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Say you won't let go - James Arthur
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Emma Roberts

Es vergingen einige Stunden und ich durfte mich in dem Krankenzimmer ein wenig ausruhen. Laut den Ärzten habe ich ein ziemlich heftiges Schlafmittel bekommen, daher war ich jetzt noch so müde. Außerdem auch ein leichtes Schleudertrauma wegen dem Unfall. Ich sollte mir dann bei meinem normalen Arzt mit dem ärztlichen Befund von hier Physiotherapie verschreiben lassen. Eine Krankenschwester versorgte meine wunden Handgelenke und die Schrammen mit einer Salbe.

Mittlerweile war die Sonne aufgegangen und ich fühlte mich langsam besser, dennoch war ich so alleine. Das merkten auch die Schwestern recht schnell. Aber wer sollte mich hier auch besuchen kommen? Meine Brüder sind nicht auf freiem Fuß und meine Freunde fünf Stunden entfernt im Internat.

Manchmal musste ich weinen. Ich ließ meine Tränen still laufen und versuchte, dass mich niemand hörte. Ich war in Sicherheit, aber alleine sicher sein fühlt sich nicht gut an.
Die Zeit verging, manchmal schlief ich oder döste vor mich hin. Ab und zu sah eine Schwester nach mir und versorgte mich, falls ich etwas brauchte.

Es klopfte wieder an der Tür und eine Schwester steckte den Kopf herein.
"Besuch für dich", sagte sie freundlich. Verwirrt setzte ich mich auf. Wer sollte mich denn um zwölf Uhr mittags besuchen kommen?

Ich brachte keinen Ton heraus, als Olivia, Holly und Joy das Krankenzimmer betraten.
"Was macht ihr hier?", flüsterte ich und mir schossen die Tränen wieder in die Augen. Olivia rannte mit schnellen Schritten zu mir und schloss mich in ihre liebevollen Arme.

Ich hörte ein Schluchzen ihrerseits und umgriff ihren Oberkörper fester.
Holly und Joy kamen auch dazu, wodurch wir uns alle schluchzend in den Armen lagen. Wir hatten uns wieder. Außer Chloe.

"Wo ist Chloe?", erfragte ich das Offensichtliche.
"Sie war nicht da", murmelte Joy. Komisch, das war wirklich komisch.
Ich umarmte meine drei übrig gebliebenen Freundinnen noch einmal fest, bis ich mich wieder gefangen hatte.
"Wie kommt ihr hier her?", erkundigte ich mich, als sich die drei auf mein Bett gesetzt haben.

"Gestern Vormittag warst du plötzlich verschwunden, dann wurde das gesamte Internat durchsucht, dann war Alex am Nachmittag nicht mehr da. Jake wollte nicht mit der Sprache rausrücken. Wir haben uns die ganze Nacht Sorgen gemacht. Wir hatten auch am Abend plötzlich keinen Empfang und Internet mehr, als ob jemand den Stecker gezogen hätte. Heute in der früh war plötzlich die Polizei da und meinte, enge Freunde von Emma sollen mitkommen. Du weißt gar nicht, wie sehr wir erleichtert waren, als wir hörten, dass du noch lebst", berichtete Joy, "wir wollen jedes noch so kleinste Detail wissen."

Ich lächelte und fing an, die ganze Geschichte zu erklären. Es ging mittlerweile auch besser und mich schien die Erinnerung nicht mehr so sehr abzuschrecken.
Manchmal kamen Nachfragen, die ich selbst nicht beantworten konnte, weil ich ja selbst nicht wusste, warum das alles passiert ist. Die Ungewissheit nagte an mir, aber ich war so froh, einen Teil Normalität zu haben.

"Olivia", murmelte ich leise, nachdem ich mit der Erzählung fertig war, "ich wollte dir das eigentlich schon die ganze Zeit sagen, aber... es tut mir leid, wie ich mich abgeschottet habe und... ich wollte dich und Alex auch nicht entzweien... ich möchte nur niemanden verletzen..."
"Ist schon gut, eigentlich haben wir dich entzweit", sie nahm meine Hand, "es ist ziemlich viel aus dem Ruder gelaufen und ich muss da auch mit Alex drüber reden, falls er überhaupt aufwacht", sie wischte sich schnell die Tränen weg, "was, wenn er jetzt stirbt und unser Streit nicht geklärt ist?"

Ich umarmte sie fest und strich ihr über den Rücken. Ich wollte nicht sagen, dass alles gut ist oder wird. Es war nicht alles gut, aber ich hatte die Hoffnung, dass alles normal wird.

Am Nachmittag wurde ich "entlassen", aber wir mussten noch im Wartebereich warten, bis jemand kam, der uns abholte.
Ich war froh darüber, denn ich wollte nicht weg von Alex. Selbst wenn ich nur sein Gesicht noch einmal sehen könnte, wäre es die Wartezeit wert. Und eigentlich sind wir nicht mehr zusammen, aber ich wollte ihn sehen, ich klammerte mich so sehr an unsere Verbindung, obwohl es zwischen uns schon vorbei war. Ich brauchte diese Gewissheit, dass er noch lebte und ich sein Gesicht niemals vergessen würde.
Ich versuchte, die gemeinsame Zeit wenigstens zu vergessen und trotzdem wartete ich gleichzeitig immer noch darauf, dass er zurück kommen würde. Nicht nur zurück ins Leben sondern auch zurück zu mir.

Mir war sein Leben nicht egal. Im Gegenteil, ich wünschte mir so sehr, dass er überleben würde. Mein Herz tat immer noch so sehr weh, da meine erste große Liebe jetzt vorbei ist. Die Liebe kann das schönste, aber auch das schlimmste sein.
Die letzten 36 Stunden waren ein Auf und Ab der Gefühle und Emotionen. Eigentlich eine kurze Zeit, aber sie war so schlimm für mich, dass es sich wie eine Ewigkeit anfühlte.
Bei jedem vorbeilaufenden Arzt fragte ich nach, wie es Alex geht, aber niemand antwortete mir.

Irgendwann bin ich mal wieder eingeschlafen, wodurch mein Kopf auf Hollys Schulter fiel. Das merkte ich, als ich nach einer Stunde wieder aufgewacht war. Wir verharrten in dieser Position auch lange Zeit danach und Holly ließ es geschehen, dass meine manchmal kullernden Tränen ihr T-Shirt an der Schulter durchnässten. Sie war einfach da.

"Angehörige von Alex Black?", sprach eine männliche Stimme. Warte, war das ein Arzt? Ich setzte mich gerade auf und blickte auf einen weiß gekleideten Mann, also ein Arzt.
"I-i-ich bin seine Schwester, aber...", fing Olivia an, "Emma ist wichtiger als ich."
"Nein, Olivia ist die Schwester", warf ich schnell ein.

"Wir haben unser bestes versucht", sagte er nur erschöpft und instinktiv griff ich nach Olivias Hand, "es liegt jetzt an ihm, ob er aufwacht, ob er kämpft oder aufgibt-"
"Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass er aufwacht?", unterbrach ich den Arzt mit bebender Stimme.
"Eher gering", murmelte er leise, "die Schnittwunde an der Hand war harmlos, die Kugel zu entfernen, war eine größere Sache. Aber das eigentlich Gefährliche war der hohe Blutverlust und die Giftstoffe in der Kugel. Wenn er nicht binnen den nächsten zehn Stunden aufwacht, können wir ihn noch in ein künstliches Koma versetzen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass er da noch aufwacht ist...", er presste die Lippen betreten zusammen.
Gleich null.

"Kann ich zu ihm?", hauchte ich mit meiner trockenen Kehle.
Ich musste ihn sehen.
"Das geht nicht, es dürfen nur Familienangehörige zu i-"
"Emma ist mehr Familienmitglied als ich", fiel Olivia ihm bestimmend ins Wort, "lassen Sie Emma zu ihm."

Eine kurze Zeit schaute er uns noch an und nickte dann.
"Komm mit, das ist aber eine Ausnahme", flüsterte er.
Mit wackeligen Beinen folgte ich ihm. Ich hatte Angst. So sehr. Ich wusste nicht, wie ich auf ihn reagieren würde. Wie er aussehen würde. Ich lief in eine gewisse Ungewissheit rein. Die tickende Uhr lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich.
14 Uhr ist es jetzt.
Er muss bis um 24 Uhr aufwachen.

Als ich das Bett in dem Intensivzimmer erblickte und einen regungslosen Alex mit Unmengen von Schläuchen entdeckte war mein erster Gedanke, dass es an ein Wunder gleichen würde, wenn er aufwachen, geschweige denn überleben würde.

unbreakableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt