Die goldenen Sonnenstrahlen fielen auf die weissen Laken und erhellten das Zimmer. Rose blinzelte unter der Decke hervor und streckte ihre Glieder. Im ersten Moment war ihr nicht bewusst, wo sie sich befand. So gut hatte sie sich schon seit einiger Zeit nicht mehr gefühlt. Frisch und ausgeschlafen. Dies waren besondere Gaben, welche man nicht immer zur Verfügung hatte, was sie schmerzhaft gelernt hatte. Langsam kam die Erinnerung zurück und ein trüber Schleier legte sich über ihre Gedanken. Sie richtete sich langsam auf und sofort bemerkte sie, dass sie völlig unbekleidet war. Ihre Nerven begannen zu flattern und sie versuchte sich zu erinnern, wie sie ins Bett gekommen war. Trübe konnte sie eine Gestalt ausmachen, welche sie unter die Laken schob. Sie war nicht allein gewesen! Ein kurzer Blick über die weissen Laken machte ihr klar, dass sonst nichts geschehen war. Sie seufzte vor Erleichterung und lehnte sich ans Kopfende. Als sich ihre Atmung wieder normalisiert hatte, fragte sie sich, was sie überhaupt hätte dagegen tun können. Es fiel ihr noch immer schwer sich auf ihre neue Situation einzustellen. Sie schloss die Augen, sie musste sich endlich damit abfinden! Mit einem tiefen Seufzer öffnete sie wieder die Augen und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den hell erleuchteten Raum. Die Wanne war noch am selben Ort, wie letzte Nacht und auf dem runden Tisch stand ein Tablett. Sie schlüpfte aus dem Bett, nahm den Morgenmantel, der auf einen Stuhl hingelegt worden war und ging zu dem Tisch. Eier, Würstchen, Brot und Käse waren darauf zu finden. Sogar eine dampfende Tasse mit einem braunen Gebräu war daneben. Sie roch daran und erkannte es als Kaffee. Auch bei ihnen hatte es ab und zu von diesem braunen Gold gegeben, wenn die Handelsschiffe wieder nach Hause in den Hafen zurückgekehrt waren, dann waren sie voll mit eigenartigen Leckereien aus fremden Welten. Sie konnte sich noch gut daran erinnern als sie ein kleines Mädchen gewesen war, hatte sie ihren Vater oft begleiten dürfen, wenn er die Ware begutachtete. Sie setzte sich mit einem Lächeln hin und fing an zu essen. So viele Köstlichkeiten auf einem Teller war sie nicht mehr gewohnt. Sie packte vorsichtshalber noch ein wenig Brot und Käse in ein Tuch. Schliesslich wusste sie sich nicht, ob sie hierbleiben konnte. Sie erhob sich und wollte es in ihren Beutel packen, als ihr einfiel, dass ihre Habseligkeiten noch vor der Haustür liegen mussten. Wie sollte sie jetzt nur ohne ein Kleid der Familie entgegentreten? Sie drehte sich und liess sich auf das Bett fallen. Diese Reise hatte sich zu einer völlig ungeordneten Katastrophe entwickelt! Typisch, dass es so kommen musste. Nur einmal könnte das Glück auf ihrer Seite liegen! Sie schüttelte ihren Kopf und sah an die Decke. Da hörte sie, wie die Tür des Pavillons aufgestossen wurde. Kurz darauf erblickte sie einen Butler, der durch die Tür kam und ihre Sachen auf den Armen trug. Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Sie sprang auf und ging auf den Butler zu, um ihm ihre Sachen abzunehmen. Der Butler blickte sie etwas verwirrt an, erwiderte jedoch kein Wort.
„Ich danke euch vielmals" sagte sie erleichtert. Der Butler nickte nur etwas steiff und ging rückwärts aus dem Pavillon. Als die Tür ins Schloss rastete, schüttete sie ihr Hab und Gut auf das Bett. Aus ihrem Leinensack nahm sie den Beutel mit dem Brot und den wenigen Silbermünzen und packte gleich den neuen Proviant hinein, dann nahm sie das braune Wollkleid und ihre Schuhe und zog sie an. Sie kramte den Rindslederbeutel unter dem Kissen hervor, hob ihren Rock und schnürte ihn unter ihr neues Kleid. Es sass perfekt und war bequem, ganz anders als das Alte, denn dieses war ihr viel zu gross gewesen. Sie hatte es in ihrer Not von einer Wäscheleine gestohlen, um nicht aufzufallen. Sie begutachtete sich kritisch vor dem Spiegel und überlegte, was sie mit ihrem Haar anfangen sollte. Es roch so wunderbar und ihre Locken fielen sanft auf ihre Schultern und verdeckten ein Paar der Kratzer auf ihrer Wange. Ungerne würde sie ihre Haare zusammenstecken, doch es war nicht sittsam die Haarpracht offen zu tragen, hier im Königsland. Sie verzog ihre Miene und kämmte mit ihren Fingern durch ihre Strähnen. Plötzlich bemerkte sie einen Schatten hinter sich. Sie wandte sich um und sah den Mann von letzter Nacht. War es üblich, dass er sich anschlich? Dass man in seiner Nähe so ein einengendes Gefühl in der Brust bekam? Das Herz schneller zu schlagen schien oder ging es vielleicht nur ihr so? Sie war sich immer noch nicht sicher, ob sie ihm Dankbar sein oder lieber auf Konfrontation gehen sollte. Dieses Gefühlsdurcheinander war sie überhaupt nicht gewohnt. Normalerweise konnte man sie nicht so schnell aus der Fassung bringen. Sie hatte ihre Gefühle eisern im Griff, doch dieser englische Kerl war ihr einfach zu... zu... unverschämt, genau dieses Wort hatte sie gesucht! Sie beäugten sich gegenseitig. Es schien als würde die Zeit stillstehen. Die Helligkeit im Raum gab ihr jedoch nun die Möglichkeit ihn richtig ansehen zu können. Seine Gestalt war noch beeindruckender als am Abend zuvor, als er von der Nacht umhüllt wurde und etwas Verzaubertes an sich hatte. Sie stützte sich auf dem Bettgeländer hinter ihrem Rücken ab, denn ihr Herz raste unablässig und sie konnte sich nicht erklären warum. Er bewegte sich von der Tür weg und kam in Richtung Bett. Sein Gang erinnerte sie an den eines Jägers, der seine Beute umkreiste. Sie drehte sich mit ihm, immer in seine Richtung blickend. Er blieb ungefähr drei Schritte vor ihr stehen. Seine Augen liessen sie nie aus dem Blick

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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1
Historical FictionEngland im Umbruch. Der junge König Henry VIII hat nicht das Geschick und das gute Herz seines Vaters geerbt. Er will Krieg und Schottland endlich unter englischer Herrschaft wissen. In diesen Sog gerät der kampferfahrene Alexander de Warenne, Lord...