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Emma Roberts

Hier im Internat fühlte ich mich irgendwann mit meinen Freunden (!) einigermaßen wohl.
Trotzdem vermisste ich meine Brüder sehr. Bei ihnen könnte ich mich 'ausheulen'.
Meine Freunde hätten zwar Verständnis dafür, aber ich möchte kein Mitleid von anderen, nur vielleicht von meiner Familie.
Ich möchte meiner Außenwelt nicht zur Last fallen. Sie sollen ihr altes Leben ruhig weiter leben.
Und außerdem versuchte ich mit der Zeit den Tod meiner Eltern zu vergessen, denn das würde mich von den wesentlichen Dingen in meinem Leben abhalten.

Zum Beispiel das Tanzen. Als ich vor ungefähr einer Woche in meinem Zimmer getanzt habe, habe ich mir meinen Fuß an meinem Bett angeschlagen.
Die Tollpatschigkeit eben.
Aber zum Glück kam niemand in mein Zimmer hereingestürzt.

In meiner alten Tanzgruppe hatte ich zwar nicht meine Freunde, naja, ich hatte lange Zeit keine Freunde mehr, aber dort machte das Leben wieder Spaß.

Doch dort konnte ich jetzt ja schlecht hingehen.
Ich habe Olivia auch schon nach Tanzgruppen hier gefragt, aber sie meinte nur, im Internat gäbe es nur Vollyballmannschaften, keine Tanzgruppen.
Aber ich brauchte irgendwie das Tanzen, es gibt mir so viel Freiheit.
Beim Tanzen kann ich meine Gefühle ausdrücken.
Meine Sorgen.
Meine Ängste.
Einfach alles.

Also ging ich in unsere kleine Gymnastikhalle.
Sie ist etwa halb so klein wie unsere normale Sporthalle.
Am liebsten würde ich einfach in einem kleinen Raum sein, wo mich niemand sieht.
Wo ich nur für mich bin.
Doch die einzigen Räume auf dem Gelände, die man abschließen kann sind leider nur die Zimmer, wo ich unschöne Erfahrungen damit hatte, und die Toiletten.

Ich legte meine Trinkflasche auf die Bank und schloss meinen MP3-Player an die Musikanlage an und versuchte mich auf den Tanz zu konzentrieren.

Unbreakable - Lani Misalucha

Der Tanz fängt ruhig an. Er hilft mir runterzukommen und dann wieder neue Energie zu tanken.

Ich tanzte ihn sooo oft, weil er mir unbeschreiblich viel bedeutete. Es war das einzige Mal in meiner Tanzkarriere, dass ich die Choreographie selbst erstellte. Doch das zeigt mir, dass er nur zu mir gehört und niemand anderes ihn so tanzen kann wie ich.
Ich habe ihn selbst entworfen.

Ich wollte dabei meine Liebe zu meiner Familie gestehen.
Nichts auf der Welt hätte uns trennen können.
Außer der Tod meiner Zwillingsschwester. Meine geliebte Zwillingsschwester.
Wir waren eineiige Zwillinge.
Ich war nur zwei Minuten jünger als sie. Vor zwei Jahren starb sie.

Es war einfach so plötzlich. Uns erreichte die Nachricht von einem Autounfall und sie sollte operiert werden, weil sie sich anscheinend dabei den ersten Brustwirbel gebrochen hat. Und wegen einem fucking Behandlungsfehler starb sie während der OP. Ich habe sie nicht mehr gesehen. Ja nicht mal mehr an ihrem Sarg durfte ich stehen und mich verabschieden.

Wir sahen zwar immer gleich aus, aber charakterlich hätten wir nicht unterschiedlicher sein können.
Ich, Emma, das eher bravere Mädchen von uns beiden. Ich hatte zwar etwas bessere Noten, konnte tanzen, aber fiel nicht weiter auf.
Alice war immer stärker, taffer und hatte die größere Klappe. Und zwar in positiven Sinn. Manchmal hätte ich gerne ein Teil von ihr in mir drin, damit ich ein bisschen schlagfertiger auf Sprüche reagieren konnte. Und nicht zu vergessen spielte sie seeeeehr gut Fußball.

Wir beide haben uns einfach super ergänzt und konnten nicht ohne einander. Sie meinte oft, dass sie gerne manchmal bessere Noten hätte, obwohl sie auch total gut war und ich meinte auch sehr oft zu ihr, dass so mit Nachhilfe im Sprüche klopfen geben musste. Zusammen waren wir unschlagbar. Und zusammen als Familie noch stärker.

Damals gab es noch ein 'zusammen'. Für mich und meine Familie war es die allerschlimmste Zeit. Alice war immer ein Teil von mir und es fühlte sich nach ihrem Tod so an, als ob mir ein Teil meiner Seele entrissen wurde.

Ich wollte mit diesem Tanz meine Familie wieder zusammenschweißen.
Sie schien damals zu zerbrechen.
Und das tat sie auch.
Für einige Zeit.
Wir ließen uns nicht unterkriegen.
Wir schafften es wieder zusammen. Jeder braucht mal einen Neuanfang.

Aber nach Alice' Tod verlor ich meine Freunde.
Eigentlich war sie ja meine einzige allerbeste-auf-Lebzeiten-Freundin, die ich jemals hatte.
Wenn ich über ihr Lächeln und ihre Stimme nachdenken würde, kämen mir die Tränen.
Wahrscheinlich hatte ich jetzt schon Tränen in den Augen. Aber ich merkte es nicht.
Ich war in meiner eigenen Welt. Ich tanzte mir die Seele aus dem Leib. Ich füllte meinen Körper mit neuer Energie.
Bei meinem komplizierten Sprung fühlte ich mich für diese Bruchteile von Flugsekunden einmal frei. Wenn ich richtig abgesprungen war, landete ich auch richtig. Und diese Landung war perfekt. Meine Mom sagte mir immer, dass nach dem Sprung das Puplikum immer geklatscht hat, aber das nahm ich nie war. Ich spürte nur bei jedem Sprung die neue Energie, die durch mich floss und mich wieder in die Lüfte hob.

Vielleicht stand auch schon ein kleines Puplikum um mich herum.
Doch mich würde es nicht stören.

Die ganze Schule hätte schreien können, ich hätte es nicht gemerkt.
Das ist Tanz. Für mich.
Tanz hilft mir die Welt zu vergessen.
Alle meine Sorgen.
Mein neues Umfeld.

Der Schulstress.
Dass Alex manchmal der totale Arsch ist und manchmal nicht.
Dass ich es hasse, dass Alex Layla küsst oder irgendwelche anderen... sorry, Bitches.
Ich will das alles nicht.
Ich will nach Hause.
Zu meinen Brüdern.
Oder dorthin, wo der Rest meiner Familie ist.

Ich ging in meine Endpose.
Diese habe ich mir auch lange ausdenken müssen.
Sie soll so vieles erzählen.
Alles, was man mit Worten nicht ausdrücken kann.

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