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Can you hold me - NF, Britt Nicole
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Emma Roberts

Ich versuchte mindestens noch normal zu atmen, während ich näher an sein Bett ging. Jeden Schritt, den ich näher komme sehe ich nochmal einen Schlauch, der aus seinem Körper kommt. Mir wird schon wieder schummrig, aber ich musste mich jetzt zusammenreißen. Ich wollte ihn noch einmal sehen. Nur ein einziges Mal. Dann musste ich mich auch zusammenreißen.

Langsam und vorsichtig kam ich zu ihm und setzte mich an die Bettkante.
Alex war ganz bleich und seine Wangen waren stark eingefallen, was ihn durch die Sauerstoffbrille noch schwächer aussehen ließ. Er steckte in einem Krankenhaushemd und war mit einer weißen Decke zugedeckt. In seinem Handrücken steckte ein Infusionszugang und an einem anderen Finger war eine Sauerstoffklammer. Die andere Hand war in einen dicken Verband gebunden. Die Hand, die die Klinge eines Messers in der Hand gehalten hatte. Ich habe die Situation gar nicht richtig mitbekommen. Nur, dass der Mann näher kam und scheinbar ein Messer in der Hand gehalten hatte. Alex hat meine Ermordung verhindert. Und jetzt ist diese Hand fest eingebunden. Der Arzt hatte gemeint, dass das eigentlich gefährlich an der Sache das Gift in der Kugel war. Und anscheinend war dieser Entgiftungsprozess äußerst kompliziert.
Seit wann ist auch Gift in einer Kugel?
Das war meines Wissens nicht normal.

Vorsichtig nahm ich seine Hand, die gesunde Hand. Sie war ganz kalt und hing schlaff in meiner.
Das ständige Piepsen der Maschine machte die Situation auch nicht besser.
Meine Finger zitternden, als ich ihm vorsichtig über die Wange strich.
"Alex", flüsterte ich mit enger Brust, "bitte komm zurück. Ich brauche dich. Und du willst mich eigentlich nicht mehr, aber ich brauche dich."

Ich versuchte irgendein Lebenszeichen an seinem Körper auszumachen. Nichts. Er lag still mit geschlossenen Augen da.

"Egal, was passiert, mein Herz gehört nur dir und ich werde immer an dich und unsere gemeinsame Zeit denken", hauchte ich und die Tränen verließen still meine Augenwinkel. Es tat gut, meine Gedanken auszusprechen.

"Bitte bleib. Auch wenn ich manchmal nervig, zickig oder sauer war", flehte ich und umgriff seine Hand fester, "du bist alles für mich." Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

"Ich kann nicht schon wieder eine Person verlieren", hauchte ich leise.
Ich schaute ihn wieder erwartungsvoll an. Keine Regung.
"Alex...", ich strich wieder sanft über seine Wange, "bitte."

Mein Herz blutete bei diesem Anblick. Wie er dort so hilflos und schwach lag. Wie sein Leben gerade von diesen Maschinen abhing, die seinen Körper entgifteten. Es glich schon an ein Wunder, dass ich noch nicht umgekippt bin bei dem Anblick von all diesen Schläuchen und Käbeln an ihm und dem Blut, das durch einen Schlauch an seiner Schulter abfloss. Wahrscheinlich das Wundwasser der Operation.

"Ich habe dir das noch nie gesagt, aber die Zeit mit dir war die schönste meines Lebens", ich schaute an die Decke und blinzelte meine Tränen weg, "du hast mein Leben um so vieles besser gemacht und ich kann dir nicht genug für alles danken, was du für mich getan hast, damit ich mich besser fühle", erzählte ich ihm, "danke dafür."

Ich schloss meine Augen und versuchte meinen Körper wieder auf Normalzustand zu bringen. Vorsichtig senkte ich meinen Kopf und legte meine Lippen auf seine Hand. Dabei fiel mir auf, dass ich immer noch Alex' Hoodie trug.
"Ich will auch nicht deinen Hoodie für immer behalten, der gehört dir", lachte ich unter Tränen, aber das Lachen blieb mir angesichts der Situation im Hals stecken.

Ich wusste nicht mehr, wie viel Uhr war. Manchmal kam eine Krankenschwester rein und überprüfte die Medikation.
Ich saß gefühlt stundenlang bei Alex und erzählte ihm Geschichten. Geschichten von Erlebnissen, die wir gemeinsam erlebt haben. Wie wir zum Beispiel auf dem Heuboden übernachtet haben. Oder wie wir uns in der Küche mit Mehl überschüttet haben. Oder wie wir beide bei Ms Wilson auf den äußeren Stuhl wollten und uns wie kleine Kinder verhalten haben. Oder wie ich ihm eine einfache Pirouette beibringen wollte und das in einem Desaster geendet hat. Oder auch nicht zu vergessen unser Date, das in einem Tanz im Regen geendet ist. Es waren einfach lustige Erlebnisse, die mein Leben um einiges verbessert haben. Denn er war irgendwie der einzige Mensch, der mir gezeigt hat, wie schön und wie wertvoll Liebe ist.

Und natürlich auch traurige, aber dafür prägende Erlebnisse, die uns mehr zusammen geschweißt haben. Zum Beispiel, als er mir aus seinem Leben erzählt hat und ich ihm aus meinem. Oder als er mehrmals bei meinen Alpträumen dabei war und mich in seinen Armen gehalten hat. Oder als er sich mit Olivia gestritten hat und ich ihn getröstet habe. Es ist vieles passiert, was uns auseinanderbringen wollte und obwohl wir unsere Beziehung zwei Wochen auf Eis gelegt haben, haben sich unsere Wege wieder gekreuzt. Jap, und danach haben wir uns einem kleinen Kampf im Wasser gestellt.

All diese Erinnerungen ließen alle Emotionen wieder erneut aufleben und ich realisierte wieder, wie sehr ich diesen Mann geliebt habe. Nein, ich liebte ihn immer noch. Mein Herz brannte immer noch für ihn. Mein Herz würde ihm für immer gehören. Für immer.

"Mein Herz gehört dir", flüsterte ich tränenerstickt.
Die Sonne ging unter und ich flüsterte es immer wieder, während ich ihn bittend anschaute. Er musste einfach aufwachen. Anders würde ich das nicht überleben.

"Alex ich werde dich immer lieben", kam es über meine Lippen. Mein Herz musste das auch akzeptieren. Egal, wie unsere gemeinsame Zukunft aussehen würde, ich werde immer an ihn denken müssen.

Ich schaute zur Uhr. Eine Welle des Schocks überkam mich: Halb zwölf.
Er muss in einer fucking halben Stunde aufwachen, sonst geben ihm die Ärzte keine ernsthafte Chance.

"Alex, wach auf. Komm zu mir zurück. Ich brauche dich", flüsterte ich leicht panisch, "ich liebe dich."

Erwartungsvoll schaute ich auf seine geschlossenen Augen. Keine Regung. Nicht einmal ein Zucken. Nichts.
Außer eine Träne, die seinen rechten Augenwinkel verlässt. Geschockt starrte ich auf diese Träne. Es war nur ein kleiner Tropfen. Nicht viel.

Ich schaffte es nicht, einen weiteren stabilen Laut über meine Lippen zu bringen. Ich konnte mein Herz hart gegen meine Brust hämmern hören, dass es mir drohte zu zerreißen. Ich sah seine Lider sich regen und konnte das Hämmern schneller und schneller spüren, während ich komplett erfroren da saß und darauf wartete, dass seine Augen sich öffnen würden.

Ein keuchender Laut entfuhr mir, als seine Finger sich in meiner Hand anfingen zu bewegen. Ich klammerte mich noch fester an seine Hand und legte meinen Daumen an seine Wange.

Dann passierte es. Seine Lider fingen an zu zucken, als versuchte er sie zu heben. In meinem Bauch fing ein hoffnungsvolles Kribbeln an, als ich ihn erwartungsvoll anschaute.
Er wachte auf.
Er wachte auf.

"A-a-alex", zitterte meine Stimme und ich wartete vergeblich auf den Moment, bis er seine Augen öffnen würde. Jede weitere Sekunde kam mir wie eine Ewigkeit vor, die meine Qual exponentienell vermehrte.
"Alex, wach auf!", versuchte ich es mit Nachdruck. Keine weitere Regung. Die Träne war an seinem unteren Kieferknochen angekommen.

Ich umgriff seine Hand erneut und legte meine Lippen erneut auf seinen Handrücken, neben seinen Zugang.
Ich schaute ihm nicht mehr ins Gesicht, ich konnte den Anblick nicht mehr ertragen.

"Alex, bitte", flehte ich leise und schaute auf.

Seine Augen waren geöffnet.

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