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Safe - Antoine Bradford
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Emma Roberts

Glücklich ging ich in meine Endpose. Es war heute nicht mein bester Tag, aber ich konnte zufrieden mit meiner Leistung sein. Zaghaftes Klatschen ertönte von dem Mann und der Frau, die als Jury hinter einem Tisch saßen. Ansonsten war die Halle leer, wobei Alex und Bella einfach zur Tür reingeschaut haben.

Das zaghafte Klatschen ebbte aber schnell wieder ab und ich stellte mich wieder normal hin. Von Bella wusste ich, dass man am Tag der Audition nur kurz beurteilt wird. Ob man für Cornwall antreten darf, erfahre ich erst in ein paar Wochen.

Je länger es still blieb und die beiden Jurymitglieder mich kritisch anschauten, desto unbehaglicher wurde mir zumute. Hatte ich etwas falsch gemacht? War ich so grottenschlecht gewesen, dass man vor Ekel an einer Art Verschwiegenheitssyndrom litt?

"Miss Emma Roberts", begann die Frau. Sie versuchte zu lächeln, was ihr aber kläglich misslang.
"Das war die schlechteste Leistung, die wir heute gesehen haben. Ich frage mich, ob du dich nicht schämst zu behaupten, dass du eine ernsthafte Chance hättest, zu den National Championships zu kommen. Ich weiß auch gar nicht, wo ich anfangen soll, bei deiner grottenschlechten Technik oder bei deinem lächerlichen Gesichtsausdruck. Es hat mich angeekelt dich anzusehen", spottete sie vor sich hin.

Sprachlos starrte ich sie an. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein! Und selbst wenn ich so schlecht war wie sie sagte, dann hätte sie mich auch konstruktiv kritisieren können.

"Was stehst du hier noch herum?", riss mich der Mann aus meinen zornigen Gedanken.

Erschrocken blickte ich ihn an, drehte mich dann um und verließ schnell die Halle. Sofort knallte ich gegen Alex' Brust, der alles mit Bella belauscht hatte.
"Ich bringe sie um", knurrte Alex.
"Wen?", fragte ich schroff.
"Na, diese verdammte Jury", er fuchtelte wild mit den Armen herum, "du warst heute mit Abstand die beste."
Bella nickte eifrig.

"Aber es ist halt jetzt so, dann hat es eben nicht geklappt", murmelte ich, nahm meinen Rucksack und ging zur Toilette, um mich wieder umzuziehen.
"Emma jetzt warte doch", murmelte Alex, doch ich hatte die Tür schon abgeschlossen, somit hatte er nichts mehr auszusetzen.

Als ich dann fertig war und wieder in kurzer Jeans und Hoodie dastand, saß Alex auf dem Boden und raufte sich die Haare.
"Alex jetzt beruhige dich doch", versuchte ich ihn zu besänftigen, während wir auf den Ausgang zusteuerten, um zu Bellas Auto zugelangen und die Heimreise anzutreten.

Die ganze Fahrt über schwieg Alex und auch Bella verlor kein Wort über den Tag. Scheinbar konnte ich damit besser umgehen, als die beiden. Es war natürlich schade, aber wenn es die Entscheidung der Jury ist, ist es äußerst unprofessionell, die Entscheidung infrage zu stellen.
Das habe ich in meiner kleinen Tanzkarriere auch lernen müssen und nach Niederlagen muss man wieder weiter machen und nach vorne schauen, sonst fällt man in ein riesen Loch.

Am Abend nach dem Abendessen im Internat, klopfte ich noch einmal bei Alex, um mit ihm über den Tag zu sprechen. Und dann musste ich auch noch unbedingt mit Olivia sprechen, falls ich den Mut dazu habe.
"Hey was gibt's?", fragte Jake, als er mir die Türe aufmachte.
"Ich wollte mit Alex reden", erklärte ich mein Auftauchen.
"Er ist gerade nicht hier, keine Ahnung wo der hingegangen ist. Er wollte ungestört bleiben, meinte er", klärte er mich auf und lächelte mich freundlich an.
"Okay, trotzdem danke", verabschiedete ich mich und rannte die Treppen nach unten. Ich wusste sehr wohl, wo Alex war.
In seinem Baumhaus.

Schnell lief ich zwischen all den Häusern hindurch und rannte über die Lichtung, zum Waldrand und suchte zwischen den Bäumen den einen richtigen, an dem eigentlich eine Strickleiter runterhängen sollte. Nach kurzer Schatzsuche hatte ich den richtigen gefunden und fing an, das wackelige Gestell hochzuklettern.

Alex hatte oben die Lichterketten nicht an, es war aber noch hell genug, wir hatten es ja mittlerweile schon Juni.
Er saß auf dem Boden und lehnte sich an die Wand, schweigend setzte ich mich zu ihm.

Einige Minuten saßen wir nur nebeneinander, während ich meinen Kopf auf seine Schulter legte und er seinen Kopf dann auf meinen.

"Ich kann verstehen, wenn du... wenn du jetzt... immer noch-", versuchte ich verzweifelt nach den richtigen Worten zu suchen.
"Nein das verstehst du nicht", unterbrach er mich sanft, aber mit Bestimmtheit.
"Alex, ich komme damit gut klar. Als Tänzer hat man auch mal Niederlagen, aber man muss danach einfach weitermachen und nach vorne schauen. Manchmal hat man gute Tage, manchmal nicht und das ist eben so."
"Aber weißt du, was mich an der ganzen Sache so aufregt? Du hast schon so viel Schlimmes erlebt. Deine Schwester ist tot, womöglich auch ermordet worden, deine Eltern sind auch tot, du bist mit deinen Brüdern verstritten, mit Olivia auch, du lebst in der täglichen Angst, dass irgendetwas passiert, weil irgendjemand irgendetwas gegen dich hat und... und ich muss dir dabei zusehen, wie sehr du leidest und dich jeden Tag durch dein Leben kämpfst, während ich mir einfach nur für dich wünsche, dass du wieder glücklich sein kannst. Und ich glaube auch ehrlich gesagt, dass an der Juryentscheidung irgendetwas faul war und... und es war so offensichtlich, dass du die beste warst, Bella hat das auch gesagt. Wie kann ich da noch entspannt sein? Ich wünsche mir einfach so sehr, dass du wieder ein normales Leben haben kannst und normal sein kannst", raunte er und wurde mit jedem Wort eindringlicher.

"Du glaubst also wirklich, dass die Jury keine wirkliche war?", fragte ich verwundert und setzte mich wieder gerade hin.
"Keine Ahnung, ich habe nur ein komisches Gefühl", flüsterte er und schaute mich an, "was, wenn das alles irgendwie zusammenhängt? Dass deine Schwester und deine Eltern tot sind, dass du dich hier beobachtet fühlst und dass die Jury auch prinzipiell einfach etwas gegen dich hat."

Ich ließ das kurz auf mich sinken. Irgendwie machte das Sinn und im nächsten Moment auch wieder nicht.
Es wäre irgendwie krass und gruselig zugleich, wenn Alex recht hätte, trotzdem war es unrealistisch. Egal, ob alles zusammenhing oder nicht, es war ein verdammt beschissenes Gefühl, das sich in mir breit machte.

"Ich habe Angst", verließ es meine Lippen, "nicht irgendeine Angst, ich habe Todesangst."
Alex legte seinen Arm um mich und zog mich näher, um seine Lippen auf meine Stirn zu legen.
"Ich auch."

unbreakableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt