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We don't have to take our clothes of - Ella Eyre
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Emma Roberts

Mitterweile dämmerte es schon, als wir am Meer angekommen waren. Ich konnte nicht so lang laufen, weil alle meine Glieder noch so weh taten.
Sehnsüchtig schaute ich auf die rauschenden Wellen und wünschte mir in dem Moment nichts sehnlicher, als ungestört mein Leben zu leben, wie dieses Salzwasser seine Wellen schlug. Ich wünschte, ich könnte frei sein, ohne tägliche Angst leben und alle Dinge im Leben verstehen und offen auf den Tisch legen. Es ist nämlich absolut bescheuert wenn man das Gefühl hat, dass alle anderen etwas gegen einen haben, man aber nicht den Grund kennt.

"Emma?", riss mich Alex aus meiner Fantasie und lief voraus zu diesem schmalen Damm, der bei Ebbe sichtbar war.
"Äh ja, ich komme", erwiederte ich schnell und folgte ihm schweigend. Mir war die Situation gerade mehr als unagenehm, da ich einerseits nicht damit klar kam, dass Alex mich gerettet hat und andererseits, dass ich gerade auf der Flucht bin.

Es waren nicht viele Menschen unterwegs, wahrscheinlich schreckte sie das vergangene Gewitter ab. Die Straßen waren vom Regen noch nass und der Himmel war so stark bewölkt, als ob gleich das nächste Gewitter aufziehen würde.

Als wir auf der Gezeiteninsel ankamen, fing schon die Flut an, den Damm zu überschwemmen und somit den Weg zurück an Land abzuschließen. Vielleicht saßen wir in der Falle, aber es war allemal besser, als in einem Wald zu liegen, der in der nächsten Sekunde in Flammen aufgehen könnte.

Erschöpft ließ ich mich auf den Steinstrand fallen und versuchte die erneut aufsteigenden Tränen wegen der Erinnerung an die Hütte zurückzuhalten.

"Was genau ist passiert?", zerbrach er die Stille, nachdem er sich neben mich gesetzt hat.
"Ich habe die ganzen Autos gesehen, dann hast du mir geschrieben, kurz danach hat", ich holte tief Luft, weil ich selber Angst hatte, es auszusprechen, "dann hat jemand angerufen und es war Alice, also sie hat sich so angehört und hat wieder aufgelegt", ich machte eine kurze Pause, um meine Gedanken wieder zu sortieren, "daraufhin wollte ich meine Brüder anrufen, aber sie waren nicht erreichbar, es war irgendein Krimineller, keine Ahnung. Dann bin ich weggerannt. Irgendwohin."

"Das war gut, denn später wurde und das ganze Haus durchsucht und sie hätten dich sofort gefunden", berichtete Alex.

"Ich wurde dann plötzlich von einem fremden Mann mitgenommen. Er meinte, dass Alice' Stimme nur computererzeugt war, es war total komisch und ich weiß nicht, ob ich ihm glauben soll oder nicht", versuchte ich zu erklären und mir irgendeinen Reim aus der ganzen Sache zu machen, "ich meine, ich bin ja nicht bescheuert und Alice war eine Fata Morgana meines Gehörs."

"Warum war dein T-Shirt zerrissen?", fragte er weiter und schaute mich mit zusammengepressten Lippen an.

"Der Mann nahm mich mit... hat mich in dieser Hütte eingesperrt und hat mich...", weiter kam ich nicht, sondern musste aufschluchzen, wodurch Alex mich an seine Brust drückte. Mir war im Moment egal, dass ich eigentlich sauer auf ihn war, ich brauchte ihn gerade mehr denn je.
"Er hat es nicht geschafft, weil er angerufen wurde und irgendetwas gelabert hat, dass ich auch Alice sein könne und er hat die ganze Zeit so komische Dinge gesagt", faselte ich vor mich hin, "er hat mich angefasst, hat mich geschlagen, hat mein T-Shirt zerrissen und er... also ich weiß auch nicht. Es war einfach schrecklich."

Alex hielt mich fest und schwieg. An seinem festen Griff erkannte ich gut, dass es ihm nicht gefiel, was passiert war, aber er sagte einfach nichts und hielt mich fest. Und verdammt nochmal, ich hatte es so sehr vermisst in seinen Armen zu liegen, es fühlte sich so gut an. Er war einfach da und tröstete mich, obwohl wir nicht zusammen waren.

Die Sonne ging immer mehr unter und wir saßen still schweigend nebeneinander, hatten keine Ahnung, was wir tun sollten.

"Warum hast du Schluss gemacht?", sprach ich das Unvermeidliche an und hatte selber Angst vor der Antwort.
"Ich wurde erpresst", gab er kleinlaut von sich und ich musste aus einem mir unerfindlichen Grund kurz auflachen.
"Gute Ausrede", gab ich zu Bedenken und rutschte ein Stück von ihm weg. Er wollte mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass er erpresst wurde und mit mir Schluss machen musste.

"Emma", sagte er leise, ohne mich anzuschauen, "es ist anders als du denkst. Ich liebe dich immer noch, aber ich darf dir nicht den Grund für alles nennen. Es tut mir leid."
Mein erneutes Lachen klang schon fast traurig.
"Es war kein Fehler, dich zu lieben. Der Fehler war, dass ich geglaubt habe, du würdest mich auch lieben und ich hoffe, du bereust nichts so sehr, wie dass du mich verlassen hast. Du hast gesagt, du bleibst. Und du hast dein verdammtes Versprechen gebrochen", zischte ich traurig, "und selbst wenn du erpresst wurdest, hätten wir es gemeinsam angehen können. Wir hätten es geschafft. Zusammen. Wir haben doch schon so viel geschafft warum jetzt der Rückzieher?", ich versuchte meine Traurigkeit und den Schmerz zu überspielen, indem ich aufstand und weiter ans Wasser lief, "ich bin dir dankbar, dass du mir die Augen geöffnet hast, was für ein Arsch du bist, bevor ich es noch länger mit dir ausgehalten hätte. Ich liebe dich nicht", sprach ich verbittert und ließ still meine Tränen laufen, während ich versuchte, meine Gedanken wieder zu sortieren.

Kurze Zeit später hörte ich Schritte auf dem Steinstrand hinter mir näher kommen und eine beruhigende Hand, die sich auf meine Schulter legte.
"Emma, es tut mir leid", flüsterte er, mehr nicht.
"Du hast mein Vertrauen missbraucht", hauchte ich leise.
"Ich weiß", flüsterte er.
Ein paar Minuten standen wir so da, nicht viel Körpeekontakt, aber genug, um die volle Funktionsfähigkeit meines Herzens in Frage zu stellen.

"Ich habe so Angst", gab ich zu, weil es gut sein könnte, dass wir hier nicht mehr lebend herauskommen werden, "was, wenn ich morgen nie wieder sehe?"

"Dann haben wir unseren letzten Abend gemeinsam verbracht", und streichelte mit seinem Daumen an meinem Schulterknochen entlang. Tröstende Worte.
"Kommen wir hier jemals wieder raus? Immer auf der Flucht und ich weiß nicht einmal, warum."
"Ich weiß es nicht. Aber wir haben Menschen, die nach uns suchen. Gute Menschen", sprach er fürsorglich aber ehrlich.
"Wer?", fragte ich schroff.
"Ich habe die Polizei gerufen", gab er kleinlaut bei. Ich wusste nicht, ob mich das beruhigen sollte oder nicht. Hoffentlich nicht letzteres.

"Und das beste ist, wir haben uns", fügte er hinzu und nahm mich bei meinen Schultern, um mich zu ihm hin zu drehen, sodass ich wieder in seine Augen schaute, "weißt du, was mein Name bedeutet?"

Verwirrt sah ich ihn an.
"Der Beschützer."
"Junge, ich vertrau dir doch nicht noch einmal, bin doch net bescheuert und laufe nochmal in das offene Messer", gab ich bissig zurück.

"Verdammt, ich muss den Schlamassel wieder in Ordnung bringen, aber dafür brauche ich dich. Du bist jetzt mein Leben. Und danach kannst du mich gerne bis an mein Lebensende hassen, weil ich so scheiße zu dir war. Hauptsache, du wirst glücklich und wenn es ohne mich ist."

Mein Herz zog sich bei seinen Worten zusammen und ich wollte meine Hand an seine Wange legen. Er sollte nicht so über dich denken. Trotz allem gehörte mein Herz immer noch ihm, obwohl mein Kopf das nicht mehr wollte.
"Alex..."

Etwas Metallenes drückte sich gegen meinen Hinterkopf.
"Hände hoch oder ich drück ab", säuselte Ms Daniels' Stimme.

unbreakableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt