zu viel gefragt hat und ich ihm nichts erklären musste, warum, wieso, weshalb.
Ich konnte einfach so sein, wie ich bin und seine Nähe genießen.

unbreakableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt